In den aktuellen Frühjahrs-Programmen finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autorinnen und Autoren. buchreport stellt 15 dieser Newcomer in Steckbriefen vor. Heute: Jonathan Böhm.
Mein Roman in drei Sätzen
Richard ist tot und seine Freunde treffen sich noch einmal am See und gehen schwimmen wie früher: nackt und die Lieder aus der jungen Gemeinde auf den Lippen. Und mit jedem Schwimmzug tauchen auf: die Nachtschichten im Plastewerk, die Angst vor dem eigenen Begehren, ein unnützer Tod auf dem Parkplatz vor einer Tanke und die Apfelplantagen im Alten Land.
Mein Weg zu Faber & Faber
Durch die freundliche Empfehlung meines Professors Dr. Josef Haslinger vom Deutschen Literaturinstitut Leipzig, der meine Abschlussarbeit daselbst begutachtet hat.
Das Verdienst meines Lektors
Das Verdienst von Michael Faber ist, dass er einen wohlwollenden und dennoch hoch präzisen Blick für den Text hat und ein großes Vertrauen in das literarische Wagnis.
Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche
Erscheint mir oft wie der Wochenmarkt in Lindenau: Ich laufe zwischen den Ständen umher, staune über die Vielfalt und Qualität der Birnen und Quitten bei diesem und jenem Stand und über die Unverfrorenheit, mit der man mir woanders ein paar matschige Pfirsiche anbietet: Trotzdem finde ich, in dem ich mit den Händlern kurzen Plausch halte, was ich brauchen kann.
Meine Lieblingsbuchhandlung
In Prag die Buchhandlung Ostrov und die Altstoffsammelstelle in Schwerin, der ich den Besitz zahlreicher tschechischer Kochbücher verdanke!
Meine Lieblingsautoren
Bohumil Hrabal, Franz Kafka, Han Kang und Hiromi Goto.
So lese ich
Morgens laut: Feuerwehren und Polizeiautos nachahmend. Vormittags, wenn ich nicht schreibe: still. Da picke ich mir oft nur einen Satz, eine Sentenz oder ein Wort heraus und lutsche den restlichen Tag daran wie an einem Bonbon. Abends vor dem Einschlafen wieder laut, aber ruhiger: z.B. Nimmerklug im Knirpsenland.
Schreiben ist für mich
Wie Sauerkraut machen: Ich hoble den Kohlkopf der Realität mit meiner Wahrnehmung klein. Gebe 1,7 Prozent Salz der Fantasie zur Gesamtmenge und knete es mit der Sprache durch, bis der Saft austritt. Dann lege ich alles Schicht für Schicht in den Gärtopf meines Kopfes und warte, bis alle Bakterien, die in mir wohnen, ihre Arbeit zu Gänze verrichtet und die schönen Gedanken das richtige Aroma haben.
Wenn ich nicht gerade schreibe
Fermentiere ich Gemüse, wechsle Windeln oder kontrolliere den Zustand eines Schulranzens auf Vollständigkeit. Streite mich mit meiner Frau, warum sie den Staubsauger nicht repariert und vertrage mich wieder mit ihr.
Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?
Eine der schönen Aufgaben der Verlage ist immer auch die Entdeckung neuer erzählerischer Handschriften. Mit Jonathan Böhms ersten Roman „Wir sind allein unter den Bäumen“ erleben wir eine solche neue Stimme gleich auf hohem Niveau. Beinahe prismatisch erzählt der Autor aus unterschiedlichen Perspektiven vom Erwachsenwerden und von den Blessuren des Wechsels der Gezeiten unserer Hoffnungen und Wünsche. Ich mochte den Erzählton von der ersten Minute und wünsche dem Autor viele Leserinnen und Leser.
Michael Faber, Verleger
Debütantinnen und Debütanten – im buchreport.magazin 01/2021
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