Angesichts der Selfpublishing-Möglichkeiten wächst für die Verlage der Rechtfertigungsdruck, warum ihr Dienstleistungsbündel das beste für den Autor sein soll. Wenn ich ein Bestseller-Buchautor wäre, würde ich die Querfinanzierung hinterfragen.
Vor der Zeit des Internets kamen Unternehmen nicht umhin, in den Publikationen der Medienhäuser zu werben, wenn sie mit ihren Werbebotschaften ihre Zielgruppen erreichen wollten. Damit erfolgte durch sie quasi eine Querfinanzierung des Journalismus, welcher allein durch Vertriebserlöse nicht in der Form zu bezahlen war. Das wiederum kam der Gesellschaft und auch den Journalisten zugute.
Dann kam das Internet und brach diesen Markt auf. Seitdem verteilt sich das Werbegeld zunehmend auf die Unendlichkeit der vorhandenen (Nischen-)Publikationen von beliebigen Betreibern/Herausgebern, die oft einfach nur Geld verdienen wollen und mit Journalismus nichts am Hut haben. Der Umstand, dass Unternehmen aller Art früher einmal auf Medienunternehmen angewiesen waren, ist gewissermaßen ein historischer Glücksfall für diese gewesen und hatte einen lukrativen Markt geschaffen, der in der Form aber nicht zurück kommen wird. Daher stellt sich nach wie vor die drängende Frage, wie wir unabhängigen Journalismus künftig in der Breite noch finanzieren können.
Ein ganz ähnlicher Zusammenhang lässt sich auch auf dem Buchmarkt erkennen: Autoren waren vor der Zeit des Internets mehr oder weniger auf Buchverlage angewiesen, wenn sie etwas veröffentlichen und breit verfügbar machen oder zumindest die Chance dazu haben wollten. Verlag kommt ja von vorlegen und die Querfinanzierung schlecht verkäuflicher Buchtitel im Verlagsprogramm über die gut verkäuflichen ist Kernbestandteil des traditionellen Buchverlags-Modells. Verlage gingen gewissermaßen eine bestimmte Anzahl von Wetten ein, die so gestaltet waren, dass ein oder zwei gewonnene Wetten reichten, um das gesamte Spiel zu finanzieren. Die Autoren spielten mangels Alternativen mit.
Nun aber haben Autoren dank Internet und Digitalisierung Alternativen, die auch immer attraktiver werden – Stichwort Self-Publishing. Das führt keineswegs dazu, dass der Verlagsmarkt sofort zusammenbricht. Noch immer will quasi jeder Autor zu einem “richtigen” Verlag, weil sich da nach wie vor am ehesten Reichweite gewinnen, Reputation aufbauen und Geld verdienen lässt. Zudem wollen viele Autoren nicht den ganzen Tag Eigenwerbung machen, sondern schreiben. Selbst eine überaus erfolgreiche und ehemals reine Self-Publishing-Autorin wie Amanda Hocking stützt diese These, indem sie sagt:
I want to be a writer. I do not want to spend 40 hours a week handling emails, formatting covers, finding editors, etc. Right now, being me is a full-time corporation.
Doch “handling emails, formatting covers, finding editors, etc” können auch andere Dienstleister als Verlage. Auch wenn sich die Verlagswelt nicht über Nacht wandelt, so wächst doch der Rechtfertigungsdruck auf die Verlage, warum denn nun gerade das Dienstleistungsbündel, wie sie es schnüren, das beste für den betreffenden Autor sein soll. Das ist durchaus neu. Ein schneller Blick auf die Websites einiger Buchverlage reicht, um zu sehen, dass diese sich bisher nicht wirklich als Dienstleister begreifen. Entsprechend intransparent bleibt das Leistungspaket für Außenstehende. Buchverlage hatten es bisher einfach nicht nötig, gegenüber dem Durchschnitts-Autor zu werben.
Während dieser ganze Wandlungsprozess viele interessante Facetten aufweist, finde ich einen Punkt besonders interessant, weil er die Grundfesten von (Publikums-)Verlagen berührt: Wenn ich ein Bestseller-Buchautor wäre, würde ich mich fragen, warum ich einen Deal eingehen soll, der in letzter Konsequenz ermöglicht, andere Autoren querzufinanzieren. Wenn ein solcher Deal besteht, heißt das ansich nur, dass für mich als Bestseller-Autor nicht der bestmögliche Deal herausgeholt wurde. Wäre es nicht nur konsequent, wenn Autoren zunehmend Dienstleistungs-Verhältnisse suchen und einfordern, die – wie auf anderen Märkten auch – dem Dienstleister nur das wirklich notwendige Geld zuweisen? Was aber passiert mit den bestseller-abhängigen Publikumsverlagen, wenn gerade die Top-Autoren und somit die Stützen der Häuser mehr und mehr einfordern oder sich gar abwenden? Stichwort Pottermore …
Der dadurch entstehende Druck und die fortschreitende Digitalisierung dürften dazu führen, dass Verlage künftig im Printbereich keine mit heute vergleichbaren Experimente mehr eingehen, weil es einfach zu riskant und teuer ist. Heute werden Zehntausende papierne Bücher auf den Markt geworfen, von denen niemand weiß, ob sie sich rechnen werden. Dieses Vorgehen wird uns in 10 Jahren ziemlich abenteuerlich vorkommen. Der richtige Ort für Experimente ist eben nicht der Printmarkt, sondern der digitale Markt bzw. das Internet als großer Crowdsourcing-Pool für jedermann. Nur was sich dort bewährt hat und demzufolge einen Erfolg sehr wahrscheinlich macht, wird künftig ggf. in einer angepassten Print-Version erscheinen, was als Erkenntnis nicht neu ist. “Digital First”, wie es derzeit von Lübbe getestet wird, ist deswegen nur eine logische Folge der Entwicklung und sollte unterstützt und nicht bekämpft werden.
Originalbeitrag: leanderwattig.de
Leander Wattig ist als Berater in Frankfurt am Main tätig. Er unterstützt führende Medienunternehmen beim Marketing im Social Web und bloggt über dieses Themenfeld auf leanderwattig.de. Mit der Initiative „Ich mach was mit Büchern“ trägt er zur stärkeren Vernetzung der Buchbranche bei und mit dem Virenschleuder-Preis macht er erfolgreiches Social Media Marketing sichtbar. Daneben engagiert er sich als Vorstandsmitglied der Theodor Fontane Gesellschaft und als Lehrbeauftragter an Hochschulen.
@amokwriter: Das Problem bei Youtube: Die Videos dort sind unprofessionell und werden weder in Fernsehzeitungen besprochen noch von TV-Sendern ausgestrahlt. Es kann also gar nicht sein, dass man damit berühmt (und reich) wird. 😉
Als ein Vertreter der Spezies, über deren Motive hier ausgiebig spekuliert wird, muss ich Leander Wattig leider vollständig recht geben. Nicht, weil meine Agentin und ich so geldgierig wären (na gut, das vielleicht auch ;-), sondern vor allem, weil das Leistungspaket der Verlage in vielen Fällen noch nicht wirklich zukunftsgerecht ist.
Die Querfinanzierung ist dabei aus meiner Sicht nicht das Kernproblem. Verlage sind auch bloß Unternehmen und machen Bücher nicht aus reiner Liebhaberei (von wenigen Ausnahmen selbstausbeuterischer Kleinverleger oder reicher Mäzene mal abgesehen). Sie nehmen nur solche Texte ins Programm, von denen sie vermuten, dass sie „abheben“ könnten. Weil man aber vorher nicht weiß, was funktioniert, produziert man eben gezwungenermaßen Flops – das ist ganz in Ordnung so und wird sich auch nicht ändern. Im Gegenteil: Wer keine Flops produziert, riskiert nichts und ist ergo nicht innovativ genug, um den nächsten Megahit zu entdecken. Selbst bei einem Bestsellerautor ist nicht gesagt, dass das nächste Buch ein Hit wird. Er kann also vorher nicht wirklich wissen, welches der „bestmögliche Deal“ ist. Im Übrigen bekommen Bestsellerautoren ja wesentlich bessere Konditionen als Neulinge, dafür sorgen schon die Agenten.
In Zukunft kann man mit E-Books sehr viel kostengünstiger herausfinden, was funktioniert – die hohen Fixkosten für Druck und Platzierung im Buchhandel entfallen hier. Nur braucht es dafür Verlage eigentlich nicht. Autoren können, wie Amanda Hocking, im Self Publishing ihre Akzeptanz selber testen. Wenn sie Erfolg haben, lohnt sich ein gedrucktes Buch umso mehr.
Ist das gut für die Verlage? Nicht wirklich. Sie können sich so zwar die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken, aber die sind dann heiß umkämpft, ergo teuer. Und warum sollten bereits erfolgreiche Autoren überhaupt noch einen Verlag brauchen? Für das Lektorat gibt es gute Dienstleister, und die Stärke der meisten Verlage liegt heute eher im Buchhandels- als im Endkundenmarketing. Möglicherweise übernehmen in Zukunft ja die Literaturagenten die Rolle des Autorenberaters und -dienstleisters, oder es treten neue Anbieter wie etwa die Self Publishing-Plattform-Betreiber auf den Plan. Dann wären Verlage, die die Zeichen der Zeit verschlafen, auf das schrumpfende Segment gedruckter Bücher beschränkt und müssten hohe Garantiezahlungen an bereits etablierte Autoren leisten.
Wenn ich Verlagsmanager wäre, würde ich mich in der Tat stärker als attraktiver Partner für Autoren zu positionieren versuchen und insbesondere alles tun, um im Social Media Marketing besser zu werden. Denn genau hierin liegt die Zukunft des E-Book-Erfolgs (aber nicht unbedingt die Stärke typischer deutscher Verlage).
Nee, trial and error am point of sale – in der Buchhandlung, wo die meisten „richtigen“ Leser kaufen und suchen – ist eben was anderes als im Netz-Nirwana, wo nur gefunden wird, was bekannt ist. Bekanntlich spiegeln eBook-Käufe überwiegend die Bestsellerlisten.
Literatur hat keine Zielgruppe.
Man gebe mal den Suchbegriff „guter moderner Roman“in die Suchmaschine oder in den Buchhändlerkopf – was kommt raus?
Publikumsverlage kennen ihre Leser nicht! Die Kunden des Verlags sind die Händler und die Presseleute. Und was die transportieren, entscheiden sie selbst.
Die blöden arithmetischen Tipps der Maschinen verwechseln Recherchieren mit Kaufenwollen. Ich warte im Netz auf zuverlässige beschlagene Qualitätsbroker für individuelle Bedürfnisse …
Lieber Herr Wattig, vielleicht doch noch einmal zum Typus des Bestsellerautoren: entgegen ihrer Annahme (die ich einmal unterstelle), dass es sich dabei um den Profitmaximierer sui generis handelt, sind die drei, vier Bestsellerautoren, die ich kennenlernen konnte, tatsächlich die vielbeschworenen „Menschen wie Du und ich“. Soll heißen, dass es selbstverständlich auch Gordon Geckos unter ihnen geben wird, aber nicht mehr als im statistischen Mittel des allgemeinen Bürgers. Und ohne ein übertriebenes Lob auf die Mitmenschlichkeit anstimmen zu wollen: den allermeisten erfolgreichen Menschen ist durchaus bewusst, dass sie ihre Erfolge dem Glück, dem Zufall, dem Schicksal (wem/was auch immer) zu verdanken haben, und entsprechen handeln und verhandeln sie. Gegebenenfalls hart, aber nicht hart bis jenseits der Grenzen des Zumutbaren. Aus dieser – von ihnen vermuteten – Richtung droht den etablierten Verlagen nicht die Gefahr, wage ich zu behaupten. Mit einer anderen These, die auch andere Kommentatoren hier vertreten haben, liegen Sie selbstverständlich richtig: wer sich als Verlag nicht um seine Autoren kümmert, sie respektiert und dies dadurch ausdrückt, dass er ihren Büchern den bestmöglichen Marktzugang verschafft, hat in seiner eigentlichen Aufgabe versagt und sollte sich nicht wundern, wenn Mitbewerber (print und digital, auch selfpublishing) seinen Job übernehmen.
Beste Grüße! Archimedes
Verlage sollten Ihre Kernkompetenzen weiter herausstellen, auch ein Bestseller Autor braucht für sein neues Buch beispielsweise Pressearbeit und Marketing. Darin besteht für den Verlag eine Chance, der Autor möchte schreiben und nicht die ganze Zeit sein Buch vermarkten. Alleine ein gutes Buch zu schreiben mit gutem Cover, Lektorat ist es einfach nicht getan. Bevor der Kunde etwas kauft muss er es doch vorher erst davon irgendwo gelesen haben. Ich denke aber das Marketing sich aber mehr online verschieben sollte, da der Kunde auch immer mehr online seine Bücher oder eBooks kauft und sich dort natürlich informiert (Rezensionen liest)
Die Querfinanzierung ist notwendig, weil die Verlage sonst außer den sicheren (welche sind das?) Bestsellern gar keine Bücher mehr machen würden.
Ohne die Querfinanzierung sähe der Buchmarkt also bald so aus, dass die Buchhandlungen mit dem neuen Brown, dem neuen Follet, King usw. voll stünden. Aber kein anderes Buch mehr. Ach so, noch die ganzen Biografien von Prominenten.
Viele, heute sehr gut verkäufliche, Autoren sind einzig noch dabei, WEIL sie damals querfinanziert wurden.
Und nicht nur das. Ein Autor entwickelt sich weiter, indem er liest. Aber nicht die eigenen Sachen, sondern die Werke der Kollegen, anderer Genres etc. Ohne Querfinanzierung stünde die Literaturwelt bald still.
Aber ja, rationalisieren wir ruhig alles weiter. Es verdient ohnehin schon nur ein ganz kleiner Teil der Autoren genug, um davon zu leben. Wozu sollten wir noch die anderen mitziehen? Survival of the fittest. Wer braucht schon kulturelle Vielfalt?
Gruß,
Stephan
das problem beim selfpublishing: solche bücher werden weder vom feuilleton wahr-, noch vom buchhandel aufgenommen …
Wenn mal die ersten 4000 Bücher über den virtuellen Ladentisch gegangen sind, sollte sich der selbstverlegende Autor um das feuilleton nicht scheren, um den Buchhandel schon gar nicht!
Lieber Kommentarmax, Sie können mich gern anrufen. Dann erkläre ich Ihnen das noch einmal. 🙂
Oooh, Beraterwattig.
* Was ist die innere Logik der ersten Absätze, die die Themen Zeitungen/ unabhängiger Journalismus / Werbung / Zielgruppen / Unternehmen vermischen – und was haben sie mit dem Rest des Textes zu tun?
* Dem weiteren Text liegen ebenfalls unklare Thesen zugrunde, allen voraus die: Autoren wurden/werden von Verlagen ausgebeutet („spielten mangels Alternative mit“) und können nun das Damoklesschwert umdrehen. Begründet wird diese „These“ mit dem „schnellen Blick“ auf einige Verlagswebseiten.
* Das „auf-den-Markt-werfen“ „zehntausender“ (hä?) Bücher ist kein „Experiment“. Zumindest keins, das durch den „Crowdsourcing-Pool für jedermann“ (hä?) abgelöst werden kann.
@Joachim Leser:
Ich stimme Ihnen zu und denke dennoch, dass eine Haltung und der Service-Gedanke sich gut vertragen. Nicht selten wird meinem Eindruck nach aber in die Richtung argumentiert, dass eine Haltung reicht und einen schlechten Service kompensiert. Ich fürchte, das ist nicht der Fall.
Vor allem beim letzten Teil stimme ich „Dem Peter“ zu: Eben weil nicht jeder unabhängige Schriftsteller sich einen selbstständigen Lektor, Grafiker, Werbefachmann etc. holen kann, wird und will, können selbst „sichere Bestseller“ schnell im Massenwust verschwinden, weil einfach grundlegende Erwartungen nicht erfüllt werden – Grammatik- und Rechtschreibfehler, die beim Schreiben einfach passieren zum Beispiel.
Die Verlage könnten sich so, mit ihrem Dienstleistungspaket, als Garanten für „gute Bücher“, platt gesagt, etablieren und für sichere Bestseller. Ein gewisses Umdenken über das Verhältnis zu den Autoren und vor allem zum digitalen Wandel, der nunmehr auch den Buchmarkt erreicht hat, ob man das will oder nicht, natürlich vorausgesetzt.
@Alle: Danke für die interessanten Ergänzungen und Hinweise!
@Der Peter
Ich glaube auch nicht, dass alle Bestseller-Autoren so geldorientiert sind. Ich fürchte aber, es werden genug sein, um das System gehörig unter Druck zu setzen. – Ich denke aber auch, dass gerade die konsequent anspruchsvollen Programm-Macher auch künftig eine gute Chance haben. Die Selektion/Auswahl ist ja ein Erfolgsprinzip, das selbst oder gerade im Internet sehr gut funktioniert.
@Archimedes:
Danke für Ihren Gruß! 🙂
„Und falls Sie ein etablierter Bestsellerautor sind, werden Sie, ausreichende Profitgier unterstellt, eine maximale Rendite erzielen wollen, schon klar. “
Soweit scheinen Sie ja zuzustimmen. Wo aber kommt dann langfristig das Garantiehonorar für alle im heutigen Maßstab her, wenn viele der jeweils (neu) etablierten Bestsellerautoren eine maximale Rendite erzielen wollen (wo/wie/mit wem auch immer) und die Mischkalkulation somit unter Druck setzen?
@Vito von Eichborn
Für trial and error ist das Internet/sind die digitalen Medien der perfekte Ort.
Ob Veränderungen so eintreten wie in dem Blogbeitrag beschrieben, wage ich nicht zu beurteilen.
Fest steht, meine ich, dass mit der Digitalisierung ein Medienwechsel stattfindet. Mit einem Medienwechsel findet, für mich offensichtlich, auch ein Paradikmenwechsel statt.
Wenn ich mir nun die Kommentare anschaue die, wie es mir scheint, fundiert aus der Branche kommen, dann fallen mir andere Branchen ein, denen auch Paradigmenwechsel ins Haus standen. Bei denen hörten sich nämlich die Kommentare, vom Grundtenor her, genauso an, wie hier.
Die eingetretenen Veränderungen haben da weitgehend die damals aus den Branchen gemachten Prognosen Lügen gestraft.
Ich denke da an:
Die (deutsche) Fotoindustrie als Spiegelreflexkameras kamen.
Die Uhrenindustrie als Quarzuhren und Uhren aus Japan kamen.
Die Unterhaltungselektronikindustrie als Digitalisierung und Konkurenz aus Japan aufkamen.
Die Musikindustrie als Digitalistierung kam.
Alle Aussagen aus den etablierten Branchen haben zu Beginn jeweils genauso – teils sehr viel überheblicher – geklungen.
Bei den vergangenen Veränderungen haben wir gesehen was daraus geworden ist.
Ich will nicht sagen, dass war alles gut, was da so gelaufen ist. Darum geht es auch gar nicht.
Aber Apple ist heute weltweit der größte Anbieter digitaler Musik.
Und ich denke, genau die gleiche Haltung, die in den Kommentaren hier durchkommt, war ein wesentlicher Faktor dafür, dass die Dinge jeweils so gelaufen sind wie sie gelaufen sind.
Für mich klingt die Haltung so:
Wir ganz allein und nur wir wissen wie das Geschäft läuft und ihr habt eh keine Ahnung.
Ich sage nicht, dass die Haltung so ist, sondern es klingt für mich so.
Darum meine Meinung: Kein Mitleid von mir, wenn es dann doch auf einmal ganz anders läuft. Es wurde gewarnt.
Hallo Herr Wattig,
ich weiss nicht, ob sich die Beziehung Autor/Verlag auf ein Dienstleistungsverhältnis reduzieren lässt. Womöglich sind Verlage, bei denen dies möglich ist, tatsächlich am ehesten von der anstehenden Self-Publishing-Welle gefährdet.
Meiner Meinung nach zeichnet sich ein Verlag durch eine Haltung aus, in der sich der Blick der Macher auf die Welt äussert. Diese Haltung zeigt sich im besten Fall eben in allen Varianten, in denen ein Verlag tätig ist: in der Herstellung des Produktes; in den Wegen, die der Vertrieb bevorzugt; im Qualitätsanspruch in Lektorat und Übersetzung; in der Art des Marketing. Alles zusammen ergibt dann eben auch das, was Sie als Reputation bezeichnen und das eben diese Anziehungskraft generiert, die Self-Publishing nicht haben kann.
Womöglich verbirgt sich diese Haltung zunehmend unter den Marketingstrategien, aber sie bleibt auch in Zukunft für viele Autoren wesentlich, wenn sie ihr Produkt entsprechend platzieren möchten.
Nach vierzig Berufsjahren im Steinbruch der Worte freut es mich diebisch, den sich abzeichnenden Paradigmenwechsel im Verhältnis von Autor und Verleger erleben zu dürfen!
Alles ganz gut toll verfasst und scheinbar in sich schlüssig, lieber Leander, aber vielleicht gehst Du von einer falschen Prämisse aus?
Folgt man Deiner Argumentation, sind Bestsellerautoren zunächst einmal nur an sich selbst interessiert und ihr Verhalten ist das von Wirtschaftsökonomen, will sagen: Gierrammeln.
Deine Argumentation löst sich auf, wenn man die Prämisse nur einen halben Zentimeter verschiebt: Was, wenn sich auch der Bestsellerautor als Teil eines Kulturschaffens sieht, und die durch sein Werk mögliche Querfinanzierung nicht so gut verkäuflicher Werke als Selbstverständlichkeit ansieht, als nicht wegzudenkenden Tribut an den Fortbestand der Literatur?
Ich glaube, dass es Bestsellerautoren mit Krämerseelen gibt, ich glaube aber auch, dass das die Wenigsten sind.
Was in unserer offenen „Ach jeder darf und kann veröffentlichen nach Herzenslust“, neuen Zeit passieren kann, ist, dass sich Verlage noch mehr zu ihrem monolithischen Dasein bekennen und versuchen, Hochburgen der gehobenen Literatur zu etablieren, oder aber, sie verzetteln sich in Beliebigkeit und versuchen, sich mit der Flüchtigkeit der Internetinhalte anzulegen. Genauso gut könnte man versuchen, mit der Schwerkraft zu verhandeln.
Liebe Grüße,
Peter
Lieber Herr Wattig, mir scheint, da sind Sie weit angelaufen und doch deutlich zu kurz gesprungen. Ich wiederhole im Folgenden Vitos Argumentation, vielleicht wird es dann verständlicher: egal, ob Sie ein etablierter Verlag oder ein gerade gegründetes Ein-Mann-Unternehmen sind – wenn Sie wissen, dass der Autor Ihnen einen garantierten Bestseller liefert, reicht Ihnen der eine Autor, wenn nicht, werden auch Sie ein paar mehr Autoren benötigen, um den Geschäftsbetrieb (Strom, Miete, Flatrate) halbwegs gesichert aufrecht erhalten zu können. Und schon haben Sie eine Mischkalkulation, nennen Sie es, wie Sie möchten. Und falls Sie ein etablierter Bestsellerautor sind, werden Sie, ausreichende Profitgier unterstellt, eine maximale Rendite erzielen wollen, schon klar. Wenn Sie aber zu den 99,97% weniger Glücklichen gehören, die das nicht sind? Eben. Dann sind Sie gar nicht so undankbar über die Querfinanzierung, die Ihnen ja immerhin den Genuss eines Garantiehonorars ermöglicht, wetten? Tje nu, die großen etablierten Verlage haben dieses Modell (wir nennen es: nachhaltigen Kapitalismus) ja nicht gerade erfunden, aber sie machen anscheinend immer noch einen ziemlich guten Job, sonst wären sie – in diesen unruhigen Zeiten, die ja nun schon geraume Jahre andauern – längst nicht mehr groß und auch nicht mehr etabliert. Nächstes Mal bitte wieder – wie ich es eigentlich von Ihnen gewohnt bin – etwas origineller denken, das war eher nix (Frau Munk bringt das Problem eher unfreiwillig auf den Punkt: ein gut geschnürtes, professionelles Dienstleistungsbündel ist für den schreibenden Menschen eben sehr viel attraktiver als das eigenständige Suchen von Grafikern, Werbeleuten, Vertrieblern etc., und des Herrn Ehlings Kommentar besteht ein weiteres Mal lediglich aus „IchIchIch“ und Larmoyanz. Gähn!). Ihnen aber einen aufmunternden Gruß aus München! Vielleicht mehr Vitamine?
Moin miteinander,
is ja alles richtig – nur weiß bei Novitäten eben niemand, was draus wird. Das ist trial and error.
Wenn jemand ein Manuskript liefert, das den sicheren Bestseller garantiert – ja, das gibt’s, wenn unsereins liest -, so kann der Autor die Konditionen (fast) diktieren. Denn jede Kalkulation ist doch gläsern, weil wir alle die Zutaten weitgehend kennen.
Also, Bestsellautor/in – her damit. Bei Faktor 10 (Herstellkosten x 10 = Ladenpreis) gibt’s gleich 50 % Honorar vom Verlagserlös.
Gebongt?
Vitolibro
Ein guter Beitrag – ich sehe das auch so.
Zwei Ergänzungen: Verlage bleiben attraktiv für alle Autoren, wenn sie ihre bisherigen Dienstleistungen auch auf die digitalen Publikationen ausweiten. Es könnte sogar ein Vorteil sein, weil die Komplexität gewachsen ist durch die Kombination von Print und digitaler Welt. Und nicht jeder Autor will oder kann das leisten.
Digital first haben Fachverlage schon seit über zehn Jahren betrieben. Das Loseblattwerk wurde z.B. schon früh ersetzt durch CDs, DVDs und dann die Datenbanken und Applikationen. Es lohnt ein Blick auf die Erfahrungen dort.
Also zumindest was Cover und Lektorate betrifft, finden sich jetzt schon in Deutschland genug gute Dienstleister / Innen. Das Problem besteht eher darin dass viele selbstpublizierende Autoren (noch) nicht recht zu wissen scheinen, wo sie diese Dienstleister finden können. Den Verband freier Lektoren zum Beispiel findet man hier: http://www.vfll.de/
Gute Cover findet man bei mir, oder bei Kollegen. Und wie wäre es einmal damit sich an Kunsthochschulen umzuhören? Da gibt es genug Studenten die etwas von gestaltung verstehen und auch nichts gegen ein wenig Taschengeld einzuwenden hätten.
Sehr gute Darstellung der Entwicklung. Als ich das Thema vor einem Dreivierteljahr angeschnitten habe, rauschte es bereits gewaltig in der Autorenszene: http://www.ehlingmedia.com/blog/?p=864
Leider ist seitens der Verlage praktisch keine Bereitschaft vorhanden, den Umgang mit Autoren auch nur im Ansatz zu diskutieren.