Immer Anfang Juni zeichnet der Verband ein aktuelles Branchenbild. Nach der Vorjahres-Tristesse (das waren die Kernaussagen 2018 mit den Daten zur Kundenstudie und dies die Wirtschaftszahlen) gab es in diesem Jahr freundlichere Themen:
- Die fortgeschriebene Kundenstudie „Buchkäufer – quo vadis?“ berichtet von einigen zurückgewonnen Kunden.
- Der deutsche Buchhandel hat 2018 ein kleines Umsatzplus geschrieben, die stationären Buchhandlungen allerdings ein kleines Minus. Hier die ausführliche buchreport-Analyse (PLUS).
- Das Buchgeschäft im laufenden Jahr entwickelt sich noch freundlicher mit +4% im Gesamtmarkt inkl. Online-Handel, aber auch der klassische Buchhandel notiert im Plus, s. den aktuellen buchreport-Umsatztrend.
Vor allem aber ist vom Boom des Sachbuchs zu berichten. Das war 2017 noch rückläufig gewesen, hatte sich dann 2018 auf +5,5% hochgeschaukelt und ist in den ersten 5 Monaten dieses Jahres sogar zweistellig gewachsen.Und wie das oft so ist, wenn etwas ohnehin einen Lauf hat, gibt es jetzt noch zusätzlichen Rückenwind: Nach langem Bemühen, parallel zum Deutschen Buchpreis für Romane, einen Sachbuchpreis zu etablieren, kann der Börsenverein ab 2020 das Marketingtool auch für Sachbücher nutzen.
„Die Sachbuch-Konjunktur“ war bereits Thema einer buchreport-Titelgeschichte im Mai, im Folgenden noch einmal mit aktualisierten Zahlen.
Sachbücher boomen – brauchen aber noch mehr Licht
Das Sachbuch ist mächtig im Aufwind und zieht (teilnehmende) Verlage und Händler mit. Auch wenn die Rolle der Konjunktur-Lokomotive in vielen Buchhandlungen nicht auf Anhieb sichtbar wird, weil Sachbücher gern eher „hintergründig“ platziert werden, ist der Trend eindrucksvoll:
- Umsatz: Bereits 2018 waren Sachbücher die dynamischste Warengruppe: +5,5%. 2019 haben Sachbücher bisher (von Januar bis Ende Mai) sogar gegenüber dem Vergleichszeitraum um knapp 14% zugelegt.
- Absatz: In den ersten 5 Monaten 2019 wurden in Deutschland 10% mehr Sachbücher verkauft als vor einem Jahr.
- Preis: Der ohnehin (wegen vieler Hardcover) vergleichsweise hohe Durchschnittspreis ist um gut 3,3% gestiegen.
Was steckt hinter diesem Boom: Das Strohfeuer eines Megasellers oder ein breiteres Interesse?
Gegenpol zu den »schnellen« Medien
Es gibt durchaus einen Bestseller-Effekt: Der diesjährige Toptitel, die Michelle-Obama-Biografie „Becoming“, ist umsatzstärker als Michael Wolffs Trump-Enthüllung „Feuer und Zorn“ vor einem Jahr. Aber den aktuellen Sachbuch-Boom erklären die Topseller nicht. Das zeigt eine buchreport-Rechnung mit den Zahlen des Handelspanels von Media Control: Rechnet man jeweils die 10 stärksten Bücher beider Jahre heraus, gibt es fürs laufende Jahr immer noch ein eindrucksvolles Wachstum von 10%.
Das heißt: Der Sachbuch-Trend hat ein breiteres Fundament. C.H. Beck-Verleger Jonathan Beck spricht entsprechend von einer „langfristigen Konjunktur des Sachbuchs“, verweist auf die vielfältigen Politthemen und auf die wachsende Bedeutung von Büchern als Gegenpol zu den oft „unterkomplex“ agierenden schnellen Medien (s. Kasten).
Hinter dem Boom stehen aber, trotz der Beispiele „Becoming“ und „Feuer und Zorn“, keineswegs vor allem Polit-Titel. Das zeigen die aktuellen SPIEGEL-Bestsellerlisten Hardcover und Paperback. Im Gegenteil: Zu den sicher erklärungsbedürftigen deutschen und europäischen Politikbefindlichkeiten findet sich nur wenig, bezeichnenderweise ist lediglich der Satiriker und Europaabgeordnete Martin Sonneborn (Die Partei) mit seinen Brüsseler Abenteuern prominent in der Bestsellerliste vertreten.
Mehr Sachbücher in die erste Reihe?
Die Themen sind sehr breit gestreut und die wachsende Nachfrage gibt einen Hinweis: Sachbücher verdienen mehr Aufmerksamkeit und dürften stärker heraustreten aus dem Schatten der von vielen Buchhändlern stärker als Herzenssache betrachteten Belletristik und Kinderbüchern. Die Qualitäten von Sachbüchern sollen künftig noch stärker ins rechte Licht gerückt werden, mit einer jährlichen Auszeichnung, gedacht als Pendant zum Deutschen Buchpreis, der seit 2005 im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse für den „besten“ Roman vergeben wird und zumindest dem Siegertitel einige Aufmerksamkeit beschert.
Bisher scheiterte der seit Jahren gehegte Plan an der Finanzierung, jetzt ist das Budget gesichert: Ab 2020 stellt der Börsenverein dem Deutschen (Roman-)Buchpreis den Deutschen Sachbuchpreis an die Seite. Mit der Auszeichnung soll künftig jährlich ein Sachbuch „für die herausragende Darstellung und Vermittlung zeitgeschichtlich relevanter Themen“ bedacht werden. Der Verband will damit „die Aufmerksamkeit für Sachbücher als Grundlage von Wissensvermittlung, fundierter Meinungsbildung sowie als Impulsgeber für den öffentlichen Diskurs fördern“.
Tatsächlich sind aktuelle und zeitgeschichtliche Sach-Warengruppen Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Geschichte mit aktuell zweistelligen Zuwächsen besonders gefragt.
Mit 8 Titeln direkt ins Finale
Details der Preisstiftung und Auszeichnungsdramaturgie:
- Die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins vergibt den mit insgesamt 42.500 Euro dotierten Buchpreis erstmals am 16. Juni 2020 im Humboldt Forum in Berlin.
- Hauptgeldgeber ist die Deutsche Bank Stiftung, als weitere Unterstützer sind die Börsenverein-Wirtschaftstochter MVB und die Stiftung Humboldt Forum mit im Boot.
- 25.000 Euro gehen an den Preisträger, jeweils 2500 Euro an die übrigen sieben Kandidaten der Nominierungsliste.
- Über den Preisträger entscheidet eine jährlich wechselnde siebenköpfige Jury, der Journalisten, Wissenschaftler und Buchhändler angehören werden.
- Anders als beim Deutschen (Roman-)Buchpreis wird es keine Longlist und eine dann folgende Shortlist geben. Die Jury stellt vielmehr eine 8 Titel umfassende Nominierungsliste zusammen, die am 21. April 2020 im zeitlichen Umfeld des Welttags des Buches bekannt gegeben wird. Aus dieser Auswahl ermitteln die Juroren das Sachbuch des Jahres, das dann zu den Buchtagen in Berlin am 16. Juni präsentiert wird.
- Die Jurymitglieder werden von der Akademie Deutscher Sachbuchpreis gewählt. Das elfköpfige Gremium hat der Vorstand des Börsenvereins einberufen. Ihm gehören neben Vertretern der Sponsoren und Unterstützer aus Verlagen Jonathan Beck (C.H. Beck) und Margit Ketterle (Droemer Knaur), aus dem Buchhandel Heinrich Riethmüller (Osiander) und Sabeth Vilmar (Kunst-Buch Kollwitzplatz, Berlin) sowie MVB-Geschäftsführer Ronald Schild und P.E.N.-Präsidentin Regula Venske an.
Deutscher Sachbuchpreis
Kriterien für die Bewerbung und die Bewertung:
- Verbandsmitgliedschaft: Bewerben können sich Mitgliedsverlage des Börsenvereins, des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels und des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbandes.
- Buchkandidaten: Je Verlag können maximal 2 Titel eingereicht werden, Kriterien: Monografie, deutschsprachiges Original, Erscheinungstermin zwischen Mai des Vorjahres und Bekanntgabe der Nominierungsliste im April. Zusätzlich sind bis zu 5 Empfehlungen möglich.
- Preiswürdigkeit: Kriterien für die Auszeichnung sind – Relevanz des Themas – Erzählerische Qualität des Textes – Art der Darstellung – Verständlichkeit der Sprache – Zugänglichkeit zum Thema – Qualität der Sprache“.
- Beginn der Ausschreibung für Verlage: 23. September, Einreichungsschluss: 22. November.
- Mehr Informationen unter www.deutscher-sachbuchpreis.de
Bereits ein Jahr vor dem Deutschen Sachbuchpreis vergibt die Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg) aktuell in Berlin erstmals ihren noch höher dotierten Wissen! Sachbuchpreis für Geisteswissenschaften, mit 40.000 Euro dotiert. Preisträger ist der Islamwissenschaftler Thomas Bauer, der für sein Sachbuch „Warum es kein islamisches Mittelalter gab“ (C.H. Beck) ausgezeichnet wurde.
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