In der digitalen Revolution beherrschen aktuell die neuen Player den Markt. Der Abstieg der traditionellen Medienhäuser werde langsam, aber auch unaufhaltsam sein, warnt Lucy Küng. Im buchreport-Blog erklärt die frühere Random House-UK-Strategin und heutige Medien-Professorin, was herkömmliche Organisationen tun müssen, um nicht „Ex-Marktführer“ zu werden.
Küng hält im Rahmen des St. Gallen International Publishing Management Course einen Vortrag zum Thema Innovation, Kreativität und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in den Medien. Der Kurs (1. Modul: 2.-6. September 2013 in St.Gallen, 2. Modul: 6.-11. Oktober 2013 auf der Frankfurter Buchmesse) wurde vom MCM Institut der Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit der Frankfurt Academy entwickelt und vermittelt Expertenwissen, um Verlage und Medienunternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Hier weitere Infos.
Hier der Text von Lucy Küng:
Es wird leicht übersehen, dass die digitale Revolution tatsächlich eine massive Wachstumschance darstellt. Genau wie alle neuen Medienplattformen zuvor hat auch das Internet neue Märkte, neue Sparten und neue Produkte geschaffen. Das Problem besteht darin, dass dieses Wachstum derzeit von neuen Playern vereinnahmt wird. Der Großteil der herkömmlichen Medien wird nach diesem Übergang wahrscheinlich nicht über die gleiche Marktposition verfügen, die sie zuvor eingenommen haben. Dabei befinden sie sich in bester Gesellschaft – der Mehrzahl der Marktführer gelingt es nicht, Technologieübergänge als solche zu überstehen. Sony war ein Synonym für tragbare Musik, bis der MP3-Player auftauchte. Nokia hat den Übergang zum Smartphone verpasst. Der Grund dafür liegt darin, dass die Systeme und Prozesse, die führenden Unternehmen dabei helfen, die „alten“ Märkte zu beherrschen, ironischerweise deren Fähigkeit zum Umdenken und innovativen Handeln blockieren können, wenn der Markt sich verschiebt. Je erfolgreicher das Unternehmen ist, umso höher sind aller Wahrscheinlichkeit nach diese Hürden. In diesem Sinne hat der Darwinismus recht – das Beherrschen eines gegenwärtigen Umfelds ist keine Garantie dafür, auch die Umfelder in Zukunft zu beherrschen, – tatsächlich ist sogar das Gegenteil der Fall. Auf den aufstrebenden digitalen Medienmärkten überleben nicht die Stärksten, sondern die Anpassungsfähigsten. Der Abstieg wird langsam, aber auch unaufhaltsam sein. Was können herkömmliche Organisationen also tun, um zu verhindern, zu „Ex-Marktführern“ zu werden?
1. Die erste Regel in Bezug auf die Organisation lautet „Unbarmherzig mit dem Alten sein, innovativ mit dem Neuen umgehen und so weit wie möglich entrümpeln.“ Was bedeutet das? Nun, was die Unbarmherzigkeit mit dem Alten betrifft, war es einer der größten Fehler der Zeitungen, viel zu lange weiter in den Status quo zu investieren. Zu einer Zeit, in der sie beweglich und innovativ hätten sein müssen, wurden sie durch Investitionen in traditionelle Posten aller Art ausgebremst – von Geschäftsgebäuden und Produktionssytemen über „Balanced Scorecards“ bis hin zu Leistungskennzahlen, die sie an das alte Geschäft ketteten. Herkömmliche Medien müssen die Innovation zur strategischen Priorität Nummer eins erheben. Die Ironie dabei ist, dass Verlage kreative Organisationen sind, die über kluge und motivierte Mitarbeiter verfügen, welche die Entwicklungen in der Branche mit scharfem Blick verfolgen. Der Trick besteht darin, diese unerschlossene Kreativität freizusetzen. Dazu gehört ein Paket koordinierter Veränderungen, die nicht komplex, aber schwierig sind. Sie erstrecken sich von der expliziten Aufforderung zu mehr Innovation und dem intelligenten Umgang mit neuen Ideen (einschließlich konkreten Feedbacks dazu, was bei einer „schlechten“ neuen Idee nicht stimmt) bis hin zu einer veränderten Sichtweise der Organisation darauf, was „Scheitern“ bedeutet (eine Gelegenheit zum Lernen) – mit einer Vielzahl kleiner struktureller Änderungen dazwischen.
2. Als Nächstes müssen Verlage die Technologie zu einer ihrer Kernkompetenzen machen. Die Medienindustrie neigt dazu, die Technologie als Dienstleistungsfunktion zu betrachten, und das muss sich ändern. Technologiebewusstsein und -fähigkeiten müssen die gesamte Organisation durchdringen. Sie dürfen nicht länger als Teil der „Klempnerarbeit“ gelten, sondern müssen die essenzielle Grundlage für Kreativität und Wertschöpfung bilden. Das Ziel, sich digitales Talent zu sichern, erfordert viel Kopfarbeit, und Verlage müssen sicherstellen, dass sie über die nötigen „Rohrleitungen“ verfügen.
3. Zuletzt sollten Sie die „digital disrupters“ im Auge behalten. GAFAT (Google, Amazon, Facebook, Apple und Twitter) verändern gemeinsam das mediale Ökosystem. Sie sind schwer zu analysieren, weil sie auf so vielen Sektoren zugleich tätig sind, haben aber die Macht und den Einfluss der traditionellen Medien erheblich geschwächt – und dieser Prozess wird sich weiter fortsetzen. Besonders schnell verändert sich Amazon mit seiner Expansion an beiden Enden der Wertschöpfungskette. Das Unternehmen verfügt über eine außerordentliche Datenfülle zu Konsumentenbedürfnissen und -wünschen, die klassische Medien-Organisationen das Fürchten lehren sollten: Algorithmen ersetzen die herkömmlichen Fokusgruppen. Investieren Sie Zeit in Brainstorming darüber, welche Auswirkungen GAFAT möglicherweise auf Ihr Unternehmen hat oder in den kommenden Monaten haben könnte, und identifizieren Sie mögliche Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden müssen.
Lucy Küng ist Professorin für Medienmanagement und -ökonomie an der Universität von Jönköping, Schweden sowie Visiting Fellow am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford. Sie ist beigeordnetes Fakultätsmitglied der Universität von St.Gallen. Lucy Küng ist eine Spezialisting für strategische Antworten auf technologische Innovationen, Kreativität und Mitarbeiterführung und pendelt zwischen der Schweiz, Schweden und Großbritannien. Neben ihrer akademischen Tätigkeit verfügt sie über umfangreiche Erfahrung im Verlagswesen und war von 1988 bis 1992 Publishing Director Non-Fiction and Business Books bei Random House UK.
Foto Copyright: ©SRG SSR / Marcel Grubenmann
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