Auf meinem Schreibtisch steht eine kleine Tonfigur, eine Mutter mit ihrem Kind. Meine Großmutter hat sie vor vielen Jahren getöpfert, da war sie selbst gerade Mutter geworden. Jetzt schaue ich sie manchmal an, wenn ich an einem neuen Manuskript sitze, und sehe in ihr die Menschen, für die ich schreibe: Eltern, die ihre Sache gut machen wollen und dafür nach zugewandten Denkanstößen suchen. Die schenke ich ihnen in meinen Werken.
Mein Schreiben ist eng mit meinem eigenen Muttersein verknüpft. Ich fing an, übers Elternsein zu schreiben, als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, und habe seither nicht wieder damit aufgehört. Ich schrieb damals, was mir selbst fehlte: Literatur für Eltern, die sich keine Gebrauchsanweisung für funktionierende Kinder wünschen, sondern Bücher, die dabei helfen, Kinder als vollwertige Menschen zu begreifen und ihr Verhalten zu verstehen. Die große Frage, die über meiner Arbeit steht: Wie kann es gelingen, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Großen und der Kleinen in einer Familie so unter einen Hut zu bringen, dass es damit allen gut geht?
Meine ersten Bücher nahmen vor allem Themen aus der Baby- und Kleinkindzeit in den Blick: Wie kompetent bereits kleine Säuglinge sind, wie Eltern und Kinder gemeinsam zu guten Nächten finden können. Mit dem Älterwerden meiner eigenen Kinder weitete sich dann auch mein schriftstellerischer Horizont: Ich schreibe über Kinder, die uns mit ihrem Wesen besonders herausfordern, über die Bedeutung von Bindung und Beziehung im Familienleben, zuletzt über Grenzen, die auch in einem liebevollen Miteinander unbedingt ihren Platz haben.
Was Orte zum Schreiben anging, konnte ich lange nicht wählerisch sein: Mein Mann und ich sind sehr jung, noch im Studium, Eltern geworden, und hatten somit weder das Geld noch den Platz für eine richtige Schreibstube. Meine Bücher entstanden, wenn unsere Kinder schliefen oder bei der Tagesmutter waren, wo immer ich gerade ein Plätzchen fand – mal am Küchentisch, mal im Café, mal in unserem großen Familienbett. Mir hat das nie etwas ausgemacht: Zeit zum Schreiben war und ist für mich immer so ein Glück, dass mir die Umstände ziemlich gleich waren. Hauptsache, ich konnte meine Gedanken zu Papier bringen. Fiel mir das im Familienchaos doch mal schwer, fuhr ich für ein paar Tage in ein abgelegenes Kloster. Da schrieb ich dann oft 14, 15 Stunden am Stück, wie berauscht davon, endlich all die lang gereiften Ideen ausformulieren zu können.
Seit knapp 3 Jahren leben mein Mann und ich mit unseren mittlerweile 4 Kindern nun in einem Haus, das genügend Platz für uns alle hat. Hier habe ich zum ersten Mal ein eigenes Arbeitszimmer. Die Einrichtung ist recht spartanisch – ein einfacher Ikea-Schreibtisch und ein Bücherregal –, aber ich liebe diesen meinen neuen Rückzugsort sehr. Er ist nicht nur mein Schreibplatz, sondern auch mein Sendestudio: Hier nehme ich regelmäßig neue Videos für meinen Instagram-Kanal auf oder gehe mit anderen Autorinnen gemeinsam live, um über wichtige Familienthemen zu sprechen. Im Hintergrund sehen die Leute dann immer eines meiner Bücher stehen – bei meinem letzten Video war das mein neues Kinderbuch „Und was fühlst du, Känguru?“. Überhaupt die Kinderbücher: Sie zu schreiben ist für mich noch eine ganz neue Erfahrung und die Erfüllung eines echten Lebenstraums. Entstanden sind die Geschichten nicht am Schreibtisch, sondern beim Ins-Bett-Bringen meiner Kinder. So ist das bei mir mit dem Schreiben: Ich brauche dafür keinen festen Ort, die Ideen kommen einfach da, wo ich gerade bin.
Mein Schreibtisch – im buchreport.magazin 12/2022
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Nora Imlau
In ihrer Einstellung zur Pädagogik wurde Nora Imlau bereits durch ihre Eltern geprägt, die an einem reformpädagogischen Internat unterrichteten. Nach ihrem Studium in Marburg und Vancouver begann die gebürtige Freiburgerin ihre Karriere als freie Journalistin und Fachautorin für Familienthemen. Sie schrieb u.a. für die Zeitschriften „Eltern“, „Eltern family“ sowie das „Unerzogen Magazin“ oder „Zeit Online“. Als Erziehungsexpertin tritt Imlau in der Fernsehsendung „MDR um 4“ auf, sie hält Fachvorträge rund um die Themen Schwangerschaft, Geburt und Kinderjahre und setzt sich als Botschafterin der Elterninitiaive „Mother Hood“ für die Rechte von Schwangeren und jungen Eltern sowie für individuelle Hebammenbegleitung und Wahlfreiheit in der Geburtshilfe ein. In der Buchbranche kennt man die vierfache Mutter als Erfolgsautorin, die mit ihren Erziehungstiteln regelmäßig die Spitzenplätze der Bestseller-Listen erklimmt. Imlaus Bücher erscheinen bei Beltz, Carlsen, Kösel, Penguin und Ullstein.
Bestseller
Titel (ET-Monat), bester Platz
Meine Grenze ist dein Halt (10/2022), bester Platz 1
In guten Händen (07/2022), bester Platz 3
Und was fühlst du, Känguru? (06/2022), bester Platz 1
Mein Familienkompass (08/2020), bester Platz 4
Du bist anders, du bist gut (09/2019), bester Platz 1
So viel Freude, so viel Wut (05/2018), bester Platz 3
Auswahl
Quelle: buchreport, Ratgeber Leben & Gesundheit, SPIEGEL-Bestseller HC & PB Sachbuch, DEIN SPIEGEL-Bestseller Bilderbuch
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