Die Welt verändert sich mit wachsender Geschwindigkeit – besonders für Unternehmen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Führungskräfte, Fachabteilungen und HR-Verantwortliche Fachkräfte für die Zukunft befähigen. Wie wird diese Kompetenzentwicklung am besten organisiert und prozessualisiert?
In einer dreiteiligen Serie im Channel Produktion & Prozesse auf buchreport.de beschreibt ein Autorenteam um Julia Held, Program Assistent im Programm „Unternehmen in der Gesellschaft“ in der Bertelsmann Stiftung, mögliche Wege dafür. Im dritten Teil geht es um den Rahmen, der digitale Teams in der Praxis produktiv macht.
Digitale Kompetenzen in der Praxis – der Rahmen
Im Jahr 2015 startete unser Projekt „Die betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung“. Dies war auch der Startschuss, unsere eigenen Arbeitsweisen infrage zu stellen, nach Neuerungen in der Arbeit und Zusammenarbeit und auch nach geeigneten Tools zur Optimierung unseres Arbeitsalltags zu suchen.
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass dieses Thema natürlich nicht nur für den Arbeitsmarkt insgesamt, sondern speziell auch für uns selbst absolut relevant ist. Es ging und geht für uns auch darum, dass die Nutzung digitaler Werkzeuge und Medien der besseren Einordnung der eigenen Arbeit in einen größeren Kontext dienen sollte. Das bedingt natürlich, dass ich die Technik nicht nur oberflächlich nutzen sollte, sondern auch eine Ahnung davon haben sollte, wie die Technik zu welchem Ergebnis kommt. Gerade in unserem eigenen Arbeitsbereich ist es essenziell zu wissen, wie mit digitalen Werkzeugen Inhalte analysiert und erstellt und wie diese Inhalte dann digital kommuniziert werden können.
Produktion in Netzwerken
Wir erstellen diese Inhalte aber eben nicht nur selbst, sondern gerade auch besonders in Kollaboration mit Netzwerken. Dabei haben wir in den letzten Jahren eine deutliche Beschleunigung des Anlaufens und Abebbens von Themenwellen beobachten können. Es kommt für uns immer stärker darauf an, die digitalen Tools dafür zu nutzen, um schnell und kompetent auf Debatten reagieren zu können. Dies bedingt aber auch eine substanziell andere Art des (agilen) Arbeitens. Wir haben aus diesem Grund als Projekt, das sich mit der (digitalen) Zukunft der Arbeit befasst hat, immer den Anspruch gehabt, nicht nur über diese Arbeit zu theoretisieren, sondern sie selbst auch zu leben.
Für uns war die Bereitschaft, sich auf diese Neuerungen einzulassen und sich von der herkömmlichen, teilweise zeitraubenden, aber langjährig eingefahrenen Variante der Zusammenarbeit zu verabschieden, nur eine kleine Herausforderung; die meisten Teammitglieder hatten bereits vorher Erfahrungen im digitalen Arbeiten – und sei es in der privaten Vereinsarbeit – sammeln können.
Eine erfolgreiche und von Innovationen getriebene digitale Transformation fängt bei jedem in einem Unternehmen Arbeitenden – unabhängig von der Verortung in der formalen Hierarchie – selbst an. Dazu bedarf es einer persönlichen Haltung. Jeder Beschäftigte sollte sich fragen, ob und welche Haltung er zu Veränderungen hat.
Um digitale Kompetenzen zu erlangen, braucht es vor allem Bereitwilligkeit, sich mit den neuen Herausforderungen befassen zu wollen. Die Ebene der Teammitglieder ist aber nur eine notwendige Bedingung, um einen Wandel anzuschieben. Die dann auch hinreichende Bedingung ist, dass diese Bereitschaft zur internen Innovationsoffenheit auch auf der Führungsebene existieren muss. Das Verständnis, dass der Ansatz „Never change a running system“ der Vergangenheit angehört und die Zukunft der Arbeit anders aussieht als „Nine to five“ am Schreibtisch mit dem Familienfoto in Sichtweite, muss in den Köpfen sowohl der operativen als auch der Führungsebene vorhanden sein, bevor über eine innovative Transformation der gesamten Institution auch nur nachgedacht werden kann. Hier konnten wir als „Versuchsprojekt“ wichtige Erfahrungen intern weitergeben.
Kommunikationsplattformen
Der Mailverteiler sollte nicht mehr die erste Wahl für die Kommunikation (in- und extern) sein. Ein Team kann nur dann agil zusammenarbeiten, wenn ein kurzer Dienstweg, ein digitaler Flur, zum Beispiel durch einen gemeinsamen Chat oder gemeinsame Boards im Netz, geschaffen wird. Tools wie Slack, Trello, Signal oder der Gruppenchat auf Twitter können sicherlich nicht den persönlichen Besuch am Schreibtisch des Kollegen oder der Kollegin ersetzen, sind aber eine große Hilfe bei der digitalen zeit- und ortsunabhängigen Zusammenarbeit.
Abgeschafft gehören Laufwerke, auf die nur durch umständliche VPN-Codes zugegriffen werden kann und deren Funktionalität von unterschiedlichen Endgeräten abhängig ist. Der digital gesicherte Ordner hingegen, egal bei welchem Anbieter virtueller Speicherorte abgelegt, ist schnell und zuverlässig abrufbar sowie zu jeder Zeit für mehrere Nutzer gleichzeitig zu bearbeiten. Diese technischen Möglichkeiten bringen es zudem mit, dass nur eine Version eines aktuellen Stands existiert. Rückfragen bzgl. Versionstypen bleiben damit aus, es existiert keine doppelte Ablage mehr. Interaktiver, schneller und vor allem immer und überall arbeiten können ohne große Log-in-Probleme und unabhängig von Hard- oder Software: So lauteten unser Anspruch in der Theorie und unser Ziel in der Praxis.
Experiment und Commitment
Dies alles hört sich für digital offene Menschen vielleicht profan an. Es darf aber nicht vergessen werden, dass für die Mehrheit der Beschäftigten ein solches Arbeiten nach wie vor eher eine Ausnahme darstellt. Dies haben wir immer dann zu spüren bekommen, wenn wir die eigenen Systeme gemeinsam mit Externen nutzen wollten. Virtuelles gemeinsames Arbeiten an einem Dokument ist nach wie vor weit davon entfernt, Standard in der Arbeitswelt zu sein.
Es darf und muss eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen (können), sich als Team neu zu finden und optimale Lösungen der Zusammenarbeit zu entwickeln. Diese Zeit muss zur Verfügung gestellt werden, um festzustellen, dass sie nicht verschwendet sein wird. Ein Team wird sich in Geduld üben müssen, aber an einen Punkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit kommen, so unsere eigene spannende Erfahrung. In regelmäßigen Updates muss über Vor- und Nachteile unterschiedlichster Arbeitsweisen im eigenen Team sowie positive und negative Erfahrungen gesprochen werden dürfen. Eine offene Fehlerkultur ist für diese Umorientierung unumgänglich.
Zielbestimmungen
Durch unsere interne Zusammenarbeit mit anderen Projekten und deren Teams, aber auch durch – mit Blick auf die digitale Arbeitskultur − sehr heterogene abteilungsübergreifende Arbeitsgruppen und -kreise war es in unserem Fall ein Leichtes, innerhalb der Institution offen über unsere Neuerung zu sprechen und zu berichten. Von totaler Abwehr bis zu größtem Interesse sind uns alle Arten von Rückmeldungen begegnet. Vorurteile gegenüber Rollen, Verantwortlichkeiten, Kompetenzen haben in der digitalen Zusammenarbeit keinen Platz mehr. Im Kern geht es sehr viel mehr als in der analogen Arbeitskultur um den Menschen und nicht um seine formale Stellung. Es spielt keine Rolle, wie lange eine Person in ihrem Beruf tätig ist, wenn das Interesse der Kompetenzerweiterung überwiegt.
Ein erstes Ziel kann beispielsweise sein, die (Zusammen-)Arbeit jenseits des tradierten Organigramms zu beschleunigen und eingefahrene Routinen umzustrukturieren, also „zu hacken“, zum Beispiel die eher formale Mail durch den informellen und offeneren Chat zu ersetzen. Digitale Lösungen bringen in den meisten Fällen eine Beschleunigung der digitalen Zusammenarbeit mit sich – so unsere Erfahrung –, weil es mehr um die Sache und weniger um interne Politik geht.
Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants.
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Damit hat sich in unserer eigenen persönlichen Erfahrung in der Summe das bestätigt, was wir in unserer Fallstudie zur Transformation auch für die analysierten Unternehmen im letzten Jahr festgestellt hatten: Digitale Kompetenz schließt mehr als reine Computeranwendungskenntnisse ein und umfasst eine breite Palette von Verhaltensweisen, Strategien und Identitäten, die in einem digitalen Arbeitsumfeld wichtig sind.
Unser Tipp nach Jahren des Befassens mit dem digitalen Arbeiten im eigenen Projekt: Dranbleiben und sich von Rückschlägen nicht verunsichern zu lassen, auch wenn nicht alle Testläufe erfolgreich sind. Nicht jedes Angebot des digitalen Arbeitens ist nützlich oder wertvoll. Wichtig ist es aber, zu Anfang in ersten kleinen Schritten digitales und analoges Arbeiten miteinander zu verbinden. Versuchen Sie sich an Alternativen zum eingefahrenen Denken und Arbeiten, seien Sie innovativ.
Mit freundlicher Genehmigung des Carl Hanser Verlages.
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