Einerseits dreht Weltbild an der Kostenschraube, andererseits will das Medienunternehmen in den Ausbau der Anteile am Onlineshop buecher.de investieren, wie buchreport.de exklusiv berichtet hat – die Empörung der Arbeitnehmervertreter ist programmiert. „Hier werden Existenzen gegen Profite getauscht. Pfui!“, schimpft Verdi.
„Das erinnert mich an ein absurdes Theaterstück“, lässt sich der Verdi-Sekretär Thomas Gürlebeck in einer Pressemitteilung zitieren. „Auf der einen Seite will man uns weismachen, dass Weltbild sich keinen eigenen Kundendienst mehr leisten kann, auf der anderen kauft man für zig Millionen Firmenanteile.“
Uni sono Verdi-Betriebsgruppensprecher Timm Boßmann: „Wir verstehen unsere Geschäftsführung nicht mehr.“ Geschäftsführer Carel Halff habe auf der letzten Mitarbeiter-Versammlung bezüglich der Entlassungen im Kundendienst von „einer der traurigsten Entscheidungen, die ich in meinem Berufsleben zu treffen hatte“ gesprochen. In Wirklichkeit weine Halff aber Krokodilstränen.„ In Wirklichkeit wird hier mit dem Rechenschieber über das Schicksal von Familien entschieden. Das kann nicht der Auftrag der Kirche sein.“
Auch Betriebsrats-Vorsitzender Peter Fitz zeigt sich verärgert, man habe aus der Zeitung von dem „Millionen-Deal“ erfahren. Er wisse nicht, wie man in der Krise vertrauensvoll mit der Geschäftsführung zusammenarbeiten solle, wenn Millionen-Investitionen „verheimlicht werden“.
Auch unter strategischen Gesichtspunkten meldet Fitz Zweifel an: „Buecher.de gehört uns bereits zu einem Drittel, um einen Technologie- oder Knowhow-Transfer kann es bei der Übernahme nicht gehen.“
Mehr zum Thema im Weltbild-Dossier von buchreport.de
Ich gebe buchleser recht. Weltbild setzt meiner Meinung nach den Rotstift nur dort an, wo es unternehmerisch einfach nicht anders geht. Wenn man das Unternehmen nicht verschlankt, wird man es nicht in die Zukunft schaffen.
Und die Mehrheit an buecher.de zu übernehmen bietet sich für keinen so an wie für Weltbild. Auch hier gilt: ich kann nicht Zukunftsinvestitionen unterbinden um mit dem Geld kränkelnde Bereiche noch etwas länger zu finanzieren, denn dann wird am Schluss das ganze Unternehmen zu „krank“ sein um es zu retten.
Und das würde 6000 Mitarbeiter den Job kosten und Augsburg einen der wichtigsten (ohnenhin sehr wenigen) Arbeitgeber.
Ein schönes Beispiel für die völlige Weltfremdheit von Verdi. Ihre umfassende Inkompetenz beim Verständnis des Ecommerce haben die ja bereits bei Neckermann unter Beweis gestellt, als sie sehr engagiert dafür gesorgt haben, daß der Webshop gemeinsam mit dem alten Versandhandelshaus untergeht – Gerechtigkeit muß schließlich sein, es geht ja nicht an, daß die Online-Mitarbeiter ihre Existenz behalten dürfen, wenn offline dichtgemacht wird. Wer von solchen Typen vertreten wird, der braucht fürwahr keine Feinde mehr auf Arbeitgeberseite.
@buchleser: Wenn ich Sie richtig verstehe, sind also die jetzt vor der Entlassung stehenden Mitarbeiter Schuld, das Weltbild sich nicht zum „schlanken, aggressiven und effizienten eCommerce-Unternehmen“ entwickelt hat?
Es ist mir, als quasi (Mit-)Betroffener neu, das die Mitarbeiter, die Sie meinen Verantwortung für die Programmwahl bzw. für die Ausrichtung der Produktpalette tragen. Dort sind, wie es sich seit einiger Zeit scheint, eklatante Fehler und hinsichtlich der Vertriebskanäle katastrophale Entscheidungen getroffen worden. Anderseits: Wenn sich ein Eigentümer nicht darum kümmert, was ihm da eigentlich „gehört“, dann ist es ebenfalls ein großes Fehlverhalten, was wiederum andere bezahlen müssen. Außerdem: Die Kirche versteht sich doch wohl als moralische Instanz, die doch ihren „Schäfchen“ immer schön die christlichen Tugenden und Werte vorhält, oder? Aber so ist es halt, Wasser predigen und Wein saufen!
Weltbild muss sich zum schlanken, aggressiven und effizienten eCommerce-Unternehmen wandeln mit dramatisch anderen Kostenstrukturen und Abläufen oder wird komplett vom Markt verschwinden wie Schlecker, Neckermann, Quelle. Das ist für die betroffenen Mitarbeiter nicht schön, zumal man sehr lange in einer Traumwelt gelebt hat. Es waren immer die „anderen“, die entlassen mussten oder insolvent gingen. Jetzt ist man selber dran und kann es nicht fassen. Dabei hat man viele Jahre sehr gut verdient, als es dem Laden richtig gut ging. Und nicht unbedingt in jedem Bereich auch die entsprechende Leistung gebracht. Jetzt geht es dem Unternehmen in vielen Bereichen nicht mehr gut und dort muss nun der Rotstift angesetzt werden. Die kirchlichen Eigentümer – ohne wirkliche Fachkenntnis, was für ein Konglomerat ihnen eigentlich „gehört“ – waren den Mitarbeitern recht, solange alles gut lief. Jetzt den Eigentümern vorzuwerfen, dass sie alles versuchen, um dem Unternehmen und damit vielen Mitarbeitern noch eine Chance zu geben, ist unfair. Wäre eine ungeordnete Insolvenz mit 100 % Entlassungsquote und verramschen der Kundendatenbank an direkte Konkurrenten besser ?
Mit dem letzten Satz haben Sie exakt die Taktik aufgezeigt, die Verdi bei Neckermann angewendet hat. Dort hat man nach dem Sinken des Schiffes auch das Beiboot mit einem gezielten Schuß versenkt – und sich wahrscheinlich danach die Schultern geklopft, ehe man sich in der S-Klasse wieder nach Frankfurt in den Glasturm chauffieren ließ.