Die Blockchain und ihre Anwendungen haben für viele etwas Hermetisches und Dubioses an sich. Dabei spielt die Technologie längst eine Schlüsselrolle in der Finanzwelt. Alles spricht dafür, dass sie sich dauerhaft etablieren wird. Wie können Verlage von ihren Möglichkeiten profitieren?
Im Jahr 2021 hat der Verlags-Dienstleister Bookwire die auf der Blockchain-Technologie basierende NFT-Handelsplattform Creatokia gegründet. John Ruhrmann ist Mitgründer und Managing Director von Bookwire, Berry Kilb Business Development Manager. In einer Serie im Channel Produktion und Prozesse auf buchreport.de zeigen sie, welches Potenzial hinter dem NFT-Hype liegt und wie Verlage NFTs nachhaltig einsetzen und in ihre Prozesse integrieren können. Im ersten Teil erklären sie das Konzept NFT und seine Anwendungen. Im zweiten erörtern sie Fragen der Integration in die bestehenden Verlagsabläufe.
NFTs zwischen medialem Hype und konkretem Nutzen
Der Markt der Non-fungible Tokens (NFTs) als Ganzes hat im Jahr 2021 ein rasantes Wachstum um 765% im Vergleich zum Vorjahr erfahren und dabei ein Handelsvolumen von über 25 Mrd Dollar erreicht. Schlagzeilen über die Versteigerung digitaler Kunstwerke haben immer neue Erlös-Rekorde in Millionenhöhe verkündet. Prominente Persönlichkeiten zeigen auf ihren Social-Media-Kanälen stolz Profilbilder von gelangweilt dreinschauenden Affen, die sie mit der Ethereum-Kryptowährung gekauft haben und die über Nacht zu neuen Statussymbolen avanciert sind. Die zugrundeliegende Technologie sind auch hier NFTs.
Wie es also scheint, sind NFTs im Mainstream angekommen. Ob Kunst-, Musik-, Mode- oder Gaming-Branche – fast alle Kreativindustrien haben ihre NFT-Projekte am Start, sodass es fast unmöglich ist, nicht bereits an der einen oder anderen Stelle über den Begriff „NFT“ gestolpert zu sein. Für all die, die sich nun fragen, welche Relevanz diese Technologie für die Buchbranche haben könnte, holen wir das an dieser Stelle möglichst verständlich und greifbar nach.
Vorweg: So abgehoben und fremd wie NFTs auf den ersten Blick erscheinen mögen, sind sie gar nicht.
In der Essenz docken NFTs an ein der Verlagswelt altbekanntes und nicht wegzudenkendes Konzept an: Das Veröffentlichen und Sammeln von hochwertigen und streng limitierten Sonderausgaben. NFTs bringen diese Sonderausgaben sowie ihre Handelbarkeit nun in den digitalen Raum: Sie ermöglichen digitale Einzigartigkeit im Zeitalter einer beliebig häufigen, verlustfreien Replizierbarkeit. „Digital“ und „einzigartig“ scheinen zwei auf den ersten Blick diametral entgegengesetzte Konzepte zu sein, wird die unendliche Reproduzierbarkeit dem digitalen Gut doch gemeinhin als inhärent angesehen. Dass sich diese beiden Begriffe jedoch nicht mehr auf einer zweidimensionalen Skala als Extreme gegenüberstehen müssen, dass ein „Digitales Original“ noch mehr und eine sinnvolle Ergänzung des Verlagsprogramms sein kann, soll der Impuls zu den Überlegungen dieses Artikels sein.
Was sind NFTs? – Eine Definition
NFTs lassen sich als einzigartige, digitale Objekte oder Produkte definieren, die gekauft, gesammelt und verkauft werden können. Es ist möglich, sie streng zu limitieren und mit den verschiedensten Inhaltsformen zu verknüpfen, sei es Video, Bild, Text oder Audio. Sie sind nicht identisch mit dem digitalen Gut, sondern vielmehr ein Vehikel, das beliebig mit Inhalten befüllt werden kann. Es lässt sich mit dieser Produktform also erstmals das Konzept der Knappheit im digitalen Raum abbilden.
Natürlich müssen diese Objekte auch irgendwo registriert und nachvollziehbar abgelegt werden. Das Netzwerk, in welchem all dies passiert, nennt man „Blockchain“ – eine dezentrale Datenbank, die ihre Informationen in Knotenpunkten speichert, die in einem Computernetzwerk verteilt sind. Diese Knotenpunkte tauschen ständig neue Informationen untereinander aus und überprüfen sich gegenseitig. Jeder einzelne Knoten enthält den gesamten Informationsbestand der gesamten Datenbank. Neue Informationen werden in Form von „Blöcken“ (Recheneinheiten) als neues Element dieser „Kette“ angelegt und in jedem einzelnen dieser Knoten gespeichert. Der Begriff „NFT“ lässt sich wörtlich als „nicht-austauschbares Objekt“ übersetzen. Wenn etwas nicht austausch- oder ersetzbar ist, dann ist es entsprechend einzigartig und potenziell wertvoll. Doch worin besteht dieser Wert?
Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants.
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Der Mehrwert von NFTs für Verlage
Für Verlage besteht der Mehrwert von NFTs vor allem darin, dass sie es ermöglichen, digitale Produkte zahlen- oder funktionsmäßig beliebig zu limitieren und mit multimedialen Inhalten oder speziellen Funktionen zu verknüpfen. So lassen sich einzigartige Inhalte erstellen, die nur über NFTs verfügbar gemacht werden und durch ihre starke Limitierung einen hohen Sammlerwert erreichen können.
Neben klassischen Inhalten in Form von Text, Audio oder Bild können NFTs auch mit zusätzlichen Vorteilen verknüpft werden, den sogenannten „Utilities“. Diese können darin bestehen, dass man zum Beispiel exklusiven Zutritt zu bestimmten Events erhält oder auch Mitbestimmungsrechte bei der inhaltlichen Ausrichtung eines Projekts. Sie bieten Verlagen und ihren Autorinnen oder Autoren die Möglichkeit, eine noch direktere und interaktivere Verbindung zu den Fans oder Kunden aufzubauen, da diese wissen, dass sie immer wieder in den Genuss von exklusiven Vorteilen kommen, wenn sie ein bestimmtes NFT besitzen.
NFTs können vielfältig programmiert werden. Die zugrunde liegende Technologie ermöglicht u.a. die Automatisierung von Zahlungsströmen. So lässt sich im anhängenden digitalen Vertrag, dem sog. „Smart Contract“, festlegen, wer welche Provisionen erhält. Die Zahlung erfolgt unmittelbar beim Verkauf über die jeweilige NFT-Plattform und nicht etwa erst Monate später im Zuge turnusmäßiger Abrechnungen.
Man stelle sich einmal vor, es wäre möglich, bei jedem Weiterverkauf der Printversion eines Bestsellers im Antiquariat 5% Provision zu erhalten.
Ein weiterer, damit eng verbundener Vorteil besteht darin, dass der Verlag bei jedem zukünftigen Weiterverkauf am Gewinn beteiligt wird. Die Ausschüttung erfolgt auch hier direkt in die hinterlegte Krypto-Wallet. Die Erstellung einer solchen Verlags-Wallet ist übrigens ein essentieller Schritt auf dem Weg zum ersten NFT-Projekt. Man stelle sich vergleichend dazu einmal vor, es wäre möglich, bei jedem Weiterverkauf der Printversion eines Bestsellers im Antiquariat 5% Provision zu erhalten. Was analog noch immer eine Utopie darstellt, ist mit NFTs nun möglich – und sogar spielend leicht und voll automatisiert, da auch dieser Prozess vorab im Smart Contract hinterlegt werden kann.
Neben der Regelung von Besitzverhältnissen und der Monetarisierung des Wiederverkaufs lassen sich andere rechtliche Aspekte eindeutig regeln, etwa der, welche Rechte mit dem Kauf an den Kunden übergehen und welche nicht. Dies hilft, sicherzustellen, dass das geistige Eigentum des Urhebers bei diesem verbleibt.
Dass NFTs darüber hinaus auch ein mächtiges Marketing-Tool darstellen, mit dem es möglich ist, die bereits bestehenden Fan-Communitys von Autorinnen und Autoren noch besser zu vernetzen und zu pflegen, wird an späterer Stelle ausgeführt.
Verallgemeinernd lässt sich festhalten, dass NFT-Technologie zur Aufwertung digitaler Produktformen führt – sowohl inhaltlich als auch finanziell. Wie ein solches NFT konkret aussehen kann, möchten wir einmal exemplarisch zeigen.
Produktbeispiel: Die limitierte E-Book-Erstausgabe
Ein grundlegendes, genreunabhängiges Beispiel ist die limitierte Erstausgabe (zum Beispiel 500 Exemplare) eines E-Books, deren Sammlerwert sich dadurch ergibt, dass es fünf verschiedenen Varianten gibt, die sich untereinander durch unterschiedliche Ausfertigungen unterscheiden: Jede Variante hat ein eigenes Cover sowie ein jeweils eigenes Bonuskapitel, das im regulären E-Book nicht vorhanden ist. Jedes dieser NFT-E-Books ist gleichzeitig ein individueller virtueller „Schlüssel“, der den Zugang zu einem speziellen digitalen Raum auf einem Discord-Server ermöglicht. Discord ist ein Messaging-Dienst, der ursprünglich für die Echtzeitkommunikation von Gamern entwickelt wurde, jedoch ebenfalls weitreichende Möglichkeiten zur Verknüpfung mit NFTs bietet. Hat ein Kunde alle fünf Varianten gesammelt, bekommt er die Möglichkeit zu einem 60-minütigen persönlichen Gespräch mit der Autorin. So oder so ähnlich könnte man ein NFT gestalten.
Bestsellerautor Mark Manson hat ebenfalls einen spannenden Ansatz: Er hat 1111 Zitate aus seinem Buch „The Subtle Art of Not Giving a F*ck” als NFT verkauft, u.a. inklusive einer speziellen Mitgliedschaft zu einem eigenen privaten Club. Und der Autor, Unternehmer und NFT-Guru Gary Vaynerchuk organisiert seinerseits regelmäßig einen mehrtägigen Business-Kongress, den nur besuchen darf, wer ein NFT aus seiner Kollektion besitzt.
Die Möglichkeiten sind vielfältig, und es ist wichtig, festzuhalten, dass ein NFT mehr sein kann als nur das Eigentum an einem digitalen Gut, zum Beispiel einem E-Book. Ein gutes NFT hat immer auch eine Utility, einen über den reinen Inhalt hinausgehenden Vorteil.
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