Die Buchpreisbindung gilt weithin als nützlicher Schirm, der der Branche unter anderem Preiskämpfe im Bestsellergeschäft erspart, aber auch als lästiger Schirm, weil er die Bewegungsfreiheit mindert:
- Mängelexemplare: Mit den festen Preisen kann der Buchhandel nicht mitmischen, wenn die roten „SALE“-Schilder in vielen Schaufenstern hängen. Das Verramschen von schwer Verkäuflichem ist erschwert und führt immer wieder auf Abwege. Die Preisbindungsanwälte Christian Russ und Dieter Wallenfels berichten auch 2022 von Preisbindungsverstößen durch künstlich erzeugte Mängelexemplare, um Verkäufe unter Preis zu rechtfertigen.
- Mindestpreise: Die von den Verlagen festgelegten Preise sind andererseits manchem Händler aber auch zu niedrig. Sie schätzen die Zahlbereitschaft der Kunden höher ein als die preisfestsetzenden Verlage. Ingo Kretzschmar, Chef des Marktführers Thalia, appelliert deshalb, die Branche möge sich für eine Modifikation des Gesetzes einsetzen: Der weiterhin gebundene Preis solle zwar nicht unterboten, aber überschritten werden können. Vorbild wäre der gebundene Mindestpreis im österreichischen Preisbindungsgesetz. Aber die Börsenvereins-Gremien lassen Kretzschmars Vorschlag abblitzen.
- Konditionen: Um das deutlich brisantere Streitthema Einkaufskonditionen wird es 2022 vorübergehend ruhiger, denn der Börsenverein startet zwei Umfragewellen zum Thema. Damit soll festgestellt werden, wie weit die Einkaufsrabatte tatsächlich auseinandergehen und ob Appelle disziplinierend wirken. Im Frühjahr 2023 soll es Klarheit geben, ob große Marktteilnehmer, wie vermutet, zu üppige Rabatte und weitere Konditionenbausteine fordern und bekommen. Denn auch da setzt das Preisbindungsgesetz Grenzen: Der Großhandel (die Barsortimente), die auch kleinere Buchhandlungen beliefern, dürfen keine schlechteren Konditionen erhalten als die großen Händler.
buchreport blickt auf das Jahr 2022 zurück. Alle Themen des Jahres finden Sie sukzessive hier im Überblick.
Kommentar hinterlassen zu "Preisbindung: Der auch lästige Schirm"