Wie der Verlag Unbound sein Programm per Crowdfunding finanziert
Handverlesene Bücher für viele kleine Anleger
Die Gründer von Unbound: Justin Pollard, John Mitchinson und Dan Kieran (v.li.).
Dass Autoren Bücher über Crowdfunding-Plattformen finanzieren, ist auch in Deutschland kein ungewöhnliches Phänomen mehr. Autor und Journalist Dirk von Gehlen sammelte für sein Buch „Eine neue Version ist verfügbar“ bei startnext.de innerhalb von fünf Tagen über 11.000 Euro ein, andere Projekte erhielten inzwischen noch mehr Geld.
In einem Webinar widmet sich buchreport dem Thema Crowdfunding: Welche Perspektive ergeben sich für Verlage und Autoren? Hier weitere Informationen.
Doch was die drei englischen Autoren John Mitchinson, Dan Kieran und Justin Pollard auf die Beine gestellt haben, setzt selbst in der fortgeschrittenen Crowdfunding-Szene im Vereinigten Königreich Maßstäbe: Sie haben mit einem überwiegend privat aufgebrachten Startkapital in Höhe von 300.000 Pfund den Verlag Unbound ins Leben gerufen, der Schlüsselelemente von Crowdfunding-Plattformen im Internet mit denen eines klassischen Buchverlags kombiniert.
Premiere mit großem Medienecho
Unbound wurde Ende Mai 2011 im Rahmen des Literaturfestivals in Hay-on-Wye ins Leben gerufen. Ein mit Bedacht gewählter Termin, denn die Großveranstaltung in Wales, die jährlich über 200.000 Besucher anzieht, ist nicht nur ein Lieblingskind der britischen Literaturszene, sondern auch der Medien. Entsprechend groß war die Resonanz: Nicht nur die überregionalen Tageszeitungen, sondern auch mehrere Fernsehsender haben umfangreich berichtet.
Dass Unbound wenige Monate später als „Startup des Jahres“ im Rahmen der FutureBook Digital Innovation Awards ausgezeichnet wurde, brachte zusätzliche Schlagzeilen. Gründungsmitglied John Mitchinson über das Konzept: „Wir geben interessanten Buchprojekten von Autoren aus der zweiten und dritten Reihe eine Chance und besetzen damit eine Marktlücke, die die großen Publikumsverlage mit ihren kommerziellen Vorgaben nicht mehr besetzen können oder wollen.“
Sein Buchprogramm generiert Unbound in typischer Crowdfunding-Manier; alle Titel basieren auf Schwarmfinanzierung:
Am Anfang der Wertschöpfungskette steht die Idee für ein Buch, mit der ein Autor bei Unbound anklopft.
Wird das Konzept vom Team abgenickt, folgt als nächster Schritt online die Suche nach den Geldgebern.
In Absprache mit Unbound wird festgelegt, wieviel Geld für die Umsetzung bis zum gedruckten Buch benötigt wird.
Mitchinson: „Als Erfahrungswert sind das je nach Aufwand zwischen 5000 und 10000 Pfund, in Einzelfällen können es aber auch deutlich mehr sein.“ Viel mehr sogar: Immerhin 60000 Pfund hatte Shaun Usher für „Letters of Note“ kalkuliert, eine Faksimile-Sammlung von Briefen prominenter Künstler und Literaten.
Seine Idee kam so gut an, dass das 400 Seiten umfassende Coffeetable-Buch zur Zeit mit 185% überzeichnet ist, was Usher und Unbound wiederum erheblich mehr Spielraum nicht nur für das Design, sondern auch für das Marketing gibt. Einziger Wermutstropfen: Wegen der aufwendigen Gestaltung wurde „Letters of Note“ nicht mehr rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft fertig. Mitchinson: „Wenn die vielen Voranfragen ein Indikator sind, wird sich dieses Buch gut verkaufen.“ Was beiden Seiten zugute kommt, denn Autor und Unbound teilen sich alle Gewinne 50:50.
Mit dem Schreiben oder in Ushers Fall der Einholung der Abdruckgenehmigungen und der Kompilation der Texte beginnt ein Unbound-Autor grundsätzlich erst, wenn das gewünschte Kapital zusammen ist. Danach können ihn die Geldgeber jeden Schritt des Weges begleiten, denn sie haben eine Zugangsberechtigung zum „Shed“: Auf dieser verschlüsselten Seite stellt der Autor Hintergrundinformationen über sich und sein Buch ein, veröffentlicht Updates und einzelne Kapitel und ist grundsätzlich für seine Geldgeber jederzeit ansprechbereit.
Hinter Unbound steht ein kleines, aber eingespieltes Team von insgesamt sieben Mitarbeitern. Während Dan Kieran und Justin Pollard sich überwiegend um den reibungslosen Ablauf der Plattform kümmern, ist John Mitchinson der verlegerische Kopf des Gründertrios, bei dem Lektorat, Marketing und Herstellung zusammenlaufen.
Mitchinson ist nicht nur ein bekannter Kolumnist und Autor, sondern war „in seinem früheren Leben“ zunächst Marketingchef der Buchkette Waterstones, anschließend mehrere Jahre Verlagsleiter von Harvill Press und Cassell. Haruki Murakami und Michael Palin gehören zu den Autoren, die er in dieser Zeit betreut hat. Über seine guten Branchenkontakte sind zwei wichtige Partner ins Boot gekommen:
Die Londoner PR-Agentur Four Colman Getty zieht bei allen wichtigen Presseaktivitäten die Fäden.
Der Vertrieb läuft über Faber & Faber, einen der etabliertesten und erfolgreichsten Londoner Independent-Verlage.
Mitchinsons Fazit nach 18 Monaten fiel positiver aus als es das Unbound-Team zu diesem Zeitpunkt erwartet hätte: Rund 60 Buchprojekte wurden auf der Webseite von Autoren vorgestellt, davon sind 14 erschienen, weitere 20 befinden sich in unterschiedlichen Entstehungsstadien. Lediglich fünf Projekte wurden als unrealisierbar an den Autor zurückgegeben, weil auch nach mehreren Monaten die Finanzierungsquote unter 5% lag.
So wie der Autor in jeder Phase des Produktionsprozesses in alle Entscheidungen einbezogen ist und in strittigen Fragen immer das letzte Wort hat, bestimmt er auch das Format. Die 14 Bücher, die Faber sukzessive seit Anfang September ausgeliefert hat, sind sämtlich parallel gebunden bzw. als Paperback und als E-Book erschienen. Sie werden nicht nur im Handel, sondern auch im eigenen Onlineshop verkauft.
Zahlen nennt Mitchinson nicht, doch die positive Akzeptanz im Handel sorgt dafür, dass die Geschäfte „gut laufen.“ Ein unerwarteter Bonus war die Entscheidung von Waterstones und Blackwells, einige Unbound-Neuerscheinungen in die Weihnachtskataloge aufzunehmen.
10 Pfund sind der Mindesteinsatz
Jedes Buchprojekt wird per Video und schriftlichem Expose ausführlich vorgestellt. Wer ein Buch unterstützen will, kann zwischen verschiedenen Summen wählen und bekommt im Gegenzug ein Bonuspaket. Der Zugang zum „Shed“ und die Nennung des Sponsornamens auf der letzten Seite sind grundsätzlicher Bestandteil des Pakets. Die weitere Bestückung richtet sich nach der Höhe des finanziellen Einsatzes:
Wer die Minimum-Investition von 10 Pfund zahlt, erhält die E-Book-Ausgabe des entsprechenden Titels.
Ab 20 Pfund gibt es eine in Leinen gebundene Erstausgabe.
Am oberen Ende steht die Einladung zur Buchpremiere samt Mittagessen mit dem Autor für zwei Personen und diversen von ihm persönlich zusammengestellten Extras sowie signierter und personalisierter Erstausgabe für 250 Pfund.
Die Sponsorengelder kommen überwiegend online herein, aber weil Unbound die digitale und die physische Welt verbindet, setzt der Verlag auch bei der Präsentation seiner potenziellen Autoren auf Multichannel. Seit Oktober 2013 hat es mehrere „Unbound Live!“-Veranstaltungen in Manchester, London, Guildford und Oxford gegeben, bei denen jeweils mehrere Autoren acht Minuten Zeit vor bis zu 200 Gästen hatten, um für ihre Idee zu werben.
aus: buchreport.magazin 1/2013
Kommentare
1 Kommentarzu "Handverlesene Bücher für viele kleine Anleger"
Nun, im Grunde ist auch das „back to the roots“: In „alten Zeiten“ sammelten Buchhändler (zugleich in der Rolle des Verlegers 😉 …) Subskriptionen mit Vorauszahlung ein. Erst dann ging´s an die Realisierung der Bücher …
Nun, im Grunde ist auch das „back to the roots“: In „alten Zeiten“ sammelten Buchhändler (zugleich in der Rolle des Verlegers 😉 …) Subskriptionen mit Vorauszahlung ein. Erst dann ging´s an die Realisierung der Bücher …