Projektarbeit nimmt auch im Verlagswesen zu. Und weil die Erfahrung dafür spricht, dass Projekte besser laufen, wenn eine Person dafür verantwortlich ist, ernennt man ein Teammitglied zum/zur Projektleiter*in. Aber die müssen nicht nur ihr Projekt, sondern auch sich selbst organisieren. Wie kann das glücken?
„Weniger schlecht Projekte managen“ haben sich die Projektmanager Anne Schüßler und Peter Schüßler auf die Fahnen geschrieben in ihrem zwar flapsig geschriebenen, aber sehr ernst gemeinten gleichnamigen Buch. Im Channel Produktion & Prozesse auf buchreport.de werden in einer dreiteiligen Serie Auszüge daraus veröffentlicht. Hier der finale 3. Teil: die Realisierung.
Nachdem wir uns jetzt intensiv mit der Planung unseres Projekts beschäftigt und hoffentlich alle wesentlichen Planungselemente erarbeitet haben, geht es endlich los. Die Realisierungsphase beginnt, und letztlich brauchen Sie nur Ihre Pläne abzuarbeiten, und es fluppt. So lautet zumindest die Theorie. Ganz so einfach ist es leider nicht, denn unsere Pläne richten sich immer in die Zukunft, und wer kann schon in die Zukunft schauen? Insofern gilt hier der simple Satz: Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. Die Realität holt uns auch im Projektgeschäft immer wieder ein.
Es wird hier also darum gehen, wie Sie mithilfe einer regelmäßigen Statuserhebung jederzeit über den aktuellen Fortschrittsgrad Ihres Projekts informiert und damit auch auskunftsfähig sind. Wir erklären Ihnen, was es mit dieser Statuserhebung und dem Fortschrittsgrad eines Projekts auf sich hat und welche Methoden Sie anwenden können, um Abweichungen des Ist-Zustands vom Plan zu identifizieren.
Eine wesentliche Aufgabe des weniger schlechten Projektmanagers ist es, zu jeder Zeit die Kontrolle über sein Projekt zu haben und auch zu behalten. Zu der Frage, wie es um Ihr Projekt steht (oder besser noch, wo Sie gerade in Ihrem Projekt stehen), müssen Sie zu jedem Zeitpunkt aussagefähig sein. Und eins ist gewiss: Diese Frage kommt, und zwar mit Recht. Natürlich ist Ihr Auftraggeber daran interessiert, wann er mit ersten Ergebnissen rechnen kann und ob diese auch der spezifizierten Qualität entsprechen, und natürlich ist Ihre Geschäftsführung daran interessiert, ob Sie das eingeplante Projektbudget einhalten. Als Projektmanager stehen Sie in der Verantwortung, diese Fragen zu beantworten und eventuelle Planabweichungen auch begründen zu können. Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heißt „Plan“, denn Sie können natürlich nur das kontrollieren, was vorher auch geplant wurde.
Hier erfahren Sie, was Statuserhebungen sind und wie diese Ihnen helfen können, jederzeit über Ihr Projekt auskunftsfähig zu sein und rechtzeitig zu merken, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen. Wir zeigen Ihnen, welche vier einfachen Schritte notwendig sind, um Ihr Projekt in Hinblick auf das veranschlagte Budget regelmäßig zu überprüfen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und wir erklären Ihnen, wie Sie Abweichungen vom Plan mithilfe einer Abweichungsanalyse identifizieren können. Leider ist Projektcontrolling nicht unbedingt der spannendste Aspekt der Projektmanagertätigkeit, man kann es aber auch schlecht ignorieren, es sei denn, Sie suchen den ultimativen Nervenkitzel der Budgetverantwortung (was wir aber nicht empfehlen).
Für viele Projektmanager wird der Begriff Projektcontrolling mit der Controllingfunktion im Unternehmen assoziiert. Controller sind die Kollegen, die mit aufwendigen Methoden in komplizierten Berechnungen Zahlen hin und her drehen, Auswertungen vornehmen und letztlich der Unternehmensleitung sagen, wie es um das Unternehmen steht. Projektcontrolling ist allerdings zu verstehen als ein Steuerungsinstrument für Projekte und hat damit einen gänzlich anderen Fokus. Hier geht es darum, Planabweichungen zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen zu entwickeln, um wieder „in Plan“ zu kommen, sollte das Projekt im Laufe der Zeit vom rechten Wege abkommen und ein bisschen träumerisch durch die Landschaft mäandern. Insbesondere weil der Begriff Controlling sehr häufig mit dem Begriff Kontrolle assoziiert wird und daher negativ konnotiert ist, werden wir im Folgenden nicht von Projektkontrolle sprechen, sondern von Steuerung: Als Projektmanager haben Sie die Aufgabe, Ihr Projekt so zu steuern, dass die festgelegten Qualitäts-, Termin- und Kostenziele auch erreicht werden.
Statuserhebung für das Projekt
Wir überlegen nun in einem ersten Schritt, was eigentlich die Grundvoraussetzung dafür ist, Ihr Projekt zu steuern. Es ist eigentlich ganz einfach, wir haben es oben schon angedeutet: Sie brauchen einen Plan.
Dieser Plan ist zum Beispiel ein Terminplan, der Ihnen sagt, welche Arbeitspakete zum aktuellen Zeitpunkt bereits abgeschlossen sein müssten und welche Arbeitspakete genau zum aktuellen Zeitpunkt, dem Stichtag, in Arbeit sein müssten. Ferner müssen Sie wissen, wo die einzelnen Arbeitspakete tatsächlich stehen, welchen Grad der Fertigstellung sie also haben. Neben den Planvorgaben brauchen Sie daher die aktuellen Ist-Daten. Erst durch den Vergleich der Plandaten mit den Ist-Daten werden Abweichungen überhaupt offensichtlich, und erst wenn Sie eine Abweichung identifiziert haben, können Sie Maßnahmen entwickeln, um das Projekt wieder zurück auf Spur zu bringen. Zusätzlich gibt der Plan Auskunft darüber, welche Arbeitspakete in naher Zukunft anstehen. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, sich proaktiv bereits mit den Vorbereitungen zu beschäftigen. Sie können sich also rechtzeitig darum kümmern, dass Personalressourcen termingerecht einsatzbereit oder benötigte Systeme (zum Beispiel für Testszenarien) fertig eingerichtet sind.
Aus dem vorher Gesagten abgeleitet, vollzieht sich der Steuerungsprozess Ihres Projekts in den folgenden Schritten:
- Erhebung der Ist-Daten: Damit eine wirksame Projektsteuerung gewährleistet ist, muss der aktuelle Status des Projekts regelmäßig erhoben werden. Hier wird anhand der Arbeitspakete der Fertigstellungsgrad, der bislang entstandene Aufwand, die Terminsituation und die Risikolage des jeweiligen Arbeitspakets ermittelt und dokumentiert.
- Vergleich der Ist-Daten mit den Plandaten: Die Gegenüberstellung von Plan- und Ist-Daten gibt Aufschluss über die Projektentwicklung zum Statusdatum hin. Hier werden Abweichungen in Bezug auf Kosten und Termine ermittelt.
- Analysieren und Bewerten der Abweichung: Um angemessen auf Abweichungen reagieren zu können, müssen Sie deren Ursachen kennen. Daher ist die Ursachenermittlung ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu den Steuerungsmaßnahmen. Stellen Sie sich die einfachen Fragen: Was sind die Gründe für die Verzögerungen des Arbeitspakets? Wie kam es zu der Abweichung zwischen Plan- und Ist-Daten?
- Steuerungsmaßnahmen entwickeln und implementieren: Dieser Schritt beantwortet die Frage, wie einer Abweichung entgegengewirkt werden kann. Auf Basis der ermittelten Ursachen für Abweichungen müssen nun geeignete Steuerungsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. Eventuell führen solche Steuerungsmaßnahmen zu erheblichen Planänderungen, die wiederum seitens der Projektbeteiligten genehmigt und den relevanten Stakeholdern (Auftraggebern und/oder Geschäftsführung) mitgeteilt werden müssen.
Abbildung 1 zeigt die einzelnen Schritte der Projektsteuerung noch einmal. Wir haben diesen Prozess als Kreislauf dargestellt, da die Statuserhebung in regelmäßigen Abständen immer wieder bis zum Projektende durchgeführt wird. Nachdem also die gerade entwickelten Steuerungsmaßnahmen umgesetzt wurden, dauert es nicht lange, bis Sie mit dem ganzen Kladderadatsch wieder von vorne anfangen.
Neben der Steuerung der drei wesentlichen Komponenten des magischen Dreiecks (Zeit, Kosten und Qualität) gehört auch die Steuerung der Risiken zu den Aufgaben der Projektsteuerung. Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind:
- Wo stehen wir aktuell mit den Risiken?
- Sind Risiken dazugekommen?
- Gibt es Risiken, die sich erledigt haben?
- Haben sich Eintrittswahrscheinlichkeiten für Risiken verändert?
Das sind die entscheidenden Fragen, die Sie und Ihr Team sich in regelmäßigen Abständen zu stellen haben. „Regelmäßig“ ist an dieser Stelle ein entscheidendes Stichwort für den weniger schlechten Projektmanager. Natürlich sollten Sie immer am Puls Ihres Projekts sein und wissen, wo einzelne Arbeitspakete stehen, wo es Probleme gibt, aber auch wo es gut läuft. Der hier beschriebene Prozess sollte allerdings einer festgelegten Systematik und damit auch zu festgelegten Zeitpunkten periodisch während des Projektverlaufs durchgeführt werden. Dabei ist der Zeitraum für die Berichterstattung, also die Frequenz für die Statuserhebung, abhängig von unterschiedlichen Faktoren:
- Größe und Komplexität des Projekts: Bei einem Projekt mit einer Laufzeit von zwei Jahren ergibt es in der Regel wenig Sinn, jede Woche eine Statuserhebung vorzunehmen. Hier haben sich monatliche Berichtszyklen als sinnvoll erwiesen. Natürlich kann es sein, dass in bestimmten Phasen oder Teilprojekten kürzere Berichtszyklen notwendig sind. Umgekehrt ist es sinnvoll, in einem kurzen Projekt (zum Beispiel mit einer Dauer von zwei Monaten) den Berichtszyklus auf eine Woche oder gar noch kürzer zu reduzieren, um tatsächlich auch steuerungsfähig zu bleiben.
- Berichts- und Dokumentationspflichten: In der Regel sind wir mit unserem Projekt nicht alleine. Es gibt Auftraggeber, die natürlich am Fertigstellungsgrad des Projekts interessiert ist. Vielleicht haben Sie einen Lenkungskreis eingerichtet, der wissen möchte, ob es etwas zu entscheiden gibt, und wahrscheinlich haben Sie auch eine Geschäftsführung oder gar einen Aufsichtsrat, der wissen möchte, wofür das Geld des Unternehmens ausgegeben wird. Um diesen Pflichten nachzukommen, ist es sinnvoll, das Ergebnis der Statuserhebung in einem Endprodukt zusammenzufassen, nämlich einem Statusbericht. Das hat den Vorteil, dass Sie für diese Berichte quasi auf ein Abfallprodukt zurückgreifen können, das durch die Statuserhebung sowieso anfällt.
- Steuerungstiefe: Mitentscheidend für die Auswahl der Frequenz für die Statuserhebung ist auch die Frage, wie eng Sie steuern wollen und müssen. Als weniger schlechter Projektmanager sollten Sie sich diese Frage auf jeden Fall stellen. Diese Frequenz kann sich auch innerhalb eines Projekts ändern, insofern ist es nicht damit getan, sich diese Frage einmal zu Beginn des Projekts zu stellen und dann nie mehr darüber nachzudenken. Auch wenn Sie also den Berichtszyklus für Ihr Gesamtprojekt auf einen Monat festgelegt haben, kann es durchaus sinnvoll sein, beispielsweise in einer Testphase des Projekts einen kürzeren, vielleicht sogar wöchentlichen Berichtszyklus festzulegen. So sind Sie in der Lage, zeitnah auf etwaige Probleme zu reagieren.
Letztlich ist das hier beschriebene Vorgehen vergleichbar mit der situativen Mitarbeiterführung. Mitarbeiter, die eine hohe Motivation und viel Erfahrung haben, können Sie laufen lassen, Mitarbeiter, die noch nicht so erfahren sind, führen Sie wesentlich enger, um steuern zu können, dass die Aufgabe auch in der von Ihnen formulierten Qualität erledigt wird. Bitte verwechseln Sie steuern niemals mit kontrollieren, denn wenig wurmt einen Mitarbeiter mehr als ein Chef oder Projektmanager, der den Eindruck vermittelt, dass er ihm nicht zutrauen würde, seine Arbeit vernünftig erledigen zu können. Seien Sie nicht diese Art Projektmanager, seien Sie ein weniger schlechter Projektmanager.
Methoden der Statuserhebung
Nachdem wir jetzt die grundlegende Systematik der Projektstatuserhebung kennengelernt haben, schauen wir uns nun Methoden an, mit denen Sie diese Statuserhebung vornehmen können. Sofern Sie einen Terminplan gemacht haben, ist es relevant, festzustellen, inwieweit Arbeitspakete von ihrem geplanten Anfangs- und Enddatum abweichen. Sie müssen aber auch wissen, wie sich etwaige Verzögerungen von Arbeitspaketen auf andere Arbeitspakete auswirken, und besonders schön wäre es natürlich, Sie könnten Trends erkennen, wie es um Ihr Projekt terminlich steht. Die relevanten Techniken heißen Abweichungsanalyse sowie Analyse des kritischen Pfads.
Abweichungsanalyse
Abweichungen festzustellen, ist einfach, zumindest erstmal. Ein Beispiel: Zum Zeitpunkt der Statuserhebung fragen Sie den Arbeitspaketverantwortlichen, ob er mit seinem Arbeitspaket im Plan ist. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird er Ihnen das bestätigen. Um sicherzugehen, fragen Sie vorsichtshalber noch mal nach, wie weit das Arbeitspaket fortgeschritten ist. Auch hier werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Antwort erhalten, die Sie zunächst zufriedenstellt.
Oder beschleicht Sie das Gefühl, dass es dem Arbeitspaketverantwortlichen gar nicht darum geht, Ihnen zu sagen, wie weit er ist und ob es eventuell eine Verspätung gibt, sondern dass es ihm viel mehr darum geht, Sie einfach zufriedenzustellen oder – drücken wir es mal weniger vorsichtig aus – Sie einfach loszuwerden?
Sie haben es hier mit einem typischen, aber auch mit einem schwierig zu handhabenden Problem in der Projektarbeit und der Steuerungsfähigkeit von Projekten zu tun, nämlich der Erhebung des physischen Fortschritts der Arbeitspakete. Tatsächlich ergibt sich die Komplexität der Fortschrittserhebung auf mehreren Ebenen.
1. Das Pareto-Prinzip
Unterstellen wir hier zunächst weder grundsätzliches Versagen noch absichtliche Täuschungsmanöver. In vielen Fällen ist es nunmal nicht einfach, den physischen Fortschritt zu bestimmen.
Ein Beispiel: Sie tragen Ihrer Mitarbeiterin auf, einen Abschlussbericht zu dem Teilprojekt „Haselmausdetektor“ zu schreiben. Dieser Bericht soll ungefähr 100 Seiten umfassen. Für dieses Arbeitspaket wurde die Dauer von zehn Tagen eingeplant, was bei einer 100%-Auslastung zu einem Aufwand von 80 Stunden führt (vorausgesetzt, Sie gehen von acht Stunden pro Tag aus). Am Ende des zweiten Tags fragen Sie die Mitarbeiterin, wie viel sie denn bereits geschafft hat, und bekommen mit einem gewissen Stolz vermeldet, dass sie schon 40 Seiten geschrieben hat. Das entspricht 40%, und damit ist Ihre Mitarbeiterin tatsächlich dem Plan voraus, denn laut Plan hätte sie erst 20% Fortschritt vorweisen müssen. Als weniger schlechter Projektmanager brechen Sie – entgegen der Erwartung der Mitarbeiterin – ob dieses vermeintlich großartigen Arbeitsfortschritts aber überraschenderweise gar nicht in Jubelstürme aus. Die Mitarbeiterin ist etwas irritiert.
Na ja, Sie kennen sich eben etwas aus und haben auch schon ein bisschen Erfahrung gesammelt. Auch wenn es so scheint, als lägen Sie gut in der Zeit, wissen Sie aus Erfahrung, dass gerade die letzten Arbeiten eines solchen Arbeitspakets sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen. Stichwort ist hier das sagenumwobene Pareto-Prinzip, das Folgendes besagt: In 20% der zur Verfügung stehenden geplanten Zeit werden 80% physischer Fortschritt erreicht. Für die restlichen 20% Fortschritt werden die 80% der zur Verfügung stehenden Zeit benötigt.
Angewendet auf unser Beispiel, hätten Sie am Ende des zweiten Tags also bereits 80 Seiten haben müssen und liegen somit hinter dem Plan zurück. Das war jetzt eine recht akademische Darstellung, aber Sie verstehen hoffentlich, worauf wir hinauswollen: Allein die Darstellung des physischen Fortschritts reicht eben nicht aus, wenn Sie nicht wissen, wie Sie ihn in ein Verhältnis zur verbleibenden Zeit setzen können.
2. Das 90%-Syndrom
Es gibt ein zweites Phänomen, das die Bestimmung des Fortschrittgrades schwierig macht. Es ist das sogenannte 90%-Syndrom. Dahinter verbirgt sich das Phänomen, bewusst oder unbewusst seinen eigenen Fortschritt deutlich höher einzuschätzen, als er tatsächlich ist.
Rufen Sie bei einem Kollegen an und fragen ihn „Wie weit bist du mit dem Arbeitspaket?“, hören Sie häufig eine Variation der folgenden Sätze: „Keine Sorge, 90% fertig!“ oder „Bin bald so weit!“ oder „Lange kann’s nicht mehr dauern!“ oder „Ich muss nur noch das Schlurmswupsel an den Knöggel andengeln!“. Das Blöde, das Ihnen dann passieren kann, ist, dass Sie nach einer Woche wieder anrufen und ähnliche Auskünfte erhalten. Das Arbeitspaket ist halt immer zu 90% fertig, bald so weit, kann nicht mehr lange dauern, und es fehlt nur noch das Schlurmswupsel.
3. Unternehmenskultur
Eine dritte Schwierigkeit bei der Bestimmung des Fortschrittgrades zielt eher auf einen kulturellen Aspekt in Ihrem Unternehmen oder Ihrem Umfeld ab. Natürlich ist es nicht immer einfach, zuzugeben, dass etwas nicht besonders gut läuft, dass man sich also mit der Fertigstellung seines Arbeitspakets verspätet. Das nagt mitunter am Selbstbewusstsein, und letztlich möchte man sich ja insbesondere im professionellen Umfeld gegenüber seinen Mitstreitern gern behaupten. Umso schwieriger ist es, wenn das vermeintliche Versagen mit Spott und Häme der Kollegen bedacht und zu allem Überfluss von der Leitung auch noch mit drakonischen Strafen bedacht wird. Schaffen Sie als weniger schlechter Projektmanager eine Kultur des Vertrauens. Fehler oder Verspätungen des Arbeitspakets sind zunächst mal gar nichts Schlimmes. Hier kommt es darauf an, sich mit dem Mitarbeiter auseinanderzusetzen, um gemeinsam mit ihm die Ursachen zu ermitteln. Sie sind dann ein guter Projektmanager, wenn Ihre Teammitglieder keine Angst davor haben, ihre Fehler zuzugeben und Sie gemeinsam mit Ihrem Team an Lösungen arbeiten.
Was machen wir als weniger schlechter Projektmanager jetzt mit dieser Erkenntnis? Die Erhebung des tatsächlichen Fortschritts der Arbeitspakete ist nicht einfach, und nur selten bekommen Sie über den Fortschritt der Arbeitspakete valide Aussagen.
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Letztlich schlagen wir Ihnen einen kleinen, aber extrem hilfreichen Trick vor. Als weniger schlechter Projektmanager ändern Sie einfach die Perspektive Ihrer Fragestellung. Fragen Sie nicht nach dem Fertigstellungsgrad des Arbeitspakets, sondern fragen Sie danach, ob das Arbeitspaket zum geplanten Zeitpunkt fertig ist.
Probieren Sie es selbst aus: Die Frage „Wie weit bist du mit der automatischen Haselmauserkennung?“ ist eine völlig andere als die Frage: „Kannst du die automatische Haselmauserkennung bis Ende nächster Woche fertigstellen?“ Dieser kleine Wechsel in der Perspektive eröffnet Ihnen zudem die Möglichkeit, mit Ihrem Teammitglied eine Diskussion über den Fertigstellungstermin des Arbeitspakets zu führen. Das ist insofern hilfreich, als dass der Fertigstellungstermin eigentlich das Einzige ist, was Sie in diesem Zusammenhang interessiert. Seien wir doch mal ehrlich, letztlich wollen Sie gar nicht so genau wissen, wie weit das Arbeitspaket ist, sondern vielmehr, ob es pünktlich fertig sein wird. Sofern das der Fall ist, verläuft Ihr Projekt planmäßig, und Sie können sich um andere Themen kümmern. Wenn es früher fertig wird, umso besser, davon sollten Sie aber nicht ausgehen, denn das gibt es nur sehr selten.
Analyse des kritischen Pfads
Jetzt kommt aber der entscheidende Punkt: Wir hatten Ihnen ja bereits angekündigt, dass der kritische Pfad auch beim Projektcontrolling wieder eine wichtige Rolle spielen wird.
Also: Ihr Teammitglied meldet eine Verspätung. Nun sind Sie dran, denn Sie wissen, dass der geplante Endtermin nicht eingehalten werden kann. Plötzlich macht Ihr Netzplan mal so richtig Sinn. Denn Sie können nun rasch feststellen, wie sich die Verspätung des einen Termins auf die folgenden Arbeitspakete auswirkt, und damit wissen Sie auch, wie sich die Verspätung des Arbeitspakets auf den Endtermin Ihres Projekts auswirkt. Wenn es gut läuft, hat das Arbeitspaket einen Puffer, der größer ist als die Verzögerung, sodass es keine Auswirkungen auf den Projektendtermin gibt. Wenn es schlecht läuft, liegt das Arbeitspaket auf dem kritischen Pfad, und die Verspätung hat unmittelbare Auswirkungen auf den Projektendtermin.
Damit haben wir die wesentlichen Instrumente für die Steuerung Ihrer Termine und damit auch Ihres Projekts kennengelernt. Das eine Instrument ist die Abweichungsanalyse, die Ihnen verrät, ob die aktuelle Terminsituation mit der geplanten Situation übereinstimmt. Sie analysieren, ob es Abweichungen gibt und wie diese sich auf den weiteren Projektverlauf auswirken. Dann entscheiden Sie, welche Maßnahmen Sie ergreifen müssen, um diese Abweichungen wieder einzuholen. Damit einher geht die Analyse des kritischen Pfads. Schließlich sind vor allem die Abweichungen der Arbeitspakete, die auf dem kritischen Pfad liegen, interessant, denn wenn sich ein Arbeitspaket auf dem kritischen Pfad verzögert, dann verzögert sich letztlich auch Ihr gesamtes Projekt. So einfach ist das. Sofern Sie einen guten Plan gemacht haben, ist die Steuerung nicht mehr allzu schwierig.
An diesem Punkt sind wir erst mal am Ende des klassischen Projektmanagements angekommen. Sie haben gelernt, wie Sie auch ein umfangreiches Projekt sorgfältig planen und steuern können. Sie wissen, wie Sie Ziele definieren, Ihr Projekt in einzelne Arbeitspakete aufteilen, daraus einen Netzplan erstellen und das Projekt mithilfe des Projektstrukturplans sicher durch alle stürmischen Projektphasen steuern. Leider, oder glücklicherweise, hat sich die Welt aber weitergedreht, seit das Projektmanagement erfunden wurde, und so gibt es mittlerweile agile Managementmethoden, bei denen alle bisherigen Erkenntnisse mal ordentlich auf links gekrempelt wurden. Wahrscheinlich haben Sie auch schon von Kanban und Scrum gehört und entweder interessiert Ihre Projektmanager-Öhrchen gespitzt oder sich panisch an Ihren vertrauten kritischen Pfad geklammert. Im ersten Fall möchten wir in unserem Buch Ihre Neugier befriedigen (oder weiter anfeuern, beides ist uns recht), im zweiten möchten wir Ihnen gern Ihre Ängste nehmen und erklären, was dieses agile Projektmanagement eigentlich soll, wofür es gut ist und wie man es richtig macht.
Mit freundlicher Genehmigung von O’Reilly Media.
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