Amazon bietet mit dem „Kindle-Deal der Woche in Kooperation mit Verlagen und Autoren befristet E-Books günstiger an. Nicht immer werden die Preissenkungen zeitgleich in allen anderen Shops umgesetzt, was de facto zu Preisbindungsverstößen führt.
Auf dem digitalen Spielfeld experimentieren die Verlage aktuell viel mit Preismarketing. Die Palette reicht von variablen Preisen bis hin zu befristeten kostenlosen Downloads. Die Preisbindungstreuhänder glauben, „Preisschaukeleien“ verstießen gegen das Preisbindungsgesetz. buchreport.de hat Stimmen gesammelt.
Im aktuellen buchreport.express 27 (hier zu bestellen) werden ausführlich die Probleme der neuen Preisflexibilität analysiert: Die Preisbindung soll bei fluiden Preisen eingehalten werden, indem alle Vertriebskanäle zeitgleich auf den befristeten Sonderpreis umschwenken. In der Praxis gelingt dies oft nicht, vor allem wenn es schnell gehen soll. Preisbindungsüberwacher Christian Russ ist sogar der Auffassung, „dass Preisschaukeleien gegen das Preisbindungsgesetz verstoßen“. Durch die sogenannten Preisaktionen bei E-Books werde das Preisbewusstsein der Kunden unterhöhlt.
Für September hat der Börsenverein zu einem Treffen eingeladen, bei dem mit Vertretern aus Verlagen und Buchhandel, der Wettbewerbszentrale sowie Preisbindungstreuhändern diskutiert werden soll, ob und unter welchen Voraussetzungen Preisaktionen für E-Books zulässig sein sollen.
In einer kleinen Umfrage hat buchreport.de folgende Fragen gestellt:
- Halten Sie Preisaktionen bei E-Books für sinnvoll und preisbindungskonform?
- Welche Trends sehen Sie beim Pricing von E-Books?
Ralf Biesemeier, Geschäftsführer Readbox
Wer Bücher verlegt oder importiert, ist verpflichtet, einen Preis einschließlich Umsatzsteuer (Endpreis) für die Ausgabe eines Buches für den Verkauf an Letztabnehmer festzusetzen und in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für Änderungen des Endpreises.
Soweit der Verlag sicherstellt, dass er die Preisänderungen allen Händlern zugänglich macht, besteht hier kein Problem. Dafür muss er natürlich auch technisch in der Lage sein, die Preise entsprechend vorab und gleichzeitig an den Handel zu kommunizieren (z.B. durch eine Update-Meldung der Metadaten). Nicht im Sinne des Gesetzes ist es natürlich, Preisabsprachen nur mit einem Händler zu tätigen, weil zum Beispiel eine Promo-Aktion laufen soll, und die anderen Händler nicht über die Preisänderung zu informieren. Der Verlag bzw. seine digitale Auslieferung muss schon sicherstellen, dass er sich gesetzeskonform verhält. Per se halte ich Preisaktionen aber nicht für gesetzeswidrig.
Gleichzeitig sind sie ein durchaus gutes Instrument um kurzfristig positive Effekte für Absatz und Umsatz zu generieren. Das sehen wir in unserem Programm immer wieder. Allerdings ist der Wettbewerb auch im Niedrigpreis- oder Kostenlos-Segment sehr groß. Eine solche Aktion muss also gut geplant sein und mit konkreten Zielen verknüpft werden: Einer zusammengehörigen Serie mehr Visibilität zu geben dadurch, dass der erste Band eine Zeit lang kostenlos angeboten wird, kann zum Beispiel ein sinnvolles Ziel sein. Wir sehen auch, dass sich Einzeltitel, die es mal in die Kostenlos-Charts geschafft haben, durch die erhöhte Sichtbarkeit nach Ende einer solchen Preisaktion höhere Verkäufe erzielen. Wir haben inzwischen eine Menge Erfahrung mit den Preismechanismen und setzen solche Aktionen sehr bewusst und gezielt mit unseren Verlagen um.
2. Nach wie vor wird viel über den Preisverfall bei E-Books gesprochen. Ich sehe inzwischen allerdings einen anderen Trend: Der Markt wird erwachsen, die Akzeptanz beim Leser steigt, sowie das Bewusstsein für Qualität. Und auch bei den Verlagen steigt die Bereitschaft, E-Books nicht nur als „Abfallprodukt“ einer Printversion zu sehen. Gleichzeitig entwickelt sich die Technik weiter. All das führt inzwischen dazu, dass sich ein Produktnutzen ausbildet, den die User verstehen und für den sie auch bereit sind, einen gewissen Preis zu zahlen. Von einer „Kostenlos-Mentalität“ bewegen wir uns – übrigens im gesamten Netz – langsam aber sicher weg. Das ist erstmal ein guter Trend. Gleichwohl müssen die Verlage ihre Prozesse so optimieren, dass E-Books für, sagen wir, 5 Euro profitabel herzustellen und zu verkaufen sind.
Annette Beetz, Geschäftsführerin Marketing/Vertrieb, Rowohlt:
„Grundsätzlich müssen wir bei der Frage nach angemessenem E-Book-Pricing unterscheiden, ob es sich um ein E-Book als 1:1 Darreichungsform eines Print-Titels handelt oder um ein „stand-alone“ digitales Produkt, zu dem es kein Print-Äquivalent gibt und sich folglich auch die Preisgestaltung nach anderen Zielen ausrichtet. Bei der 1:1 Verwertung gilt nach unserer Auffassung, dass das E-Book als „Marketinginstrument“ nicht durch einen volatilen Umgang mit Preisen überstrapaziert werden darf. Ein solcher wird mittelfristig die Preisbindung für E-Books und in der Folge auch für Print aufweichen. Mit welchem Argument ließe sich die Preisbindung dann noch verteidigen? Für uns gilt daher der passionierte Anspruch, dem Preisdruck auf E-Books nicht durch eigene Aktionen Vorschub zu leisten. Wir werden beim E-Book als 1:1 Darreichungsformat mit stabilen Preisen arbeiten. Wir sind, zugegeben, nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Dennoch möchten wir mit unserem Umgang mit E-Book Preisen Stabilität ausstrahlen und unsere Überzeugung vom „Wert“ des Produkts vermitteln, so lange dies eben möglich ist.“
Barbara Thiele, Chief Product Officer von Epubli:
1. Preisaktionen können ein wichtiges Tool für das Buch- und Autorenmarketing sein und kurzfristig die Sichtbarkeit eines E-Books erhöhen. Ist der Leser einmal auf den Autor aufmerksam geworden, steigt zwar die Wahrscheinlichkeit, dass er zum Wiederkäufer wird. Wichtig ist aber, das eigene E-Book nicht unter Wert zu verkaufen und den Leser nicht zu Dumpingpreisen zu erziehen. 0,99-Euro-E-Books werden zudem vom Leser oft als minderwertig angesehen und auch der Gesamtverdienst des Autors leidet. Neueste Studien (z.B. von Bowker Market Research) zeigen, dass ab einem Verkaufspreis von 2,99 Euro andere Kriterien, wie z.B. die Autorenmarke, deutlich wichtiger sind. Hierauf sollten sich Autoren unseres Erachtens vielmehr konzentrieren. Die Aktionen sind unserer Meinung nach preisbindungskonform, sofern die Preisparität auf allen Plattformen gewahrt wird.
2. Der Trend bei E-Book-Preisen zeigt eine klare Tendenz unter die Grenze von 10 Euro. Leser können hohe Preise nicht nachvollziehen, die Zahlungsbereitschaft sinkt. Zukünftig sehen wir eine Konsolidierung bei etwa 7 Euro für den Gesamtmarkt. Beim Selfpublishing liegt der Preis bereits deutlich niedriger. E-Books, die zwischen 3 und 5 Euro angeboten werden, sind hier am erfolgreichsten.
Andreas Kurzal, Online-Marketing & E-Commerce, Verlag C.H.Beck:
1. „Preisaktionen sind bei E-Books mindestens genauso sinnvoll wie bei gedruckten Ausgaben. Bei der Preisfestsetzung berücksichtigen wir das BuchPrG und nutzen die darin enthaltenen Spielräume für die Verlage, wie etwa den Subskriptionspreis, der im Handel breit vorangekündigt wird.“
2. „Das Selfpublishing verstärkt den Trend zu einem fortwährenden und vermutlich irreversiblen Preisverfall vor allem in der Genreliteratur. Ausnahme: Im Printbereich liegt ein Bestseller vor. Dagegen sind unsere im Vergleich hochpreisigen Sachbücher – die zumeist zwischen 10 und 25 Euro liegen – wenig preissensibel. Mit durchschnittlich 15% Preisvorteil gegenüber der gedruckten Ausgabe werden sie auf dem E-Book-Markt sehr gut nachgefragt.“
Silvia Kuttny-Walser, Verlegerin Edel eBooks:
1. „Preisaktionen sind selbstverständlich preisbindungskonform, solange sie auf allen Verkaufsplattformen gleichermaßen und identisch durchgeführt werden. Sinnvoll sind sie insbesondere dann, wenn es darum geht, neue Autoren einzuführen, Titel oder Serien durchzusetzen oder ,alte Schätzchen‘ wieder zu beleben. Bedingung ist allerdings, dass diese Preisaktionen zeitlich begrenzt sind. Wir halten z.B. eine Laufzeit von ein bis maximal zwei Wochen bei Gratis-Aktionen für optimal.“
2. „Das Pricing – und das diktiert der Verbraucher! – orientiert sich immer weiter nach unten. Gewünscht werden ganz klar Preise, die deutlich unter dem Ladenpreis für die Printversion liegen, also noch mehr als die derzeit üblichen 20%. Der Kunde argumentiert, dass sich ein E-Book wesentlich eingeschränkter nutzen lässt als ein gedrucktes Buch, und er geht zudem von deutlich geringeren Kosten für die Erstellung von E-Books aus (kein Druck, keine Lagerhaltung, etc.).“
Anne Stirnweis, E-Book-Chefin bei der Verlagsgruppe Random House:
1. „Wir sind grundsätzlich bemüht, Inhalte aus Sicht der Endkunden nicht zu entwerten. Wir setzen Preisaktionen (das gilt im übrigen sowohl im Print- als auch im Digital-Bereich) daher äußerst selektiv ein, und zwar nur dann, wenn es als Teil einer groß angelegten Marketingaktion für einen bestimmten Zeitraum und im Zusammenspiel mit anderen Aktivitäten für den einzelnen Titel sinnvoll erscheint. Preisbindungskonform sind Preisaktionen, wenn der Verlag mit ausreichendem Vorlauf und für alle Vertriebspartner klar erkennbar den gebundenen Ladenpreis für ein E-Book oder ein gedrucktes Buch senkt bzw. anhebt. Preisaktionen sollten die Ausnahme bleiben und die Dauer einer Preisaktion sollte ausreichend lang sein. So ist sichergestellt, dass alle Händler den gleichen Preis gegenüber den Kunden kommunizieren können.“
2. „Beim Pricing wird zunehmend der gesamte Lebenszyklus eines Produktes berücksichtigt. Unsere Strategie, E-Book-Preise an die günstigste lieferbare Ausgabe anzulehnen (Preisabstand zwischen 10 und 20%), hat sich bewährt.“
Auf der Konferenz TOC buchreport hatten sich auch Marcel Hartges, Verleger des Piper Verlags, und Joerg Pfuhl, Aufsichtsrat der Edel AG, früherer Chef der Verlagsgruppe Random House zum Thema geäußert. Preisexperimente seien eine Attacke auf den Buchhandel und den gebundenen Ladenpreis, erklärte Hartges. Pfuhl dagegen meinte: „Erstmals seit Erfindung der Preisbindung haben wir die Möglichkeit, eine Preispolitik zu steuern – E-Book-Preise können stündlich verändert werden.“
Sind ePub und Amazon Versionen eines eBooks die gleiche Ausgabe?
Eine Ausgabe muss nicht in jedem Shop erhältlich sein; auch kosten verschiedene Ausgaben unterschiedlich.
Selbst ähnliche Schulausgaben von Hamburger Lesehefte und Reclam kosten unterschiedlich. Von der handgemachtenLuxusausgabe ganz zu schweigen.
Da man die Buchpreisbindung schützen soll, verstehe ich nicht warum die Verlage Amazon für Amazon keine eigene Ausgabe schaffen.
Vermerk „kindle Ausgabe“ auf dem Cover sollten ausreichen und man würde nie die Gefahr eingehen die heilige Buchpreisindung umzugehen, wenn ein anderer Shop sich zu lange Zeit nimmt den Preis anzuopassen.
Das optimale Preisverhältnis zwischen Printausgabe und E-Book ist noch lange nicht gefunden. Einigermaßen berechenbar sind die Unterschiede bei Herstellungs- und Distributionskosten. Dazu kommt das – weniger berechenbare, aber berechtigte – Gefühl der Kunden, »weniger« zu erhalten: keinen handfesten Gegenstand Buch als Eigentum, oft lieblosere Umsetzung, keine vergleichbare Verfügungsgewalt (Verleihen, Verschenken, Verkaufen).
Ob E-Book-Preise von 100 Prozent der Druckausgabe (wie z. B. bei Suhrkamp) bis 80 Prozent das Optimum aus Akzeptanz (Verkaufszahlen) und Ertrag darstellen, kann heute wohl kaum jemand mit Sicherheit sagen. Da fehlen schlicht langjährige Erfahrungen.
Preisaktionen sind da sowohl Werbemittel als auch Testballons. Diese Phase der Preisfindung (und auch der Verteilung der Anteile) sollte man nicht nicht durch strenge Auslegung der Buchpreisbindung behindern. Die verschiedenen Händler setzen Änderung veschieden schnell um, das wird nie ganz synchron funktionieren.
Verstehe die Aufregung nicht. Ist es denn rechtlich bisher nicht so geregelt, dass bei der Preisbindung jedes Format einzeln betrachtet wird? Zurecht, denn ein ePub beinhaltet oft andere und mehr Inhalte als ein PDF-E-Book. Das Kindle-Format ist ein eigenes auf Amazon zugeschnittenes Format, es gibt dieses Format nicht auf anderen Verkaufsplattformen. Daher sollten auch die Preisaktionen von Amazon absolut kein Problem darstellen.
Als Sortimenter halte ich vereinzelte Preissenkungen (für eine begrenzte Zeit) und auch Kostenlos-Aktionen für durchaus interessant. Es geht doch darum, Kunden auch über den Preis neugierig zu machen! Problematisch halte ich die zeitgerechte Änderung der Preise über die Aggregatoren.
Technische Gegebenheiten führen auf Internet-basierten Plattformen zu zeitlichen Unterschieden, bis der Preis angezeigt wird. Das ist so und wird auch nicht ohne weiteres oder gar schnell zu beheben sein. Wenn Treuhänder und Börsenverein tatsächlich darauf bestehen, dass der neue Preis überall gleichzeitig zu sehen sein muss und andernfalls mit Abmahnung drohen, zeigen sie erneut, dass sie von den Realitäten und technischen Voraussetzungen des Internet und angeschlossener Systeme keine Ahnung haben.
Ach, PhantaNews … mal wieder andere für ahnungslos erklären, aber selbst nicht die Ahnung haben. Preisänderungen können mit einem Datumsstempel versehen werden, sodass sie um Punkt 12 Uhr Mitternacht umgesetzt werden. Die Plattformen und ihre Lieferanten können das können, es müssen nur beide die gleiche Metadatensprache sprechen.
Das wäre alles so schön, wenn es funktionieren würde. Große Händler / Distributoren verstehen nach wie vor nicht entsprechende PriceEffectiveFrom und PriceEffectiveUntil Tags. Nein, gewisse ONIX Uploads müssen in einem bestimmten Zeitfenster am Tag vor Kampagnenbeginn und Kampagnenende hochgeladen werden. Dieses Verfahren ist systematisch fehlerbehaftet …
Eine Branche die sich nicht einmal an ihre eigenen Standards hält, muss sich nicht wundern, wenn sie untergeht.
An wem liegt es denn, wenn die Preisänderungen nicht zeitgleich umgesetzt werden? Es würde mich doch sehr wundern, wenn das eine schuldhafte Verzögerung der Verlage wäre, die doch in der Regel einfach ein Metadatenupdate zeitgleich an die Plattformen ausgeben. Das die Plattformen sich oft genug schwer damit tun, Metadaten-Updates zügig zu verarbeiten, ist kein Geheimnis …