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Die DRM-Front bröckelt

In die Dauerdebatte über harten Kopierschutz bei digitalen Büchern kommt wieder Bewegung. In den USA testet Holtzbrinck bei einem Imprint den Verzicht auf DRM. Weitere große Verlagsgruppen liebäugeln offenbar damit, ihre digitalen Bücher ohne Verschlüsselung auszuliefern. Die stärkste Offensive gegen DRM erfolgt allerdings durch Joanne K. Rowling.

Macmillan-Tochter verzichtet auf DRM

In den USA hat das Science-Fiction-/Fantasy- sowie Thriller-Imprint Tor/Forge (gehört zur Holtzbrinck-Tochter Macmillan) gestern im verlagseigenen Blog erklärt, die gesamte Backlist sowie alle Novitäten ab Juli 2012 ohne DRM anbieten zu wollen. „Unsere Autoren und Leser haben sich dies seit langer Zeit gewünscht“, begründet der Verleger Tom Doherty. „Das ist eine technologisch versierte Gruppe, und DRM nervt sie permanent. Das hindert sie daran, legal gekaufte E-Books vernünftig zu nutzen, etwa sie von einem auf das andere Gerät zu übertragen.“
Der Vorstoß des kleinen Verlags ist kein Einzelfall, es gibt weitere Signale, die auf ein Umdenken von Autoren und Verlagen deuten. Die größte Offensive gegen DRM hat Joanne K. Rowling gestartet. Die E-Books zu ihrer „Harry Potter“-Serie – die seit gestern auch auf Deutsch vorliegen – können ohne harten Kopierschutz heruntergeladen und per entsprechender E-Book-Lektüre-Software gelesen werden; nach Medienberichten enthält die Epub-Datei lediglich ein digitales Wasserzeichen, das ermöglicht, den Käufer ausfindig zu machen, falls dessen Datei bei einer Filesharing-Plattform auftaucht. Will der Käufer die Bücher allerdings per Kindle oder Nook lesen, wird eine DRM-verschlüsselte Datei heruntergeladen. Im Großen und Ganzen entspricht die Philosophie von Rowling also dem Wunsch des Verlegers Doherty: Die Bücher sollen auf möglichst allen Plattformen gelesen werden können.
Pottermore: Wir sollten von der Musikindustrie lernen

Pottermore-Chef Charlie Redmayne erklärte gegenüber dem „Bookseller“-Blog Futurebook: „Die Harry-Potter-E-Books werden schon heute extensiv raubkopiert. Meiner Meinung nach sollten wir von der Musikindustrie lernen, dass die beste Waffe gegen Piraterie darin besteht, die Inhalte auf all den von den Kunden erwünschten Plattformen zum Kauf anzubieten, zu einem Preis, den diese zu zahlen bereit sind. Wenn man dies tut, werden die Kunden die Bücher instinktiv kaufen wollen.“

Nach einem Bericht des Autors Charles Stross erfolgt der Vorstoß von Doherty nach Abstimmung mit Macmillan-Chef John Sargent, was als Hinweis zu deuten ist, dass man sich in der Verlagsgruppe testweise von hartem Kopierschutz verabschieden möchte. Der Unternehmensberater Mike Shatzkin will auf der Londoner Buchmesse sogar aufgeschnappt haben, dass zwei der sechs größten US-Verlage schon in Kürze auf DRM verzichten wollen (hier mehr). Das Gerücht erscheint insofern plausibel, als kürzlich die Digital-Chefin von Hachette Maja Thomas erklärte, DRM sei nicht mehr als ein „Speed Bump“, der Piraterie nicht verhindere (hier mehr).

Libreka-Chef Ronald Schild ist gegen DRM

Gleichwohl scheint das Thema bei Hachette umstritten zu sein: Der UK-Chef Tim Hely Hutchinson gilt als Befürworter von DRM und hat dies in einem Brief an Autoren begründet.
Hierzulande gehört Libreka-Chef Ronald Schild zu der Fraktion der DRM-Kritiker. In einem Blog erklärte der im Börsenverein für die MVB-Wirtschaftstöchter verantwortliche Manager, die Fokussierung auf die Piraterieverhinderung verstelle den Blick auf das Wesentliche – den Kunden. Und: „Solange Verleger ihren Fokus darauf legen, ihre Inhalte zu schützen, stehen zwangsläufig Maßnahmen im Vordergrund, die die Nutzung des Content auf irgendeine Weise einschränken. Sei es durch DRM, durch das Begrenzen von Kopieren und Ausdrucken oder durch zeitliche oder räumliche Einschränkungen. Eine solche Einschränkung der Content-Nutzung ist aber gleichzeitig auch eine Einschränkung des Lesers.“

Gleichwohl setzt das Gros der Verlage in Deutschland auf harten Kopierschutz. Zu den wenigen Ausnahmen zählt der Pabel-Moewig Verlag, der die E-Books zur „Perry Rhodan“-Reihe ohne DRM anbietet.

Von den rund 277.000 E-Books, die auf libreka.de verfügbar sind, werden laut MVB etwa 84% per DRM geschützt.

Kommentare

4 Kommentare zu "Die DRM-Front bröckelt"

  1. Ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn es jetzt noch eine Plattform für alle E-Books gäbe wäre dass noch kundenfreundlicher.

  2. Wilhelm Martinek | 26. April 2012 um 19:04 | Antworten

    Auf diese Einsicht habe ich gewartet! Leider muss die Buchbranche erst die gleiche Entwicklung durchleben, wie es auch die Musikindustrie gemacht hat. Ich habe auf letzten CEBIT mit dem Betreiber von amobo geredet und er hat „prophezeit“, dass die Verlage sich umstellen müssen. Ehrlich gesagt, war ich vor diesem Gespräch auch ein Verfechter des Kopierschutzes. Allerdings hat mir der Herr von amobo die Frage gestellt, ob ich bereits ein E-Book gekauft, geladen und geöffnet habe. Ja, das habe ich…. versucht. Ich musste eine weitere Software installieren, um das E-Book zu lesen und es ist mir nicht möglich, andere Endgeräte damit auszustatten. Man muss also erst „illegal“ werden, den Kopierschutz also knacken, um das legal erworbene Werk richtig konsumieren zu können. Wenn es also leichter ist, eine Raubkopie zu verwenden, als ein legales E-Book zu öffnen, dann läuft hier einiges falsch.

  3. Wird aber auch Zeit. Bei den Musikverlagen z. B. (die mit dem Piraterie-Thema deutlich längere Erfahrung haben als die Buchverlage) hat sich DRM längst erledigt. Die Argumente sind im übrigen bekannt: DRM bestraft ehrliche Käufer, weil die Usability der Ebooks eingeschränkt wird – was z. B., wenn ich in ein paar Jahren einen neuen Reader kaufe und meine teuer erworbene Ebook-Bibliothek nicht kompatibel ist?
    Allerdings gibt’s ja reichlich freie Software im Netz, um DRM ruckzuck zu beseitigen. Oder ich geh gleich auf eine Piratenseite, wo das schon jemand für mich erledigt hat. So gesehen wird Piraterie durch DRM eher bestärkt.

  4. Es geschehen auch heute noch Zeichen und Wunder.
    Ich hätte offen gestanden mit solchen Einsichten frühestens in 3-5 Jahren gerechnet.
    Wer hätte gedacht, dass die als ‚angestaubt‘ wahrgenommene Buch/Verlagsbranche schneller lernt als die Musikindustrie. Vielleicht überleben ja diesmal ein paar mehr.

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