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Kostenexplosion: Ein »Tsunami« rollt auf die Branche zu

Nach den Wahlen der drei Börsenvereins-Fachausschüsse Anfang Oktober steht jetzt die inhaltliche Arbeit wieder im Fokus. Die Vertreter aus Verlagen, Sortiment und Zwischenbuchhandel kamen am Donnerstag in Frankfurt zusammen – und verbreiteten am Tag danach die erwartet sorgenvollen Ergebnisse. Für die Branche wenig überraschend: Papierknappheit, Personalkosten und zu niedrige Buchpreise sorgen im Markt für drohende Kostenexplosionen. Nicht nur akut, sondern weit ins Jahr 2022 hinein.

Ein „Tsunami“ rolle auf die Branche zu, formulierte Stephan Schierke (VVA) knackig. Der Schuh drücke und er werde noch stärker drücken. Bei den Logistikern schlagen naturgemäß die Personalkosten besonders ins Kontor. Schierke schlüsselte auf, wie aus einem Mindestlohn von 12 Euro für den Arbeitgeber schnell rund 20 Euro werden – durch Urlaubsgelder, Sozialabgaben, Krankheitstage oder Weiterbildungen. Doch selbst die steigenden Personalkosten seien am Ende nicht das Problem, wenn es schlichtweg nicht gelänge, überhaupt Personal für die körperlich fordernden Verpackungsaufgaben zu finden. „Wir finden keine Mitarbeiter, die für uns packen“, so Schierke nüchtern. Das sei eine dramatische Entwicklung.

Existenzgefährdend

Und wenn die Lohnsteigerungen schon zu Preiserhöhungen führten, dann sicher auch die Verpackungspreise. Teilweise 30 bis 35% teurer würde alles. Angesichts oft langfristiger Verträge mit Verlagen seien Einigungen notwendig, sonst könne die Entwicklung für den einen oder anderen Logistiker existenzgefährdend sein. „Ich habe so etwas in 30 Jahren noch nicht erlebt.“

Am anderen Ende der Kette stehen die Sortiments-Buchhandlungen. Dort komme der „Tsunami“ an, wie Christiane Schulz-Rother betonte. Die Sortimenterausschuss-Vorsitzende sieht ihren Branchenteil mit all den Folgen konfrontiert. Bücherwagendienste werden teurer, Energiepreise steigen, höhere Kosten für Verpackungen und steigende Lohnkosten. Das alles gelte für das Sortiment – oder werde an die Buchhandlungen weitergereicht. Mit den bisherigen Buchpreisen seien die Kostensteigerungen nicht mehr aufzufangen. Wirtschaftlich kostendeckend zu arbeiten, gelänge nur über höhere Buchpreise oder erhöhte Rabatte. „Beides ist unumgänglich.“ Letztlich führe der Kostendruck auch in den Buchhandlungen zu weniger Auswahl, man kaufe dann eben keine Taschenbücher für 10 Euro ein.

Nicht zuletzt eine „Frequenzverschiebung“ aus den Innenstädten hin zum Onlineshopping erschwere die Lage zusätzlich, wie Schulz-Rother erklärte. Corona habe diese Entwicklung befeuert, viele Innenstädte klagen längst über Leerstände.

Beschaffungskrise: Papiermarkt-Benchmarksystem soll helfen

Bücher müssen teurer werden

Aus Sicht der Verlage bestätigte Nadja Kneissler (Delius Klasing) die Branchenklagen. Verlage spürten jetzt wirtschaftlichen Druck, des es bisher so nicht gab. Altpapier werde auf dem chinesischen Markt zurückgehalten, die Hersteller grafischer Druckpapiere hätten während der Corona-Krise zunehmend auf Verpackungsproduktion umgestellt – schließlich hätten Milliarden Impfdosen verpackt werden müssen. Und auch Pappen für Hardcover oder Schuber seien nur noch schwer zu bekommen. „Verlage müssen jetzt völlig anders kalkulieren, müssen mehr Zeit einplanen, bekommen Probleme bei Nachauflagen“, so Kneissler. Das Weihnachtsgeschäft werde man stemmen können, aber danach werde es problematisch. Kneissler rechnet mit 20% höheren Papierkosten für 2022. Und nun kämen auch noch die ganz anderen Probleme wie die diskutierte „Zwangslizenz“ für den Bibliotheks-Verleih von E-Books hinzu. „Das alles setzt uns unter Druck.“

Tenor insgesamt: Preissteigerungen bei Büchern seien insgesamt notwendig. Wie auch immer geartetete Absprachen verböte das Kartellrecht, letztlich müsse jeder Verlag selbst entscheiden, wie er mit den Kosten umgehe. Beim Fachbuch sei das viel weniger kritisch, weil der Wert des Produkts beim Kunden akzeptiert sei, aber im Belletristik-Bereich stünden die Verlage im Wettbewerb. Zwar sinke die Zahl der Novitäten, wie Kneissler betonte, doch wenn die Backlist unverändert groß bliebe, stiege die Zahl der Bücher im Markt ja dennoch, wie Logistiker Schierke erwiderte. Hier muss die Branche eine Mitte finden.

Kommentare

2 Kommentare zu "Kostenexplosion: Ein »Tsunami« rollt auf die Branche zu"

  1. Liebe Frau Dr. Klug,
    es gibt grundsätzlich 2 Möglichkeiten, einen Verkaufspreis zu ermitteln/festzulegen:
    1. Kostenseite: Ich ermittle meine zu erwartenden/tatsächlichen Kosten (unter Berücksichtigung anständiger bzw. notwendiger Rabatte für Großhandel und Buchhandel etc.) und schlage dann meine Renditeerwartung drauf.
    2. Kundenseite: Ich finde heraus, wieviel mein potenzieller Kunde bereit ist zu bezahlen, und orientiere mich daran (und natürlich an den Konkurrenzprodukten, da ich im Wettbewerb stehe).
    Und jetzt erkennen Sie sicherlich das Problem: Höhere Preise lassen sich in vielen Bereichen (leichte Belletristik, Kinderbücher, Studienliteratur etc.) schlicht nicht durchsetzen, da die Kunden sie nicht akzeptieren würden (durch zahlreiche Studien/Umfragen belegt). Daher ist trotz Buchpreisbindung der Wunsch Vater des Gedankens, die Verlage könnten die Preise lediglich an den eigenen Bedürfnissen und denen des stationären Handels ausrichten.
    Witzigerweise denken das übrigens viele Menschen außerhalb der Branche, sie verteufeln die Buchpreisbindung und machen sie für überhöhte (!) Buchpreise verantwortlich. Sie erkennen also hoffentlich die Problematik in Ihrer Argumentation, so sehr ich Ihnen auch zustimmen möchte, dass das „Kulturgut Buch“ zwar nicht „verschenkt“, aber doch unter Wert verkauft wird und u.a. Buchhandel und Autoren darunter leiden.
    Der entsprechende Kostendruck führt übrigens auch dazu, dass aufgrund des niedrigen Gehaltsniveaus in den Verlagen und des extremen Produktions- und Effizienzdrucks inzwischen viele erfahrene Mitarbeiter und Nachwuchskräfte die Branche verlassen. Aber das ist nochmal eine andere Geschichte …

  2. Dr. Sonja Ulrike Klug | 15. November 2021 um 16:46 | Antworten

    „Der Handel kauft dann eben keine Taschenbücher für 10 EUR mehr ein!“ – Herzlichen Glückwunsch, lieber Handel, das hättest du schon längst tun sollen! Es ist einfach unfassbar, dass etliche Verlage seit Jahren keine Buchpreiserhöhungen durchgeführt und es zugelassen haben, dass die Kosten immer weiter ansteigen, während die Gewinnmargen sinken. Anscheinend hat niemand das Buchpreisbindungsgesetz mal wirklich zu Ende gelesen: Alle 18 Monate dürfen Verleger den Preis eines Buches anpassen – warum wird das seit Jahren nicht gemacht? Warum werden Bücher noch immer zu Schleuderpreisen wie 10 EUR verhökert, an denen niemand mehr was verdient, auch nicht die Autoren (die am allerwenigsten)? Ist es Angst vor Konkurrenz? Oder fehlendes Selbstvertrauen in die eigenen Bücher? Auch Roman-TBs müssten längst schon bei 18 EUR angekommen sein, um überhaupt noch rentabel zu sein. Stattdessen sehe ich 700-Seiten-Schinken für 10 bis 14 EUR. Hallo ?!?!? Geht’s noch?!?! Muss das „Kulturgut Buch“ verschenkt werden?

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