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Warum ist Neues ein Problem, Herr Dueck?

Innovationen scheitern Ihrer Analyse nach oft, weil die sogenannten Close Minds in den Unternehmen am Alten festhalten. Wie hoch ist der Anteil der Close Minds in Verlagen? 
Überall dasselbe. Das Herz hängt seelisch an den alten Vorstellungen, handelt aber schon herzlos. Das Festhalten am Alten bei Verlagen ist das Hegen der Herzensangelegenheit, der Welt Wertvolles zu schenken, was ohne Verlag nicht hätte erblühen können. Diese Vorstellung wird aber durch die schon lange anhaltende Industrialisierung des Business glatt verraten: Outsourcing, Freelancer, Konzentration auf Bestseller, Übersetzen von Erfolgsbüchern statt Jungautorenpflege.

Wie beim Fußball Spielerkauf im Ausland statt Jugendarbeit. Der Buchhandel beginnt, statt selbst gelesener Buchempfehlungen nüchtern-mechanisch die Bestseller der SPIEGEL-Liste hinzustellen. Damit ist er auch nicht mehr Menschenkümmerer für das Wertvolle. Immerhin rettet diese Industrialisierung noch lange vor dem ganz großen Umbruch. Man schließt aber die Augen vor diesem Verrat und tut so, als sei alles wie früher. 

Zahlreiche Innovationen der vergangenen Jahre sind der Buchbranche von außen übergestülpt worden, insbesondere von Amazon. Was ist da schiefgelaufen? 
Ich habe damals Amazon-Aktien gezeichnet, 1997, glaube ich. Man konnte beliebig viele bekommen, kein Hype. Der Kurs fiel nach der Emission. Meine Frau ist Bibliothekarin, ich habe mich also ernsthaft und ausgiebig mit solchen Fragen auseinandersetzen können. Ich war total erstaunt, dass alle lachen, erst die Buchbranche, später die Elektrohändler und auch heute noch die Lebensmittelbranche. Sie lachen alle nacheinander wie bei einer La-Ola-Welle, aber nur einmal, dann ist es rum.
Weil Papierbücher aussterben?
Die Leute werden sich an E-Book-Lesegeräte gewöhnen, Verlage werden sehen, dass die weitere Industrialisierung klar E-Books verlangt, man druckt ja nicht mehr Auflagen auf eine ungewisse Halde, kann finanziell besser kalkulieren, hat keine Remittenden-Kosten, kann jetzt einfach Farbbilder in E-Books bringen, was da nichts kostet. Ich kann lange aufzählen, dass sich die Spirale in die Zukunft nun schon von selbst nährt. Over! 
Kann die Printbuchbranche noch gegensteuern?
Gegensteuern? Neu erfinden ist angesagt, wie überall. Ich prophezeie, dass das am schnellsten und am liebevollsten beim Neuerfinden von Kinderbüchern geht, die z.B. die laut schmatzende Raupe Nimmersatt zeigen werden, die erst dann weiterfrisst, wenn das Kind richtig vorliest. 
Sie verfügen über eine große Community, könnten per Selfpublishing einen weitaus höheren Autorenanteil erzielen. Warum veröffentlichen Sie auf traditionellem Wege?
Das werde ich oft gefragt. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber wenn ein Buch von mir erscheint, poste ich das an summiert 30.000 Follower oder Abonnenten im Netz, und die halbe Auflage ist verkauft. Ich habe einen extrem großen Amazon-Anteil. Warum dann noch traditionell? Bequemlichkeit? Oder eine andere Antwort: Finanziell bringen die Bücher im Vergleich zu Redenhonoraren gar nichts. 
Also Hobby?
Nein, die Aufträge für Reden bekomme ich für seriöse Bekanntheit – na gut, ein Verlag! Andere Baustelle: Ich habe eine Vampir-Trilogie im Kopf, der erste Band ist geschrieben, er heißt „Ankhaba“, ist sehr intellektuell, aber als Action-Blut-Drama verkleidet. Ich finde keinen Verlag, der so etwas haben will. Ich hab ihn jetzt selbst bei Amazon hochgeladen, man feiert ihn dort tendenziell fünfsternig, viele erwarten leider eine Vampirschnulze und verreißen das Buch fast voller Hass. Trotzdem sind in Summe über die Jahre etwa 1800 Exemplare verkauft worden, ohne Werbung, weil ich das ja eigentlich niemandem sagen darf – ist ja mein Zweitleben.

Und ich frage mich: Wenn die Verlage doch Bücher suchen, warum bekomme ich reihenweise Absagen? Der Grund war immer: „Das ist ein ganz eigenes Buch und passt nicht in die Rubriken unseres Kataloges. Es ist weder Science Fiction noch Fantasy, noch Roman, es passt nirgends.“ Das geben mir Verlage schriftlich, aber sonst posaunen sie als Lobby, sie brauchten unbedingt die Buchpreisbindung, um auch „Besonderes zu publizieren, was unter reinem Kommerz nie erschiene“. Was soll ich tun? Drüber sterben oder online gehen? 

Der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner erklärte kürzlich in einem Interview, dass der Verlag alle wesentlichen Innovationen nur durch Zukauf erreicht habe. Ein besseres Innovationsmanagement müsse her, heißt es dann schnell von Beratern. Was raten Sie?
Innovation kann man kaufen, klar, aber auch das muss man echt gut können, wie eben Springer oder Burda. Die meisten Firmenübernahmen enden im Desaster, das weiß man sogar, ohne Dunkelziffern und Schönrednerei zu berücksichtigen. Innovationen kaufen kostet viel Geld. Innovationsmanagement geht erst einmal ohne Geld, eine MS-Excel-Lizenz reicht aus, um Ideen zu zählen und ein Portfolio zu listen.

Management kann mehr vom Gleichen machen: „Mehr Buchtitel“, „in Europa ausbreiten“. Oder kann weniger vom Gleichen machen: „dünneres Papier“, „weniger Werbung“. Das heißt Wachsen oder Sparen. Innovation hat andere Zeithorizonte und Risikobandbreiten, verlangt zuversichtlichen Mut statt immer nur Zahlendruck. Innovation ist Chefsache und keine Berater-Moderatoren-Flipchart-Trockenübung, auch wenn Coaches, Trainer oder Motivatoren jetzt alles Design-Thinking nennen, um das Erfolglose wieder ein weiteres Jahrzehnt verkaufen zu können. Klar, was ich täte?

Sie würden, wie Sie in Ihrem Buch schreiben, ein paar agile Denker um sich scharen und möglichst lange im Verborgenen und ohne detaillierten Plan im Nacken an einer Idee tüfteln. 
Ja, ein paar echte Innovatoren oder Entrepreneurs müssen das in die Hand nehmen. Nicht so wörtlich „im Verborgenen“, sondern: Nicht in Meetings. Keine Präsentationen. Keine Pläne mit Bitten um Geld oder Leute. Alle Organisations-Meetings dieser Welt sind immer quasi paritätisch besetzt, es sind vielleicht ein Drittel Innovative darin, dann aber immer auch Antagonisten, Ängstliche, um den eigenen Bereich Besorgte, Neidische, Besserwisser, Bedenkenträger etc. Das darf nicht sein.
Sie plädieren außerdem für ein Storytelling, um Innovationen einzuführen. Gute Geschichten werden im Vorfeld von Börsengängen gepredigt, im Kontext von Innovationen aber vernachlässigt?
Man muss eine erste Idee so lange drehen und wenden, bis die ersten Kunden sie echt kaufen wollen. Wenn die Kunden „Was kostet es?“ und „Wann ist es lieferbar?“ fragen, dann fängt das normale Management an. Vorher muss erst alles lange auf Resonanz geprüft werden. Macht das Neue große Freude? Bringt es Nutzen? Spart es Geld oder Nerven? Dieses Gefühlsumfeld einer Innovation muss erst ausgelotet sein. Die Emotionen der späteren Kunden schlagen doch hoch.

„Sind die Daten bei Facebook sicher?“ – „Kann mich jeder auf dem Dienstsmartphone am Wochenende anrufen?“ Da muss man reden, diskutieren, überzeugen, korrigieren, wiederkommen, immer wieder, bis das Produkt und die Story dazu wirklich passen. Man muss irgendwann die Kunden begeistern können. Das ist viel schwerer als bei Investoren. Die kaufen eine tolle Idee auf die bloße uneigennützige Empfehlung der Emissionsbank. Die Kunden wollen emotional mitgenommen werden. Begnadete Storyteller schaffen emotionale Bilder rund um das Neue, die dann als „Trigger-Meme“ zum Kauf anregen und auch vom Kunden weiterverbreitet werden.

Die Fragen stellte Daniel Lenz

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