Prognosen für den stationären Einzelhandel sind nicht freundlich: Mit dem dynamischen Wachstum des Online-Handels werden viele Läden sterben, allein 50.000 bis 2020, heißt es seit Längerem. So beobachten viele Händler aufmerksam ihre Seismografen: Kundenfrequenz, Umsätze, die Leerstände in der Nachbarschaft. Es wird geschaut, was der eigene Online-Shop leistet, ob Multichannel wirklich funktionieren kann und wie man auf kurzen Wegen, mit Tempo und Service von Amazon mithalten kann. Und man setzt sich auch im Buchhandel bei Gelegenheit kleiner und investiert in die Aufenthaltsqualität.
Für den Stadtplaner Wolfgang Christ (66) sind das nur kurzfristige Anpassungen, die auch nur dem Augenblick genügen. Er appelliert, nicht zuzuschauen, wie nach und nach die Einkaufslandschaft in der Innenstadt erodiert, sondern die Entwicklung vom Ende her zu denken: Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Nur wenn der Handel die Radikalität der Veränderungen begreife, könne er wirklich neue Ansätze angehen und die innerstädtische Handelskultur aktiv mitgestalten. Christ im buchreport-Interview: „Nicht klagen, dass alles so schlimm ist, weil etwas zu Ende geht. Denn so toll war das doch nicht.“
Was ist dran an der einfachen Kausalität: Online-Shopping wächst zulasten des Stationären?
Der Online-Handel trifft auf eine Handelswirtschaft, die seit der Jahrtausendwende im Grunde stagniert. Deshalb entwickelt sich jedes Handelsformat, das wächst, auf Kosten anderer Formate. In der Vergangenheit haben Discounter, Fachmarktzentren und Shopping-Center ihren Anteil am Handelskuchen vergrößert zulasten der eigentümergeführten Läden, des Fachhandels und der Warenhäuser. Das kann man als evolutionären Prozess verstehen. Das Neue ist: Jetzt ist das gesamte Einzelhandelsmilieu von einer Entwicklung betroffen, die nicht aus dem Handel selbst kommt, sondern von Unternehmen, die einen ganz anderen technologischen Hintergrund haben und völlig neue Strukturen fürs Shopping aufbauen. Das ist nicht mehr die Handel-ist-Wandel-Evolution.
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