In Facebook oder Google sehen Bibliothekare in Deutschland keine Gefahr, wohl aber im derzeitigen Urheberrecht. Eine Reform des Urheberrechts ist nach Ansicht der Bibliothekare dringend notwendig.
Dies ist ein Ergebnis vom 101. Bibliothekstag in Hamburg, auf dem noch bis Freitag, 25. Mai, aktuelle Herausforderungen und Lösungen für das digitale Zeitalter diskutiert werden. Veranstaltet wird der Tag vom Berufsverband Information Bibliothek (BIB) und vom Verein Deutscher Bibliothekare (VDB).
Bibliothekare haben Facebook und Google zu schätzen gelernt
In den kommenden Jahren wird das physische Ausleihen von Medien immer weniger werden und zu einer generellen Neuausrichtung der Öffentlichen Bibliotheken führen, prophezeien die Verbände. „Kommunikation und Information werden zunehmend enträumlicht, die permanente Verfügbarkeit von Apps ersetzt scheinbar die Organisation des Wissens, wie sie in Bibliotheken praktiziert wird. Wir müssen dieser Entwicklung offen begegnen“, erklärte die BIB-Vorsitzende Kirsten Marschall in Hamburg.
Die Bibliothekare diskutierten nicht mehr, ob sie Social-Media-Plattformen und Apps wirklich brauchen, sondern allein wie sie sinnvoll und effizient einsetzen werden können. „Google und Facebook sind für uns keine Konkurrenten, sondern wichtige Werkzeuge für das tägliche Geschäft“, so Marschall weiter.
Langfristiges Ziel sei es, eine virtuelle Bibliothek zu schaffen, so dass jeder Nutzer mit Internetanschluss auf die Inhalte zugreifen kann. Klar sei es aber auch, dass es bei aller Digitalisierung immer den physischen Ort „Bibliothek“ geben werde. „Der verändert sich zwar rasant, aber wird immer benötigt, um dort Medien zu nutzen, sich beraten und schulen zu lassen, aktuelle Themen in Datenbanken zu recherchieren oder einfach nur zu arbeiten oder in Zeitschriften und Büchern zu blättern.“
Reform des Urheberrechts „dringend notwendig“
Eine Gefahr hingegen sehen die Bibliothekare im aktuellen Urheberrecht. Zwar bekenne man sich ausdrücklich zum Schutz der von Urhebern geschaffenen Werke. Aber: Der stetig wachsenden digitalen Verbreitung von Inhalten werde das bestehende Urheberrecht nicht mehr gerecht.
Beim Urheberrecht sei in den letzten Jahren immer weniger Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen worden. „So ist zum Beispiel völlig unzureichend geregelt, unter welchen Bedingungen ein Buch oder eine Zeitschrift von einer Bibliothek digitalisiert werden darf“, kritisierte der VDB-Voersitzende Klaus-Rainer Brintzinger im Hamburg.
Ein Dorn im Auge ist den Bibliotheken vor allem das Urheberrecht im Wissenschaftsbereich: „Rechtliche Restriktionen behindern den notwendigen Austausch der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung immer mehr“, so Brintzinger. Die Bibliothekare fordern deshalb ein eigenes Wissenschaftsurheberrecht und folgende Änderungen:
- Recht zur Zweitverwertung: Wissenschaftliche Urheber sollten das Recht erhalten, ihr Werk nach einer angemessenen Frist formatgleich auf einer Open Access-Plattform erneut zu publizieren. Nur so könnten Bibliotheken die wichtige wissenschaftliche Aufgabe übernehmen, elektronische Publikationen von Wissenschaftlern zu archivieren, zugänglich zu machen und die Verfügbarkeit für die Zukunft zu sichern.
- Verwaiste Werke digitalisieren: Der Gesetzgeber sollte pragmatische Lösungen finden, die es Bibliotheken erlauben, auch verwaiste oder vergriffene Werke zu digitalisieren.
- Ausweitung von § 52b UrhG: Bibliotheken sollten digitalisierte Bücher nicht nur in den Räumen der Bibliothek, sondern in der gesamten Bildungseinrichtung zur Verfügung stellen dürfen. Zudem sollte klargestellt werden, dass die erstellten Digitalisate in dem gleichen, klar begrenzten Umfang ausgedruckt und gespeichert werden dürfen, wie deren gedruckten Vorlagen.
- Ausweitung von § 52a UrhG: Forscher sollten das Recht erhalten, Texte möglichst frei auszutauschen, weshalb Paragraph § 52a im Urheberrechtsgesetz entfristet und „im Sinne von Wissenschaft, Forschung und Unterricht“ erweitert werden sollte. Werde das Gesetz nicht bis zur Sommerpause in den Bundestag eingebracht, müssen am 1. Januar 2013 die meisten E-Learning-Module in Bibliotheken abgeschaltet werden.
Die Wissenschaftsverlage kritisieren § 52a des UrhG seit seiner Einführung 2003: Der Paragraph gilt als wesentliche Ursache für Umsatzeinbrüche im Lehrbuchgeschäft. Börsenverein und Verleger fordern deshalb, den umstrittenen Paragraphen abzuschaffen bzw. nicht zu verlängern (hier mehr).
Hier das Video der Veranstalter zur Eröffnung des 101. Bibliothekartags:
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