Till Weitendorf hat das Kindermedienunternehmen Storydocks (u.a. mit den Marken Framily und Tiger Media) gegründet. Im pubiz-Gespräch am 24. September präsentiert er seine Start-up-Kultur.
Sind Sie noch ein Start-up?
Von der Kultur und unserem Selbstverständnis sehen wir uns so. Warum? In einem Start-up braucht es eine „Hands on“-Mentalität, man muss oft noch fokussierter sein. Start-ups haben grundsätzlich weniger Personal, das in einer kurzen Zeit sehr viel schaffen will. Das gilt auch für die begrenzte Finanzierung. Auch wenn einige unserer Unternehmen mittlerweile profitabel sind, wollen wir uns diese Mentalität weiterhin erhalten: den Kampfgeist etwa, vor allem aber den Spaß und den Teamgeist.
Welche Vorteile hat diese Kultur bei allem Druck?
Für ein Start-up ist es nicht selbstverständlich, dass man es auf den Markt schafft und die Teams morgen noch zusammensitzen. Das schafft oft eine größere Ernsthaftigkeit bei allen Mitarbeitern. Dabei ist es uns auch wichtig, das Commitment und die (Eigen)verantwortung zu steigern. Wir glauben, dass uns das gegenüber klassisch arbeitenden Unternehmen bevorteilt.
Das erfordert ein bestimmtes Mindset der Mitarbeiter.
Wir brauchen Menschen, die diese Kultur verstehen und teilen. Die wissen, worum es geht, und die Ärmel hochkrempeln. So mussten wir uns von Oetinger her kommend neu erfinden und mit der ursprünglichen Kultur brechen. Es kann jedoch nicht jeder mit dem größeren Druck umgehen. Aber Druck kann auch positiv sein und Dynamik ins Team bringen. Eine solche Kultur ist eine große Chance, ein Stück der Zukunft mitzugestalten. Das fesselt zum Glück viele. Wir suchen diese Überzeugungstäter, die etwas verändern wollen.
Was hat Corona mit Ihrer Unternehmenskultur gemacht?
Die Pandemie ist an niemanden spurlos vorübergegangen, auch an uns nicht – wirtschaftlich aber zählen wir eher zu den Gewinnern. Wir haben schon vor Corona viel digital zusammengearbeitet. Dabei sind wir gerade in neue, wunderschöne Räumlichkeiten gezogen. Obwohl wir Präsenz nicht verpflichtend machen, wollen wir möglichst schnell wieder in einer gewissen Regelmäßigkeit gemeinsam vor Ort sein. Den Teamgeist bekommt man digital dann einfach doch nicht so gut hin.
Mit Sony und ProSiebenSat.1 haben Sie frische Geldgeber für Tiger Media dazugewonnen. Wie wirkt es sich auf die Unternehmenskultur aus, wenn neue Investoren neue Ansprüche stellen?
Natürlich nimmt jeder Investor Einfluss, hat (zum Glück) eine andere Brille auf und bringt bestimmte Themen ein. Das wollen wir auch, weil es uns weiterhilft. Uns ist es wichtig – und das sieht man an unseren neuen Investoren –, dass wir nicht nur eine monetäre Perspektive haben, sondern auch langfristig einen Partner an unserer Seite, mit dem wir uns gut fühlen, mehr erreichen und noch schneller wachsen können. Wir haben einen guten gemeinsam Team Spirit, da lässt sich vieles draus entwickeln.
Lässt sich eine Start-up-Kultur auf alteingesessene Unternehmen übertragen?
Das ist eine spannende Frage, da ich selbst aus einem Unternehmen komme, in dem ich gemerkt habe, dass eine Veränderung sehr herausfordernd ist und nicht immer funktioniert. Jedes Unternehmen hat grundsätzlich die Möglichkeit, einen solchen Change-Prozess anzustoßen. Aber der Wandel in der Organisation und auch innerhalb der Belegschaft dauert, auch weil nicht alle den neuen Weg mitgehen. Im Zweifel reden wir da nicht über 2, 3 oder 5, sondern über 10 oder mehr Jahre. Der große Vorteil daran, etwas Neues aufzubauen, ist aber, dass man ohne Altlasten eine neue Unternehmens-DNA prägen kann. In großen Unternehmen kämpft man oft gegen Windmühlen und verbraucht dabei viel Energie, ohne am Ende recht weitergekommen zu sein. Die Frage ist immer: Hat man diese Zeit? Man sieht heute manchmal Unternehmen, die Hauruck-Aktionen fahren müssen und das meistens viel zu spät. Letztlich können Sie einem Traditionsunternehmen vieles verordnen, es wird damit aber sicherlich nicht zum Start-up.
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