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One size fits all ist nicht mehr zeitgemäß

Personalisierung und Content sind nach Einschätzung von Yahoo-Deutschland-Chef Terry von Bibra (Foto) die Schlüssel, um im digitalen Medien-Geschäft Erfolg zu haben. Im Interview mit buchreport.de erklärt der gebürtige US-Amerikaner, warum Medienmarken statt Mediengattungen künftig im Vordergrund stehen, und beschreibt die Zukunft im mobilen Internet, in dem Medien zunehmend parallel genutzt würden.

Der Geschäftsführer bei Yahoo Deutschland ist Referent beim 2. Top-Management Forum „Management der Medienkonvergenz – Strategie, Innovation und Change im Unternehmen“, das die Akademie des Deutschen Buchhandels in Kooperation mit Malik Management am Donnerstag, 24. Februar, veranstaltet. Unter den Referenten ist neben von Bibra und Management-Guru Fredmund Malik auch Alexander Bob und Urban Meister, Geschäftsführer im Gräfe und Unzer Verlag.

Zwei Begriffe haben im vergangenen Jahr die Internetwelt elektrisiert: das mobile Web und die Cloud. Was bewegt Sie?
Mein Herz schlägt im Web ganz besonders für die Themen Personalisierung und Content. Der Großteil der heutigen Internetnutzer bewegt sich immer aktiver im Netz und hat immer genauere Vorstellungen, wie seine bevorzugten Services und Produkte aussehen sollen. Der Großteil der Yahoo-Services, allen voran die Yahoo Homepage, Yahoo Pulse & Yahoo Mail, sind bereits seit Langem offen und bieten weitereichende Personalisierungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt durch die Integration von Services und Inhalten von Partnern wie Facebook, Twitter, AOL, GoogleMail, Zynga oder auch lokaler Verlage wie sueddeutsche.de, Bunte oder Cosmopolitan auf unseren Seiten. Content is King: Gute, qualitativ hochwertige Inhalte – egal ob im TV, in Print oder eben im Internet – ist das, was Konsumenten wollen. Relevanz für jeden einzelnen Nutzer ist das Schlüsselwort – egal ob bei Head- oder bei Tail-Content.

Der Vertrieb von digitalen Inhalten wurde bislang vorwiegend von Technologiefirmen gesteuert. Bei Apple und Google scheint die Devise zu sein: Wer das Betriebssystem (iOS, Android) oder die Vertriebsplattform (App Store, iBookstore) hat, kontrolliert die Inhalte bzw. den Inhalte-Zugang. Wie können Verlage als Inhalte-Urheber ihren Einfluss verstärken?  
Partnerschaften sind der Schlüssel zum Erfolg: Indem sich Verlage und Inhalteanbieter mit Unternehmen zusammentun, die in ihrem jeweiligen Gebiet Experten sind. Verlage haben sich über Jahrzehnte Know-how und Expertise im Bereich Content aufgebaut, das sind ganz besondere Assets, auf die sie stolz sein können. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die klassischen Verlage auch Experten in der digitalen Welt sind. Wenn sie auf intelligente Partnerschaften setzen, und sich auf die neue digitale Welt einlassen, bereit sind, sich weiterzuentwickeln, und sich auch von alten Geschäftsmodellen zu verabschieden, können Verlage auch im Netz erfolgreich sein.

„Das Internet ist kein Konkurrenzmedium“

Viele Verlage haben offenbar Angst vor dem Netz.
Klar sein muss, dass das Internet kein Konkurrenzmedium ist, sondern nur eine weitere Plattform. Wichtig ist auch, und man muss es immer wieder unterstreichen, dass Medienmarken im Vordergrund stehen und nicht, wie früher üblich, Mediengattungen. Eine noch intensivere Verschmelzung der traditionellen Medien mit dem Internet wird unausweichlich, denn nur so können sie ihren Adressaten das bieten, was sie sich wünschen – und das eben auch im Rahmen der „gelernten“ Bedingungen: hochwertige Inhalte, für den Nutzer kostenfrei und durch intelligente Werbung refinanziert. Deshalb wird die Verlagsbranche noch weitere Umbrüche erleben und muss akzeptieren, dass sich das Stück vom großen Kuchen etwas verkleinern wird bzw. ja schon längst verkleinert hat. In Kooperationen zwischen „alten“ Medien und Internetunternehmen liegt auch die Chance, vom technologischen Know-how des Partners, also von der Web-Expertise der Online-Player zu profitieren und gemeinsam neue Erlösmodelle zu entwickeln. Livestand, unsere neue skalierbare Publishing-Plattform, ist nur ein Beispiel für einen neuen Distributionskanal, der Publishern die Möglichkeit bietet, breit gefächerte Zielgruppen mit personalisierten Inhalten zu erreichen, damit ihre eigene Reichweite weiter zu vergrößern und eben an diesen neuen Erlöswegen zu partizipieren.
 
Das Thema Personalisierung von Informationen ist allerdings angesichts von RSS-Feeds nicht neu. Wo sehen Sie neue Ansatzpunkte?
Livestand und RSS-Feeds zu vergleichen ist in etwa so wie ihr erstes Mobiltelefon mit einem heutigen Smartphone wie dem iPhone. Livestand ist ein völlig neuartiges Erlebnis. Ein digitaler Kiosk, der es Nutzern ermöglicht, ihre favorisierten Inhalte auf Basis ihrer persönlichen Vorlieben und Interessen zu konsumieren. Das bedeutet in der Praxis ganz konkret, dass jeder Nutzer sich hier seine individuelle Content-Biobliothek aus einer Vielzahl an kontinuierlich wechselnden Inhalten wählen kann und diese auf Basis von Interessen, der Tageszeit und des Standorts des jeweiligen Nutzers personalisiert werden. „One size fits all“ ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
Wir haben mit „CORE“ (Content Optimization Relevanz Engine) schon vor einigen Jahren eine Technologie entwickelt, die es uns bereits heute ermöglicht, unseren Usern auf der Yahoo Homepage die Themen und Geschichten zu präsentieren, an denen sie persönlich am meisten interessiert sind. Auf diese Weise konnten wir alleine in Deutschland die Klickraten innerhalb von zwölf Monaten um mehr als 300 Prozent steigern und einmal mehr beweisen, dass die persönliche Relevanz sowohl beim Thema Inhalte als auch beim Thema Werbung für den Nutzer eine enorm große Rolle spielt. Weltweit liefern wir für seine mehr als 630 Millionen Yahoo-Nutzer alle fünf Minuten 45.000 verschiedene Versionen unserer Startseite aus, also mehr als 13 Millionen Versionen jeden Tag. Das ist Personalisierung. das ist es, was Nutzer wollen und erwarten und das  ist es, was das Web ausmacht.

Facebook & Co. als Informationskanäle

Legt das rasante Wachstum von Facebook und Twitter nicht nah, dass der Zugang zu Informationen künftig primär über soziale Netzwerke, also Empfehlungen erfolgt, statt über zentrale digitale Kioske oder Einzel-Apps?
Facebook und Twitter sind aber vor allem weitere Kanäle, über die sich Content verbreitet. Dennoch führen die Links ja immer wieder zurück zu den Seiten, auf denen der Content gehostet wird. Sowohl mit Facebook als auch mit Twitter haben wir im vergangenen Jahr Partnerschaften geschlossen, die unsere Position als personalisierbares soziales Portal stärken. Durch die Integration dieser vielgenutzten Services ermöglichen wir unseren Nutzern, ihr Engagement in verschiedenen sozialen Online-Netzwerken an einem zentralen Ort zu bündeln.

Wie knacken Sie die Dominanz von Facebook?
Als digitales globales Medienunternehmen ist Yahoo seit mehr als 16 Jahren darauf fokussiert, seinen Nutzern hochwertigen personalisierten Content zur Verfügung zu stellen. Wir bieten maßgeschneiderte Lösungen für jedes Marketingziel und ermöglichen es Werbekunden, den richtigen Konsumenten zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Botschaft zu erreichen.
 
Und doch scheinen Mobile Media und Mobile Marketing noch keine einträglichen Geschäfte zu sein – trotz der großen Zahl der iPhone-, iPad- & Co-Nutzer. Woran liegt’s?
Die Integration eines neuen Werbemediums bedingt den Umbau etablierter Prozesse und den Wissensaufbau auf Kunden- und Agenturseite. Dass hier noch viel Aufklärungsarbeit und Wissenstransfer notwendig ist, erleben wir als Vermarkter jeden Tag. Eine Hemmschwelle war das Fehlen einer einheitlichen Reichweitenmessung, die ja nun glücklicherweise seit Herbst letzten Jahres nicht mehr existiert. Grundsätzlich gilt es für Werbetreibende aber immer, sich dort aufzuhalten, wo es ihre anvisierten Zielgruppen tun – und das wird fraglos immer mehr im mobilen Internet der Fall sein. Der Wachstumstrend ist ungebrochen.

„Wir nutzen Medien zunehmend parallel“

Wie sieht der Alltag eines Nutzers im mobilen Web in drei Jahren aus? Wie ist Ihre Vision?
Das Internet jederzeit und überall zu nutzen, ist für viele User inzwischen fester Bestandteil ihres Alltags. Laut der ARD/ZDF Langzeitstudie zur Massenkommunikation aus dem vergangenen Jahr können sich heute schon 70 Prozent der 14- bis 29-Jährigen ein Leben ohne das Web gar nicht mehr vorstellen und würden, müssten sie sich für ein Medium entscheiden, ganz klar das Web wählen – mehr als abgeschlagen Fernsehen mit 16, Hörfunk mit neun und die Tageszeitung mit nur noch einem kläglichen Prozent.
Ein Blick in die Wohnzimmer verrät uns schon heute, dass wir Medien zunehmend parallel nutzen. Wir sehen fern und gleichzeitig surfen wir per Laptop oder iPhone im Web oder blättern in einer Zeitschrift. Die Medienzeit, die wir haben, mündet mehr und mehr in eine Parallelnutzung und so ist es nicht verwunderlich, wenn die Medien und Geräte miteinander verschmelzen und wir auch auf dem Fernseher im Web surfen und auf dem Tablet Zeitung lesen. Um diesem Nutzungsverhalten Rechnung zu tragen, hat Yahoo Connected TV entwickelt. Mit einer stetig ansteigenden Zahl von TV-Widgets haben Nutzer die Möglichkeit, schnell und komfortabel mit verschiedensten Web-Inhalten zu interagieren: u.a. Lieblingsvideos auf YouTube oder Fotos auf Flickr anzuschauen, die aktuellsten Nachrichten auf Sky News und Bild Online zu verfolgen oder auf Ebay einzukaufen. Dank einer Vielzahl namhafter Kooperationspartner wie Samsung (auch im mobilen Bereich) oder Sony ist Yahoo Connected TV mittlerweile weltweit in 130 Ländern verfügbar. Was heute noch eher als Lösung für Computer-Freaks und Early Adopter anmutet, wird in wenigen Jahren fester Bestandteil unseres Alltags sein.

Das Gros Ihrer Erlöse erwirtschaften Sie weiterhin durch Online-Werbung. Wie positionieren Sie sich künftig auf mehreren Standbeinen?  
Wir setzen seit jeher erfolgreich auf Werbung als Business-Modell und werden das auch in Zukunft tun. Ob Performance- oder Branding – Yahoo bietet maßgeschneiderte Lösungen für jedes Marketingziel – und das über alle Geräte hinweg.

Die Fragen stellte Daniel Lenz

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