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Jede Art von Marktmacht ist gefährlich

Der Start des deutschen Kindle-Programms sorgt bei den Verlagen für gemischte Gefühle. Einerseits steigen die Verkaufschancen für digitalisierte Bücher erheblich, andererseits droht eine massive Konkurrenz durch das von Amazon aufgelegte Self-Publishing-Programm. Stimmen aus einer buchreport-Umfrage von Jan Weitendorf (Oetinger), Rita Bollig (Bastei Entertainment), Ralf Tornow (Rowohlt) und Ehrhardt F. Heinold (Heinold, Spiller & Partner).

Jan Weitendorf, Geschäftsführer bei Oetinger

Was wird sich durch das neue Amazon-Angebot in Deutschland auf dem E-Book-Markt ändern?
Amazon ist im Ursprung ein amerikanisches Unternehmen, das die Entwicklungen in den USA als erster Big-Player auf den europäischen Markt zu übertragen sucht. Die Grundhaltung in Europa ist traditioneller.  Bücher nehmen einen anderen Rahmen ein, der durch technische Neuentwicklungen nicht so schnell verrückt wird wie in den USA.  Erst die Milieu-Veränderung (siehe Sinus) wird zu anderen Nutzungsgewohnheiten führen – und das braucht Zeit. Wir sehen dem Angebot positiv entgegen, da es zunächst neue Kundensegmente für unsere Bücher erschließen wird, die sich anschließend auch für die haptische Ausgabe entscheiden könnten.

Mit „Kindle Direct Publishing“ forciert Amazon das Self-Publishing – Autoren können ihre Titel direkt über den Kindle-Shop veröffentlichen und bis zu 70% der Erlöse einstreichen. Ist dies eine Bedrohung für Verlage?
Das Self-Publishing ist eine Möglichkeit, die schon Portale wie „Triboox“ erfolgreich anbieten.  Diese Möglichkeit bietet vorallem Newcomern eine Möglichkeit, sich zu empfehlen.  In den USA gibt es sehr wenige Autoren, die es dadurch zu einer großen Verbreitung gebracht haben.  Wir bieten als Verlagsgruppe mehr als nur die haptische Ausgabe.  Gerade das Angebot in Form von Welten, die wir im Handel durch Zusatzprodukte wie Aufsteller, Poster, Plakate, Merchandising, Audio und vieles mehr bieten und das immer ausgefeiltere Endkundenmarketing, in Kooperation mit anderen Verkaufsstellen, generiert Kontakte, die über das Internet alleine nicht erreicht werden.  Das heutige Nutzungsverhalten zeigt immer mehr, dass das Internet auch in Zukunft einen begrenzten Stellenwert im Freizeitverhalten einnehmen wird und vieles über Empfehlungen (siehe Twitter oder Facebook) läuft. Wir begleiten Amazon in Bezug auf die jüngst gegründeten eigenen Verlage und Self-Publishing Aktivitäten mit großer Skepsis.  Jede Art von „Marktmacht“ ist für ein Familienunternehmen unserer Art gefährlich – aus diesem Grund würden wir sinnvolle Alternativen im Sinne des polypolen Marktes begrüßen.

Rita Bollig, Leitung Bastei Entertainment

Was wird sich durch das neue Amazon-Angebot in Deutschland auf dem E-Book-Markt ändern?
Amazon ist natürlich eine Marke mit einem großen Kundenstamm und mittlerweile kennen auch in Deutschland viele Leser den Kindle, daher wird der Kindle-Store den Abverkauf von E-Books beflügeln. Der Massenmarkt rückt damit ein Stückchen näher. Eine Konzentration bei den Shops ist zurzeit noch nicht zu beobachten, da an die diversen Shops z.T. unterschiedliche Lesegeräte angebunden sind. Die Weichen, die Auswirkungen für den Buchhandel haben, wurden schon gestellt als bisher buchferne Vertriebspartner wie Apple, Page Place oder Media Markt den Verkauf von E-Books übernommen haben.

Mit „Kindle Direct Publishing“ forciert Amazon das Self-Publishing – Autoren können ihre Titel direkt über den Kindle-Shop veröffentlichen und bis zu 70% der Erlöse einstreichen. Ist dies eine Bedrohung für Verlage?
Wir sehen das „Kindle Direct Publishing“ nicht als Bedrohung an – die Verlage stehen für ein Qualitätsmanagement, das Amazon nicht leisten kann. Außerdem ist Amazon, trotz seiner Marktmacht, ein Vertriebsweg unter vielen, d.h. ein großer Teil einer potenziellen Zielgruppe wird nicht erreicht. Die Veröffentlichung in einem Verlag ist ein Gütesiegel, das Amazon nicht vergeben kann.

Ralf Tornow, Leiter Digitalbuch bei Rowohlt

Was wird sich durch das neue Amazon-Angebot in Deutschland auf dem E-Book-Markt ändern?
Mit dem Markteintritt von Amazon in den deutschen E-Book-Markt rückt zum einen der „Massenmarkt“ natürlich näher, zum anderen ist anzunehmen, dass es neben der Markterweiterung auch zu einer drastischen Marktanteilsverschiebung kommen wird. Ob Amazon eine ähnlich dominante Stellung wie in den USA einnehmen wird, kann man z.Zt. nicht seriös prognostizieren, eine mittelfristige Marktführerschaft jedoch recht sicher annehmen.

Mit „Kindle Direct Publishing“ forciert Amazon das Self-Publishing – Autoren können ihre Titel direkt über den Kindle-Shop veröffentlichen und bis zu 70% der Erlöse einstreichen. Ist dies eine Bedrohung für Verlage?
Wir beobachten diese Entwicklung sehr aufmerksam. Sie bietet für Autoren Chancen, aber auch Risiken. Die wenigen z.Zt. in den Medien immer wieder genannten Beispiele für nennenswerte Bestsellererfolge dieses Geschäftsmodells in den USA haben eines gemeinsam: extrem engagierte Autoren, die große Teile ihrer Zeit investieren, um insbesondere über Social Media-Kanäle ihre Bücher zu promoten, und Dumpingpreise, die in etwa dem Niveau von Heftchenromanen in Deutschland entsprechen. Auch im Print gab es in der Vergangenheit immer wieder einmal große Bestsellererfolge von Autoren, die im Selbstverlag Bücher verlegten. Wenn der marktführende Internetbuchhändler solche Publikationsformen fördert, ist dies eine ernstzunehmende Entwicklung. Unser Selbstbild als Verlag ändert sich dadurch allerdings nicht. Unser Ziel bleibt es, Autoren zu entdecken, zu fördern und ihnen eine verlegerische Heimat zu bieten, mit all den qualitativ hochwertigen Betreuungsmöglichkeiten, die das genannte Geschäftsmodell nicht bieten kann.

Ehrhardt F. Heinold, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Heinold, Spiller & Partner

Was wird sich durch das neue Amazon-Angebot in Deutschland auf dem E-Book-Markt ändern?
Eines steht fest: Das weltweit erfolgreichste E-Book-Vermarktungskonzept ist jetzt auch in Deutschland verfügbar. Sicher, im Unterschied zu den USA haben wir ein dichtes Buchhandelsnetz, es gibt die Preisbindung und die E-Reader sind nicht verbreitet. Aber zumindest die ersten beiden Argumente gelten auch für den Internetbuchhandel, der sich trotzdem in Deutschland mehr und mehr durchsetzt. Und am dritten Unterschied wird Amazon massiv arbeiten. Nach meiner Einschätzung beginnt das Spiel erst jetzt, da ich nun im E-Book-Markt eine Bestell-Nutzungs-Kette habe wie bei den Apps, bei denen Download-Plattform und Gerät ja eine unzertrennliche Einheit bilden.

Mit „Kindle Direct Publishing“ forciert Amazon das Self-Publishing – Autoren können ihre Titel direkt über den Kindle-Shop veröffentlichen und bis zu 70% der Erlöse einstreichen. Ist dies eine Bedrohung für Verlage?
Das Unternehmen  bietet zum einen das normale Self Publishing für Hobbyautoren an. Und es lizenziert immer mehr bereits erfolgreiche Bücher für Übersetzungen. Beides wird dazu führen, dass dieses Publishingmodell den „Igitt“- und Low-Budget-Charakter verlieren wird. Ich kenne einige Profiautoren, die für bestimmte Titel nach alternativen Vermarktungswegen suchen. Von den Hobbyautoren ganz zu schweigen. Amazon hat hier einfach Vorteile gegenüber anderen Anbietern: Fast jeder kennt Amazon, ist schon Kunde, hat deshalb Vertrauen, und weiß vor allem, dass auch seine potenziellen Leser schon Kunden sind. Mithin: E-Books und Self-Publishing scheinen wirklich ein perfektes Paar zu bilden. Verlage versuchen, hier selbst ein Angebot aufzustellen, wie vor allem die Holtzbrinck-Aktivitäten mit epubli.de und neobooks zeigen. Mir scheint jedoch, dass die Verlage die Dimensionen des Themas Self Publishing erst langsam verstehen. Ich denke, es wird ein zweifaches Modell geben: Eigenpublizierte E-Books werden zunehmen. Dadurch entsteht ein neuer Lizenzmarkt: Verlage werden beobachten, wer sich hier durchsetzt und dann die Titel lizenzieren. Das wird ja schon erfolgreich praktiziert – siehe Amanda Hockings Vertrag mit der St. Martin’s Press.

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