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Amazon wird Marktanteil bis 2020 verdoppeln

Der deutsche E-Commerce wird immer stärker von ausländischen Unternehmen dominiert. Die Vormachtstellung von Amazon greift auch in Deutschland Rakuten an (hier mehr). Im Interview analysiert der E-Commerce-Spezialist Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein die Perspektiven der Japaner, untersucht die Kannibalisierung im Onlinehandel und zeigt Schwachstellen des Internet-Primus.

Rakuten aus Japan hat Amazon in Europa den Kampf angesagt. Ist das ernstzunehmen?
Ja, unbedingt. Rakuten ist mit einem Umsatzanteil außerhalb Japans von über 50% global präsent und steckt hinter vielen Marken wie PriceMinister in Frankreich. Rakuten ist nicht nur selbst ein Onlinehändler, sondern deckt unterschiedliche Wertschöpfungsstufen ab, etwa indem er einen Marktplatz unterhält oder Fulfillment für die Partner übernimmt. Zur Dimension: 2010 haben die Japaner mit 18.000 kooperierenden Händlern rund 13 Mrd Dollar Umsatz gemacht, dieses Jahr dürften die auf rund 20 Mrd Dollar kommen, also deutlich über den Umsatz von Ebay. Das Handelsvolumen wird noch einmal größer ausfallen, da die Umsätze überwiegend durch Provisionen zustande kommen. 
Also gute Chancen im Kampf gegen die Nummer eins?
Ich gehe davon aus, dass Rakuten zumindest deutlich profitabler ist als Amazon. Ein weiterer Vorteil von Rakuten liegt darin, dass die Qualitätskontrolle der Partnershops besser funktioniert, ähnlich wie bei Franchise-Modellen, bei denen die Service–Levels strikt vorgeschrieben werden, was bei Amazon nicht der Fall ist. In dem Punkt ist Amazon noch angreifbar, weil Amazon die Händler beispielsweise bei Lieferzeiten oft nicht unter Kontrolle hat. Auch beim Thema Mobile ist Rakuten viel weiter vorne. Das liegt an der japanischen Mobile-Tradition – 26% aller Rakuten-Kunden kaufen bereits mit ihrem Handy. 
Amazon verdient wegen teurer Porto-Programme („Prime“) und dem Verkauf des Kindle-Readers zu Herstellungskosten seit mehreren Quartalen wenig Geld. Ist das mehr als eine Übergangs-Strategie, um Wettbewerber zu verdrängen?
Ich rechne damit, dass es im E-Book-Geschäft grundsätzlich ähnliche Entwicklungen wie bei den Handys geben wird: Subventionierung der Geräte, gekoppelt mit Abos, insofern ist der Loss-leading-Ansatz von Amazon nicht neu. Ich sehen allerdings Gefahren, weil Amazon versucht, Apple Konkurrenz zu machen und zunehmend im Hardware-Bereich investiert. Das ist nicht die Kernkompetenz von Amazon.
Während die ausländischen Unternehmen den Markt aufrollen, haben 39% der Internethändler in Deutschland im Weihnachtsgeschäft keine Umsatzzuwächse erzielt. Woran liegt’s?
Es gab im Onlinehandel ähnlich wie im stationären Handel besonders bei der Bekleidung im letzten Quartal ein schwaches Geschäft, weil die Temperaturen vergleichsweise hoch waren. Die anderen Warengruppen waren weiterhin stark.
Kai Hudetz vom Kölner E-Commerce Center erklärte, die Schere zwischen Gewinnern und Verlierern gehe immer weiter auf. Größter Gewinner bleibt Amazon mit einem Anteil von rund 15% am gesamten deutschen Internethandel (Schätzung von buchreport.de). Tritt der E-Commerce angesichts dieser Kannibalisierungstendenzen in eine neue Phase ein?
Wir haben es in Deutschland mit ganz starken ausländischen Anbietern zu tun; allein die Amerikaner habe einen Marktanteil von über 30%. Diese grenzüberschreitenden Akteure stellen für den deutschen Handel, der weiterhin defensiv agiert, eine besondere Bedrohung dar. Während Amazon auch bei den Investitionen in die Systeme mächtig investiert, kann kaum ein deutsches Unternehmen Amazon auch nur ansatzweise das Wasser reichen.
Wie viel Marktanteil kann Amazon perspektivisch erobern?
Ich gehe davon aus, dass der  Onlinehandel seinen Umsatzanteil am gesamten Non-Food-Einzelhandel bis 2020 auf 20% verdoppeln wird. Analog dazu gehe ich beim Umsatzanteil von Amazon am gesamten E-Commerce von einer Verdoppelung auf rund 30% aus.
Die größte Hoffnung der Wettbewerber soll „Multichannel“ sein. Ist das eine scharfe Waffe?
Der Kunde fordert Multichannel, wie eine aktuelle Studie unseres eWeb-Research-Centers belegt. Er ist sogar bereit, für den Service, den er nach einer Online-Bestellung im stationären Handel hat, auch mehr zu zahlen. Alle Studien deuten darauf hin, dass in dieser Kombination die Zukunft liegt. Befeuert wird dieser Trend durch die hohe Verbreitung von Smartphones. Auch Google hat inzwischen erkannt, dass die Zukunft von Online bei Offline ist – bei der Verschmelzung der Kanäle durch die mobile Internetnutzung. Da haben die reinen Internetanbieter auf lange Sicht ein Defizit, weil sie das stationäre Erlebnis nicht bieten können. Zusammengefasst: Ja, Multichannel ist ein gute Waffe, sie muss allerdings von der Unternehmen auch richtig eingesetzt werden.
Also müssen sich die klassischen Buchhändler keine großen Sorgen machen?
Doch, weil sie stärker als andere Einzelhändler unter den Auswirkungen der Digitalisierung leiden. Digitalisierbare Produkte sind durch die Vorteile der niedrigeren Transaktionskosten eine besondere Herausforderung. Auch wenn Klaus Driever, der Chef von weltbild.de, eine parallele Nutzung von elektronischen und gedruckten Büchern sieht, gehe ich davon aus, dass es zu einer Verschiebung kommen wird. Da wird der kleine Buchhändler Probleme bekommen.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
Eine achtseitige Analyse des Onlinebuchhandels mit einem Schwerpunkt zur Macht von Amazon ist im kommenden buchreport.magazin 2/2012 zu lesen (erscheint am 27.1.2012, hier zu bestellen). 

Foto: Amazon

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