Sehr geehrter Herr Dr. Wrabetz,
Sie haben sicher erfahren, dass Ihre Überlegung, den Wettbewerb zur Vergabe des Bachmannpreises in Klagenfurt ab dem Jahr 2014 nicht mehr durchzuführen, auf breite Ablehnung gestoßen ist. Auch wir, die Jury, machen uns stark für den Erhalt einer Veranstaltung, die seit 1977 jedes Jahr einen der Höhepunkte im gesamten deutschsprachigen Literaturleben markiert.
Der Wettbewerb bietet vor allem jüngeren Autorinnen und Autoren eine herausragende Plattform für ihre Arbeit. Seine Ausrichtung und Übertragung vermitteln den Stellenwert, den Literatur in unserer Gesellschaft hat. Daran gilt es festzuhalten. Die Diskussionen der Jury zeigen, wie vielfältig man auf Literatur reagieren kann. Es gibt in der Literatur keine einfachen Wahrheiten. Sie besteht aus Sprache, und das heißt Deutung, Auseinandersetzung und Interpretation.
Ökonomische Kalküle haben zweifelsohne ihre Berechtigung. Sie dürfen aber nicht in allen Lebensbereichen die Oberhand gewinnen. Wir verstehen nicht, dass eine so traditionsreiche Veranstaltung, die dem öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF ideal entspricht, also zu seinem „Kerngeschäft“ gehört und seit Jahrzehnten sein Renommee als Kultursender wesentlich ausmacht, von der Geschäftsführung in Frage gestellt wird. Das allein beschädigt bereits das Ansehen des Wettbewerbs und missachtet die Anstrengungen aller Mitwirkenden.
Wir würden Sie gerne zu einem Gespräch vor Ort einladen. Kommen Sie doch bitte nächste Woche nach Klagenfurt. Lassen Sie uns offen miteinander reden.
Mit freundlichen Grüßen: Die Jury des Bachmannpreises im Jahr 2013
Maike Fessmann (Foto: Bachmannpreis, ORF), Hildegard Keller, Daniela Strigl, Paul Jandl, Juri Steiner, Hubert Winkels, Burkhard Spinnen (Sprecher)
„Der Vorstand des ORF nimmt seinen Kulturauftrag nicht ernst und bestätigt einmal mehr, viel lieber Geld für Sport als für Kultur auszugeben und auf die Quote anstatt auf Qualität zu schielen. Der Einsparung des Bachmann-Preises mit 350.000 Euro stehen Ausgaben im Sportbereich von 100 Millionen gegenüber!“
Annette Knoch, Literaturverlag Droschl in Graz
„…und das so ,gesparte Geld‘ kann man dann zusätzlich in eine Show oder in eine Sportübertragung reinbuttern.“
„Ja, schafft den Bachmannpreis ab. Bravo. Was wir brauchen, sind Übertragungen von Reifentests der Formel Eins, Berichte von Fußballtrainings, mehr Koch- und Castingshows, Liveschaltungen zum Skiwachseln, Dschungelshows, Promis im Weltall, Musikantenstadel vom Mars, das ist es, was uns fehlt, wonach wir lechzen, aber doch sicher keinen Literaturlesewettbewerb, kein Juroren-beim-Denken-Zusehen, neue literarische Stimmen, Poesie? Gespräche mit Autoren? Diskussionen über Schreibstile und literarische Richtungen? Langweilig! Fad! Das ist doch alles nicht mehr zeitgemäß. Es wird Zeit, dass die neuen Medien ihren endgültigen Sieg über die Literatur auch zur Schau stellen dürfen. Darum ja, schafft den Bachmannpreis ab und verbrennt alle Bücher, sprengt Bibliotheken und streicht den Deutschunterricht. Bravo. Und die letzten unbeugsamen Leser sperrt ins Ghetto.“
„Die literarische Welt schreit auf. Warum? Es gibt immer Veränderungen. Auch die Gruppe 47 kam an ihr Ende. Man sollte nicht über den Verlust lamentieren. Ich persönlich liebe den Bachmannwettbewerb, doch man sollte einfach sehen, wo man einen neuen Wettbewerb imitieren kann, der unserer Zeit gemäß ist. Vergesst Klagenfurt. Der Verlust für Kärnten wird ungleich größer sein als der für die Literaten. In München, Leipzig (vielleicht parallel zur quirligen Buchmesse), Köln, Berlin, Frankfurt, Zürich oder sonst wo wird Neues entstehen. Auch neue engagierte Geldgeber werden sich finden. Potentielle Initiatoren sollten jetzt diese Chance nutzen!“
„Eine Schande und eine Schmach für den ORF, die Tage der deutschsprachigen Literatur einzustellen. Ein Triumph der budgetären Kleingeisterei, die sich stets zuerst an die Kultur heranmacht und dort die ,unnötige‘ Literatur abschaffen mag.“
Robert Schindel, Schriftsteller, Österreich
„Ich habe den Bachmann-Wettbewerb 1980 noch ohne und 1989 dann mit Dauerfernsehen hautnah erlebt. Für diesen medial aufgemotzten Wettbewerb kann das Wegfallen der permanenten ,Verfilmung‘ nur ein Rückgewinn von literarischer Würde, Ernsthaftigkeit und längst eingebüßter Bedeutung mit sich bringen – ja, das hoffe ich.“
„Die Wettleserei am Wörthersee ist doch das einzig Interessante, was man aus Österreich im Fernsehen anschauen kann. Beim ORF, diesem Krähwinkel-Sender, gibt’s doch sicher genug anderen Quatsch, den man des Sparens wegen kippen kann.“
„So wertlos der Wettbewerb aus literarischer Sicht ist, so wertvoll scheint er mir für Kärnten zu sein. Einmal – ein einziges Mal – im Jahr versammelt sich ein Teil der intellektuellen Welt in Klagenfurt und sorgt dafür, dass Themen wie braune Vergangenheit und Gegenwart, Minderheitensprachen, Religions-Gruppendruck, die Autoren wie Josef Winkler, Fabjan Hafner, Elfriede Jelinek oder Gert Jonke ans Licht zerren oder gezerrt haben, nicht einfach totgeschwiegen werden können – wie das in der „Provinz“ so gern geschieht. Kärnten versucht, unliebsame, indiskrete Gäste los- und in Ruhe gelassen zu werden. Das Wettlesen ist nicht erhaltenswert, die Literaturwelt als Gast in Kärnten allerdings mehr denn je.“
Gesammelt von buchreport-Korrespondent Urs Heinz Aerni.
Hier gibts eine an den ORF (et al.) gerichtete Petition -> https://www.facebook.com/event…