Was ist eigentlich eine gute App? Tom Sadowski muss es wissen. Der Unternehmensberater und frühere Apple-Manager hat viele Apps einschlagen, aber auch floppen sehen. Sein kritischer Geist und sein Bestseller „App Store Confidential“ (Murmann) brachten den Weltkonzern aus Kalifornien in Aufruhr. Im IT-Channel von buchreport.de erklärt er, was erfolgreiche Apps gemeinsam haben.
Eine gute App ist vor allem einfach zu nutzen
Apps – das sind mehr als bunte Kacheln. Sie sind mittlerweile ein Milliardengeschäft. Wie ich in meinem Buch „App Store Confidential“ beschreibe, boomt das App-Geschäft – es ist inzwischen das zweitgrößte Business für Apple nach dem iPhone. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Im Gegenteil: Die Mobilmarkt-Analysten von „App Annie“ prognostizieren einen Brutto-Gesamtumsatz der globalen App-Economy in Höhe von mehr als 140 Mrd Euro im Jahr 2022.
Aber was macht eine gute App aus? Und unterscheiden sich B2B- und B2C-Apps?
Einfachheit ist eine Stärke von Apps
Egal ob soziales Netzwerk, Shopping- oder News-App: Der Großteil der Apps ist nach wie vor kostenlos und umgeht die Hürde des Bezahlvorgangs. Viele Unternehmen nutzen die Plattform, um ihre Kunden mobil zu erreichen, eine Kundenbeziehung aufzubauen und über Werbung oder außerhalb des App Stores zu monetarisieren.
Das gilt auch für die Buchbranche, in der etwa Buchhandlungen über Apps zum Buch-Kauf einladen. Auch für Autoren oder Vielleser gibt es entsprechende Apps. Was gute Apps vereint: ihre Einfachheit.
Auf den ersten Blick überzeugen
Das fängt schon vor dem Download an. Wenn der Interessent sich eine App im App-Store anschaut, sollten das App-Icon, die App-Beschreibung sowie Screenshots und Videos möglichst einfach und einladend gestaltet sein. Die Präsentation im App-Store sollte das darstellen, was wirklich wichtig ist. Für Screenshots und Videos etwa sollte man sich auf die wichtigsten Use-Cases fokussieren und nicht alles erklären, was die App macht oder kann. Sehr gut gelungen finde ich das zum Beispiel bei der App Wattpad, wenn man mal von einigen Übersetzungsfehlern absieht.
Mehr zum Thema IT und Digitalisierung lesen Sie im IT-Channel von buchreport und Channel-Partner knk. Hier mehr
Der erste Satz der App-Beschreibung sollte den Kernnutzen einfach zusammenfassen, bevor der Besucher auf „Mehr“ tippen muss. Als Richtwert für das App-Icon gilt, dass es auch in einem Ordner abgelegt gut erkennbar sein sollte. Hier ist weniger meist mehr. Auch hier ist Wattpad ein Positivbeispiel.
Drei Beispiele für Einfachheit
Mundpropaganda ist einer der wichtigsten Kanäle für die Nutzer-Akquise und noch dazu kostenlos. Aber wie sollen Nutzer eine App weiterempfehlen, wenn sie deren Nutzen nicht in einem Satz zusammenfassen können? Ich empfehle Mut zur Lücke. Der Kernnutzen einer App sollte in einem einfachen Satz zusammengefasst werden, den man sich leicht merken kann.
Zwei reale Beispiele, ohne deren Namen zu nennen: „Die weltweit größte Auswahl an Hörbüchern“ ist gut. „Diese App ist Ihre Bücher-App für iPhone und iPad“ ist dagegen nichtssagend.
Nach dem Start der App sollte das User-Interface- (UI-) Design möglichst intuitiv und einfach sein. Stellen Sie sich ein Auto vor, bei dem die Gangschaltung links ist und Gas und Bremse miteinander vertauscht sind. Ein User-Interface-Design ist einfach, wenn es das tut, was der Nutzer kennt und von ihm erwartet.
Denken Sie immer daran: Ihre Kunden nutzen nicht nur Ihre App, sondern auch viele andere!
Um das zu erreichen, sollten gängige Screengesten wie Swipen (Wischen), „Pinchen“ mit Zeigefinger und Daumen oder Draggen (Ziehen) immer dann unterstützt werden, wenn man sie erwartet. Ein Menü ist einfach, wenn man versteht, wohin ein Tap auf das Menü führt, und wenn es gleichzeitig nicht überfrachtet ist. Denken Sie immer daran: Ihre Kunden nutzen nicht nur ihre App, sondern auch viele andere. Daher sollten Sie sich an gängigen Design-Standards und gelernten UI-Elementen orientieren und nicht das Rad neu erfinden wollen.
Wenn die App selbsterklärend ist, braucht ein User keinen Support bei der Inbetriebnahme. Wenn nicht, sollte man den Nutzer „an die Hand nehmen“, um ihm den Einstieg zu erleichtern.
Auch hier stellt sich die Frage, was der Nutzer zu einem jeden gegebenen Zeitpunkt wissen muss, um die App zu bedienen, und was zu einem späteren Zeitpunkt erklärt werden kann. Je schneller der Kunde die App tatsächlich nutzt, desto besser. Auch eine Personalisierung muss nicht zwangsläufig gleich nach dem ersten Start erfolgen und kann gegebenenfalls später oder durch Nutzung bestehender Schnittstellen vielleicht komplett eingespart werden. Es gibt nach dem ersten Start einer App nichts Schlimmeres als einen Login-Screen mit einem langen Formular. Denn das vermittelt nicht Einfachheit, sondern Mühe.
Weitere Kriterien
Das hört sich einfach an, oder? Ist aber in der Umsetzung extrem schwer und erfordert viel Erfahrung, Know-how und Liebe zum Detail. User-Interface-Design, User Experience, Effektivität, Funktionalität, Monetarisierung, Lokalisierung, Technologie-Support, App-Store-Präsenz – es gibt eine Vielzahl an Kriterien, die am Ende gute Apps ausmachen. Und je nach Geschäftsmodell, Use-Case und Zielgruppe sind diese unterschiedlich zu gewichten.
Aber egal, ob B2B- oder B2C-App: Einfachheit ist für alle Apps ein entscheidendes Qualitätsmerkmal und Ihre Kunden werden es Ihnen mit einer höheren Kundenzufriedenheit, mehr Engagement und bei kostenpflichtigen Angeboten mit höheren Conversion Rates danken.
Tom Sadowski ist anerkannter Experte der App-Economy und Autor des Spiegel-Bestsellers „App Store Confidential“. Sadowski war zunächst Marketingleiter für iTunes im deutschsprachigen Raum, danach hat er für Apple das App-Geschäft geleitet. Heute berät er Unternehmen in Fragen der App-Economy mit Schwerpunkt auf der Monetarisierung von Abo-basierten Geschäftsmodellen.
Tom Sadowski: App Store Confidential. Ein persönlicher Blick hinter die Kulissen von Apples wichtigstem Business.
Murmann Verlag 2020.
184 Seiten EUR 18,-
Kommentar hinterlassen zu "Was eine gute App ausmacht"