Deutsche und französische Branchenverbände sorgen sich um die Vielfalt auf ihren Buchmärkten. In einer gemeinsamen Erklärung zum digitalen Buchmarkt in Europa warnen Börsenverein & Co. vor einer „einseitigen Vormachtstellung“ außereuropäischer Unternehmen.
Nachdem sich am Montag Branchen-Vertreter in Berlin zu einem Gesprächsforum unter dem Motto „Zukunft des Buches, Zukunft Europas“ getroffen hatten, verabschiedeten der Deutsche Kulturrat, der Börsenverein sowie die französischen Buchhandels- und Verleger-Verbände ein Leitpapier, das faire Wettbewerbsbedingungen und einen neuen gesetzlichen Rahmen fordert. Dies soll u.a. durch
- den Erhalt der in 11 Ländern der Europäischen Union geltenden Buchpreisbindung (die also nicht von internationalen Handelsabkommen tangier werden soll),
- die Ausweitung des reduzierten Mehrwertsteuersatz auf elektronische Bücher,
- eine Abschaffung der Steuervorteile international tätiger Unternehmen (wie Amazon) sowie
- die Verteidigung der Grundsätze des europäischen Urheberrechts in der digitalen Welt erreicht werden.
Hier die Deklaration im Wortlaut:
Zukunft des Buches – Zukunft Europas
Gemeinsame Erklärung von Deutscher Kulturrat, Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., Syndicat national de l’édition und Syndicat de la Librairie Française:
Die Entwicklung des digitalen Buchmarktes in Europa ist eine große Chance für eine Branche, deren Aufgabe das Schaffen und Verbreiten von Inhalten ist. In ganz Europa arbeiten Verlage und Buchhandlungen an der Entstehung und Umsetzung von neuen Geschäftsmodellen und Initiativen, die sich durch die Digitalisierung von Büchern und Lesestoffen eröffnen.
Die größte Herausforderung für europäische Marktteilnehmer besteht derzeit darin, sich gegen global agierende Internetkonzerne wie Amazon und Google zu behaupten und dadurch Vielfalt und Qualität auch auf dem digitalen europäischen Buchmarkt zu gewährleisten. Klein und mittelständig geprägte europäische Unternehmen investieren in Buchqualität- und Vielfalt. Sie erwirtschaften rund 40 Milliarden Euro jährlich und bieten für rund 200.000 Menschen einen qualifizierten Arbeitsplatz. Sie stehen intransparent agierenden und strukturell monopolistischen Großunternehmen gegenüber, deren Geschäftsmodell auf der Bindung ihrer Kunden an technische Produkte, wie e-Reader, Tabletts und Smartphones basiert. Bücher sind dabei Mittel zum Zweck, ihr Inhalt und kultureller Wert nebensächlich, die einzigartige Buchhandelsstruktur beispielsweise in Frankreich und Deutschland verzichtbar. Eine einseitige Vormachtstellung dieser außereuropäischen Unternehmen hätte gravierende Auswirkungen auf unsere Kulturen.
Noch sorgen Verlage und Buchhandlungen in Europa dafür, dass eine enorme Titelvielfalt verfügbar und neben Unterhaltung und Mainstream die ganze Bandbreite literarischen Schaffens angeboten werden kann. Noch nehmen tausende von Buchhandlungen ihren kultur- und bildungspolitischen Auftrag wahr, zugleich Orte der Begegnung, der Kulturvermittlung und Leseförderung zu sein. Damit werden Werte geschaffen, die für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind. Dafür brauchen wir aber faire Wettbewerbsbedingungen und einen gesetzlichen Rahmen, der der Förderung der kulturellen Vielfalt in Europa gerecht wird. Auf der heutigen Tagung wurden folgende Eckpunkte für eine nachhaltige europäische Buchpolitik festgehalten:
• Die in 11 Ländern der Europäischen Union geltende Buchpreisbindung ist unantastbar und darf ebenso wie andere nationale Maßnahmen zum Erhalt der kulturellen Vielfalt nicht Gegenstand internationaler Handelsabkommen werden. Sie ist darüber hinaus als Instrument zur Stärkung des Bucheinzelhandels auch für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union empfehlenswert.
• Die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahingehend anzupassen, dass die Mitgliedstaaten den reduzierten Mehrwertsteuersatz auch auf elektronische Bücher anwenden können. Wettbewerbsverzerrungen durch einseitige Steuervorteile, wie sie z.B. durch eine entsprechende Firmensitzpolitik international tätiger Unternehmen entstehen, müssen beseitigt werden.
• Das Autorenrecht ist der Kern des europäischen Urheberrechts. Der Urheber steht im Mittelpunkt dieses Rechts, er allein entscheidet, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird. Dieser Grundsatz des europäischen Urheberrechts muss auch in der digitalen Welt mit ihren neuen Publikationsmöglichkeiten Bestand haben und darf nicht durch Anpassungen an die digitalen Gegebenheiten aufgeweicht werden.
Wir ersuchen die Bundesregierungen von Frankreich und Deutschland auf der Grundlage der genannten Eckpunkte gemeinsam mit den Akteuren der europäischen Mitgliedstaaten schnellstmöglich eine Strategie zum Erhalt und zur Förderung der europäischen Buchkultur zu entwickeln und diese auch in den Arbeitsprogrammen der EU zu verankern.
Unterzeichner:
Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat
Alexander Skipis, Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
Vincent Montagne, Syndicat national de l‘édition
Matthieu de Montchalin, Syndicat de la Librairie Française
Das Bessere ist der Feind des Guten, nicht neue Gesetze!
„Das Autorenrecht ist der Kern des europäischen Urheberrechts. Der
Urheber steht im Mittelpunkt dieses Rechts, er allein entscheidet, ob
und wie sein Werk veröffentlicht wird. Dieser Grundsatz des europäischen
Urheberrechts muss auch in der digitalen Welt mit ihren neuen
Publikationsmöglichkeiten Bestand haben und darf nicht durch Anpassungen
an die digitalen Gegebenheiten aufgeweicht werden.“
De facto ist das hier genannte Autorenrecht in weiten Bereichen schon total aufgeweicht, weil oft genug inzwischen die Piraten entscheiden, ob und was veröffentlicht wird, z. B. aus dem Backkatalog. Daran, dass es so ist, tragen auch Kulturrat und Börsenverein eine Teilschuld, die sich seit Jahren pragmatischen Lösungen verweigern (z. B. Notice-and-Takedown-Portal wie bei den Engländern und neuerdings bei den Franzosen; entsprechende Schulungen für Verlagsmitarbeiter). Statt hier in Sachen Urheberrecht herumzujammern, sollten sie erstmal ihre Hausaufgaben machen. (Ähnliches gilt für die meisten Verlage.) Einstweilen kommen mir solche Statements mithin ziemlich bigott vor. Wieviel Jahre soll man sich das denn noch anhören?
Die „einseitigen Vormachtstellung“ (gemeint sind vermutlich Amazon, Google, Apple) hat im Wesentlichen 2 Gründe: die nationalen Buchanbieter (on- wie offline) waren bis heute (2013) nicht in der Lage, ein konkurrenzfähiges Angebot zu schaffen. Alle Innovationen (eReader, Direct Publishing für Urheber, …) zu Konditionen, die kein Verlag auch nur ansatzweise hat, kommen aus den USA. Der 2. Grund: die User haben entschieden, wo sie kaufen und wo nicht. Vox Populi at it´s best. Die Leute können bei Libreka, buch.de, Thalia, … kaufen. Sie ziehen mehrheitlich Amazon vor – nicht wegen der Preise, die sind ja gleich (Amazon und Google bieten natürlich durch exzellente Suchmaschinen eine bessere Usability, Amazon hat sein Portal seit Langem für Leserrezensionen geöffnet, …). Es ist doch bemerkenswert, dass der letzte Punkt (Autorenrechte) gerade durch Amazon massiv gestärkt wurde (KDP). Sicher, der Mehrwertsteuersatz ist anzupassen, aber dafür kann ja Amazon nichts. Das entscheiden die Staaten selbst und rein rechtlich darf Amazon in der EU tätig werden, das ist explizit erlaubt. Im Übrigen bietet Amazon auch die ganze Bandbreite, die Titelvielfalt an. Nutzer können hier frei entscheiden, ob sie Bücher neu oder gebraucht kaufen (oder verkaufen). Das nent man wohl auch irgendwie Social Web. Wo bricht den Amazon das Urheberrecht? Auch die leben davon, Bücher zu verkaufen. Bücher, an denen dann Verlage und (ein wenig) die Urheber verdienen. Man müsste hier nur wenig tun, um Amazon Konkurrenz zu machen: DRM weg, Flatrate anbieten und digitale Bibliotheken unterstützen. Was passiert? Das Gegenteil. Bibliotheken werden gemobbt, weil sie es wagen auch Bücher überregional anzubieten, Firmen wie paperC werden von hiesigen Verlagen nur mässig unterstützt. Es sind wieder US Firmen, wie Oyster, die erschwingliche Flatrates anbieten.
Und noch was: die Plattenläden (für Jüngere: jene Orte wo schwarze Scheiben mit Rillen in 2 Grössen angeboten wurden) sind so gut wie verschwunden. Die Musik ist es nicht. Das gleiche Schicksal werden wohl die Buchläden auch erleiden. Anders als dort, gibt es bei Amazon eine „Begegnung“ zwischen den Lesern (und Autoren). Dort wird über Bücher diskutiert, diese bewertet und sogar die Bewertungen selbst werden bewertet. Im Buchladen – Welche Begegnungen sind da gemeint? Die mit dem Verkäufer?
In einer Sache empfehle ich den Jammerern mal ein Blick ins Buch (das Ding mit dem bedruckten Papierseiten, wahlweise auch epub): Karl Popper, The logic of scientific discovery. Übertragen gesagt, wenn es es eine Diskrepanz zwischen Wunschdenken und der gelebten Realtät gibt, dann ist klar, wer sich anpassen muss. Das Eisen verdrängte die Steinaxt, das Auto die Pferdedroschke … Ach, wie haben die Steinspalter über Schmiede und die Droschkenkutscher über Automobilisten gejammrt. Hat´s ihnen geholfen?