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Der Billy Beane der Buchwelt

Als den Billy Beane der Buchwelt porträtiert die New York Times Andrew Rhomberg, den Gründer des britischen Analytics-Anbieters Jellybooks, der für Buchverlage Nutzerdaten von E-Book-Lesern auswertet.

Der Vergleich ist für Europäer möglicherweise erklärungsbedürftig: Der in den USA populäre Billy Beane ist ein Baseball-Manager (und ehemaliger Spieler), der in den 80er-Jahren die statistische Analyse im Baseballsport einführte und große Erfolge bei der Bewertung und Rekrutierung von jungen Spielern erzielte. Seine Geschichte erzählt die Hollywood-Produktion Moneyball mit Brad Pitt in der Hauptrolle (eine Verfilmung des gleichnamigen Buches von Michael Lewis).

So wie Beane den Baseball und insbesondere die Arbeit der Vereine revolutionierte, werde Rhomberg radikal die Arbeit der Verlage beeinflussen, und zwar wie sie Bücher erwerben, veröffentlichen und vermarkten. Rhomberg biete den Verlagen einen Blick über die Schulter des Lesers: Verschlingen die meisten Menschen ein Buch in einer einzigen Sitzung oder springt die Hälfte der Leser nach Kapitel 2 ab? Sind es eher Frauen über 50 als junge Männer, die bis zum Schluss durchhalten und ein Buch zu Ende lesen? Welche Passagen markieren sie, und welche werden übersprungen?

Während E-Book-Händler wie Amazon, Apple und Barnes & Noble fleißig Daten über das Leseverhalten ihrer Kunden sammelten, blieben Verlage und Autoren immer noch im Dunkeln darüber, wie die Leser eigentlich lesen. Hier setze Rhomberg an: Jellybooks sei über das Leseverhalten auf gleiche Weise informiert, wie Netflix wisse, in welcher Form seine Kunden Fernsehserien konsumieren und wie Spotify die Songs kenne, die seine Nutzer überspringen.

Der New York Times-Beitrag erklärt die Funtionsweise und das Geschäftsmodell von Jellybooks: Das Unternehmen verteilt kostenlose E-Books an eine Gruppe von Lesern, oft noch vor der Veröffentlichung. Statt die Leser um eine Rezension zu bitten, klicken diese auf einen ins E-Book eingebetteten Link, der alle Informationen, die das Gerät aufgezeichnet hat, an Jellybooks übermittelt.

Zu den Verlagen, für die Jellybooks teils auch in Deutschland Leserdaten sammelt, gehören die Verlagsgruppen Random House, Bonnier, Faber & Faber, Simon & Schuster sowie Elsevier. Die Mehrzahl der Verlage, die mit Jellybooks arbeiten, brächten die Erkenntnisse laut NYT zwar nicht dazu, Bücher völlig neu zu gestalten, aber einige nutzten die Ergebnisse zur Gestaltung ihrer Marketing-Pläne.

Als Beispiel wird ein nicht mit Namen genannter europäischer Verleger angeführt, der ein Buch für viel Geld eingekauft hatte und das Marketing-Budget drastisch reduzierte, nachdem er gelernt hatte, dass 90 Prozent der Leser nach nur fünf Kapiteln aufgaben. Unter anderen Vorzeichen entschied ein deutscher Verlag, Werbung und Marketingaufwand für ein Kriminalroman-Debüt zu erhöhen, nachdem die Daten zeigten, dass fast 70 Prozent der Leser es bis zum Ende fesselte.

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