Ende November vergangenen Jahres hatte das Bundeskartellamt ein Missbrauchsverfahren gegen Amazon eingeleitet, um die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen von Amazon gegenüber den Händlern auf dem deutschen Marktplatz Amazon.de zu überprüfen. Auf Amazon.de waren 2018 mehr als 300.000 Dritthändler tätig.
„Amazon ist selbst der größte Online-Händler und das Unternehmen betreibt den mit Abstand größten Online-Marktplatz in Deutschland. Viele Händler und Hersteller sind beim Online-Vertrieb auf die Reichweite des Amazon Marktplatzes angewiesen. Amazon fungiert so als eine Art ,gatekeeper‘ gegenüber den Kunden“, so Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, damals in der Mitteilung zum Verfahren. Und weiter: „Die Doppelrolle als größter Händler und größter Markplatz birgt das Potential für Behinderungen von anderen Händlern auf der Plattform. Aufgrund der vielen uns vorliegenden Beschwerden werden wir prüfen, ob Amazon seine Marktposition zu Lasten der auf dem Marktplatz tätigen Händler ausnutzt. Die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen von Amazon gegenüber den Händlern werden damit umfassend auf den Prüfstand gestellt.“
Jetzt hat das Kartellamt das Verfahren eingestellt, weil Amazon aufgrund der kartellrechtlichen Bedenken seine Geschäftsbedingungen für Händler auf den Amazon Online-Marktplätzen verändert. Die Änderungen sollen binnen 30 Tagen in Kraft treten und betreffen u.a. folgende Punkte:
- Haftung: Amazon ist bislang praktisch von jeglicher Haftung gegenüber den Händlern freigestellt. Amazon haftet künftig ebenso wie die Händler für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sowie bei Verletzung wesentlicher Vertragspflichten.
- Kündigung und Sperrung der Konten der Händler: Das bisherige Recht zur sofortigen und nicht begründeten Kündigung wird durch eine ordentliche Kündigung mit 30-Tage-Frist ersetzt. Außerordentliche Kündigungen muss Amazon begründen.
- Retouren: Bislang mussten die Händler einseitig die Kosten und sonstigen Folgen einer von Amazon getroffenen Erstattungsentscheidung tragen. Halten sie die Retoure für unberechtigt, können sie nach den neuen Regelungen Widerspruch einlegen und ggf. einen Ausgleichsanspruch gegenüber Amazon geltend machen.
- Produktinformationen: Händler mussten Amazon bislang sehr weitreichende Rechte zur Nutzung der eigenen Produktmaterialien, wie Informationen, Beschreibungen, Bilder etc. einräumen. Händler mussten dem Amazon-Marktplatz außerdem Produktmaterial zur Verfügung stellen, das qualitativ ebenso hochwertig ist wie das von ihnen in anderen Vertriebskanälen verwendete Material. Diese sogenannte „Paritätsvorgabe“ entfällt.
- Geheimhaltung: Öffentliche Äußerungen der Händler zu der Geschäftsbeziehung zu Amazon waren bisher nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung von Amazon erlaubt. Die entsprechende Klausel wird weitgehend reduziert.
„Für die auf den Amazon-Marktplätzen tätigen Händler haben wir mit unserem Verfahren weltweit weitreichende Verbesserungen erwirkt“, resümiert Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Weitere Details zu den Änderungen hat das Kartellamt online veröffentlicht.
Zeitgleich hat die EU-Kommission Ermittlungen gegen Amazon eingeleitet. Die Behörde teilte mit, dass man das eventuelle wettbewerbswidrige Verhalten des US-Unternehmens auf seiner Verkaufsplattform untersuchen werde. Wie bei der Prüfung durch das Kartellamt geht es hier vor allem um die Doppelrolle, die Amazon einnimmt: Zum einen verkaufe das Unternehmen als Einzelhändler Produkte auf seiner Webseite, zum anderen stelle es einen Online-Marktplatz zur Verfügung, über den unabhängige Händler ihre Produkte direkt an Verbraucher verkaufen können. Dabei sammle Amazon fortlaufend Daten und wettbewerbssensible Infomationen über Marktplatzhändler, ihre Produkte und ihre auf der Plattform getätigten Transaktionen.
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