Was sich in den vergangenen Wochen deutlich abgezeichnet hatte, wird nun bestätigt: Amazon startet ein deutschsprachiges Kindle-Programm (hier der Shop). buchreport.de stellt die Offensive des Onliners vor, analysiert die Wettbewerbsituation, blickt zurück auf die Kindle-Geschichte und spricht mit Amazon-Chef Ralf Kleber über „das Wichtigste, das amazon.de je gemacht hat“.
Während der Kunden bis dato nur mit seinem in den USA gekauften Kindle-Gerät oder den Apps für iPad & Co. auf englischsprachige Titel zugreifen konnte, steht seit heute auch ein Sortiment deutschsprachiger Titel zur Verfügung. Die Fakten zum deutschen Kindle-Start:
- Der deutsche Shop umfasst 650.000 Titel, darunter rund 25.000 deutschsprachige Bücher von Autoren wie Arno Geiger, Kerstin Gier und Charlotte Link – 71 der Top-100 SPIEGEL-Bestseller seien als Kindle-Ausgaben verfügbar – und Tausende Klassiker, u.a. aus dem Projekt Gutenberg. Insgesamt ist dies laut Amazon „die größte Auswahl an E-Books in ganz Deutschland“.
- Außerdem gab Amazon bekannt, dass nun auch das „Kindle Direct Publishing Programm“ für Deutschland, Österreich sowie weltweit rund 100 weitere Länder geöffnet wird. Somit können Verlage und Autoren ab sofort ihre Werke als Kindle-Books über die Amazon-Plattform publizieren. Bisher war das Angebot nur in den USA, Großbritannien, und Kanada verfügbar.
- Anders als in den USA können die Nutzer ihre E-Books zumindest zum Start nicht an andere Nutzer verleihen – offenbar blockieren deutsche Verlage dies.
- Weiterer Unterschied: Zum Start umfasst das Angebot keine Blog-Abos.
- Unter den Tageszeitungen und Zeitschriften sind „FAZ“, „Handelsblatt“ und „Zeit“; die Abonnements werden automatisch drahtlos auf den Kindle geladen und starten mit einem kostenlosen 14-tägigen Probe-Abonnement.
- Die gekauften Bücher werden mit den Notizen oder Anmerkungen des Nutzers automatisch in einer Kindle-Bibliothek auf amazon.de gespeichert und können drahtlos wieder auf den Kindle geladen werden.
- Auf der Hardware-Seite bietet Amazon jetzt auch von Deutschland aus das Kindle-Lesegerät für 139 Euro (WiFi) bzw. 189 Euro (mit Mobilfunkverbindung) an, allerdings ohne deutschsprachige Benutzerführung – die soll erst bei kommenden Gerätegenerationen folgen. Auffällig: Amazon hat die US-Preise eins zu eins in Euro umgewandelt, ähnlich wie Apple dies praktiziert.
- Für den Download per Mobilfunkverbindung (mit dem 3G-Gerät) fallen keine zusätzlichen Kosten an. Amazon kooperiert nach eigenen Angaben mit mehreren Mobilfunk-Anbietern.
- Für andere Plattformen (iPad, iPhone, iPod touch, PC, Mac, Android-Geräte) bietet Amazon kostenlose eingedeutsche Lese-Apps an.
Bekannt wurde das Programm unter anderem durch den Erfolg der Autorin Amanda Hocking, die über ihre selbst veröffentlichten Werke auf der Kindle-Plattform sowie im E-Book-Store von Barnes & Noble zur Millionärin wurde. Amazon behält 30% der Erlöse ein, 70% gehen an den Urheber. Auch wenn das Programm für Verlage geöffnet ist: Der Fokus scheint auf der direkten Autoren-Akquise zu liegen – was für den Onliner den Vorteil hat, Provisions-Verhandlungen mit den Verlagen zu umschiffen.
Dass Amazon in Kürze mit einem eingedeutschen Kindle-Programm an den Start gehen würde, war spätestens seit der Leipziger Buchmesse klar. Dort wunderten sich viele Verleger über die Zahl der Amazon-Manager, die ihre Titel-Akquise forcierten. Der Start sei eine Frage von Wochen, war in Leipzig zu hören.
Auch im Vorfeld der Messe gab es eindeutige Signale, dass Amazon über drei Jahre nach dem Start des E-Book-Programms in den USA auch in Deutschland aktiv wird:
- Die Deutschland-Zentrale in München hatte zwar bereits im Winter 2009/10 begonnen, deutsche Verlage für das Kindle-Programm zu akquirieren, doch seit dem Spätherbst 2010 forcierte Amazon den Dialog mit den Verlagen, indem mehrere „Vendor Manager“ eingestellt wurden. Mehrere große Verlage wie Random House unterzeichneten im Herbst die Verträge.
- Hintergrund: In der Hängepartie rund um die voluminösen Verträge hatte sich Amazon schon vor Monaten auf die Verlage zubewegt und Verträge auf Basis des von Apple zunächst in den USA und später auch in Großbritannien hoffähig gemachten Agency-Modells angeboten, bei dem der Verlag den Verkaufspreis bestimmt.
- Auch bei den Konditionen lehnte sich Amazon offenbar an Apple an, denn die Kindle-Mutter behält inzwischen nach buchreport-Informationen ebenfalls 30% rund an Kindle-Tantiemen ein.
- Im Februar 2011 luden Random House und andere Verlage einen Teil ihrer Titel in den internationalen Kindle-Shop (Dienstleister der deutschen Verlage ist die Bertelsmann-Tochter Arvato Systems) – der Aufwand, diese Titel auch für deutsche Kunden freizuschalten, dürfte gering gewesen sein.
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