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Digitale Bücherparade nimmt Kurs aufs Ausland

Der Erfinder der digitalen Vorschau, die den US-Buchmarkt geprägt hat: John Rubin.

Above the Treeline setzt im US-Buchmarkt digitale Akzente. Die Softwarefirma macht gedruckte Vorschauen weitgehend überflüssig. Der verlagsübergreifende Online-Katalog Edelweiss ist Branchenstandard.

Auch in Deutschland steht das Konzept der Verlagsvorschau in vielen Unternehmen auf dem Prüfstand. Doch während die Diskussion über digitale Buchkataloge hierzulande noch am Anfang steht, haben die US-Verlage längst Nägel mit Köpfen gemacht. Sie haben die Konsequenz daraus gezogen, dass die Vorschau nach klassischem Muster nicht nur teuer, sondern konzeptionell in vielen Fällen veraltet ist und die gedruckten Vorschauen in stillem Konsens ausgemustert. 


In Deutschland ist in Kooperation mit dem Verlag Harenberg Kommunikation, in dem auch buchreport erscheint, als Vertriebspartner für das 2. Halbjahr 2014 eine Pilotphase für Edelweiss in der Planung. Weitere Infos zu Edelweiss auf der Webseite von buchreport.de. 


HarperCollins war 2009 der erste Verlag, der auf Printvorschauen verzichtete. 2012 haben dann nacheinander die Holtzbrinck-Tochter Macmillan sowie Simon & Schuster und Random House ihre gedruckten Vorschauen eingemottet und damit dem Online-Katalog Edelweiss letztlich zum Durchbruch auf breiter Front verholfen, der heute Branchenstandard ist.

Verlage setzen auf den Kostenfaktor 

Was die Verlage jährlich an Kosten einsparen, halten sie unter Verschluss. Aber der Verzicht auf ca. 100.000 gedruckte Vorschauen dreimal im Jahr – die US-Publikumsverlage schieben zwischen die Frühjahrs- und Herbstsaison traditionell noch einen Sommerkatalog ein – summiert sich. Selbst wenn die eher nüchternen Vorschauen amerikanischer Machart mit den opulenten und auf Wertigkeit getrimmten Katalogen deutscher Prägung nur wenig gemeinsam haben.

Eine wichtige Rolle bei dem Paradigmenwechsel spielt die Firma Above the Treeline, deren Softwareprogramme seit 2002 von vielen unabhängigen US-Buchhändlern eingesetzt werden. Firmenchef John Rubin hatte Ende 2008 testweise erstmals einen verlagsübergreifenden, interaktiven Online-Katalog mit Bestellfunktion für Buchhändler gestartet. 

Zehn Verlage zum Start

Zehn Verlage waren seinerzeit bei dem Probelauf dabei, darunter mit Random House, Penguin, HarperCollins, Simon & Schuster und Hachette Book Group fast alle großen New Yorker Publikumsverlagsgruppen. Das Pilotprojekt fand so viel Zustimmung, dass Edelweiss wenige Monate später bei der BookExpo America offiziell aus der Taufe gehoben wurde.

Anfangs arbeiteten die meisten der beteiligten Verlage parallel noch an eigenen digitalen Vorschauen. Doch diese Aktivitäten wurden mit der zunehmenden Akzeptanz des Digitalkatalogs im Handel sang- und klanglos wieder einkassiert. „Es war frühzeitig abzusehen, dass dem Buchhandel nur eine gemeinsame Plattform etwas bringt,“ sagt Alison Lazarus, Vertriebschefin von Macmillan.

Die Holtzbrinck-Tochter hatte 2010 mit einigen digitalen Imprint-Vorschauen experimentiert, sitzt aber seit 2011 hoch zufrieden im Edelweiss-Boot. „Es nützt nichts, wenn jeder für sich an einem eigenen Modell herumdoktert. Die breite Akzeptanz der E-Vorschauen im US-Buchhandel hat ganz erheblich damit zu tun, dass so viele Verlage dasselbe Programm benutzen.“

Große Basis im Buchhandel

Etwa 1700 Buchhändler nutzen Edelweiss inzwischen regelmäßig. Nicht nur, um sich über Neuerscheinungen zu informieren, sondern auch, um über die Datenbank zu ordern. John Rubin schätzt, dass mittlerweile 95% aller Bücher, die in einer typischen US-Buchhandlung verkauft werden, elektronisch über Edelweiss bestellt worden sind.

Etwa 220 Verlage und Auslieferer aus den USA und Kanada mit über 10?000 Imprints machen bei Edelweiss mit. In wöchentlichem Rhythmus kommen weitere dazu. Die Publikumsverlage sind längst gesammelt an Bord, auch die Liste der Bildungs- und Fachverlage wird immer länger. Ein Blick in die Statistik: 2013 wurden in den ersten sechs Monaten 1949 Kataloge mit insgesamt 42.472 Neuerscheinungen auf der Plattform eingestellt.

Die Geschäfte laufen so gut, dass die US-Firma jetzt auch außerhalb der USA mit ihrer digitalen Katalogsoftware in den Startlöchern steht:

  • In Großbritannien haben mit HarperCollins UK, Penguin Group und Oxford University Press die ersten namhaften Verlage bereits unterschrieben.
  • In Deutschland ist in Kooperation mit dem Verlag Harenberg Kommunikation, in dem auch buchreport erscheint, als Vertriebspartner für das 2. Halbjahr 2014 eine Pilotphase für Edelweiss in der Planung. Weitere Infos zu Edelweiss auf der Webseite von buchreport.de. 

Über Nacht kam die breite Akzeptanz von Edelweiss im US-Buchhandel freilich nicht. Digitale Pioniere wie Mitch Kaplan, der in Florida sechs Buchhandlungen unter dem Namen Books & Books betreibt, erinnern sich noch gut an den empörten Aufschrei im Handel, als HarperCollins seine Printvorschauen einmottete. Und immer noch gibt es Buchhändler, die lieber mit den von den Verlagen auf der Homepage weiterhin vorgehaltenen PDFs der Vorschauen arbeiten als mit der digitalen Ausgabe. „Aber es werden immer weniger, weil Edelweiss im Umgang ständig benutzerfreundlicher wird.“

Edelweiss stellt sich breiter auf

Längst ist Edelweiss mehr als ein Business-to-Business-Portal nur für die Buchbranche. Nicht zuletzt auf Drängen der Verlage, die neben dem funktionierenden Informationsfluss zu ihren Branchenpartnern sowie dem effizienten Management von Metadaten zunehmend den direkten Kontakt zum Leser suchen, hat Above the Treeline das Netz in den letzten Jahren immer weiter ausgeworfen.

Die Zielgruppe der „professionellen Leser“ umfasst nach mehreren Ausbauschritten über die ursprünglichen Ansprechpartner (Buchhändler, Vertreter, Bibliothekare, Agenten) hinaus auch Medien, Rezensenten, Blogger und Endkunden. Alles in allem sind aktuell über 55.000 registrierte Nutzer eingetragen, Tendenz steigend. Laut Google Analytics hatten annähernd 170.000 Personen Edelweiss im zweiten Halbjahr 2013 benutzt.

Entsprechend vielfältig und auf die unterschiedlichen User zugeschnitten, sind die interaktiven Bausteine der Plattform mittlerweile aufgebaut. Einige Beispiele:

  • Verlage können ihre Titel hochladen und nach Belieben zu eigenen Kollektionen bündeln (und Links dazu verschicken).
  • Für jeden Titel werden umfassende Informationen über Buch und Autor hinterlegt; in der Titelinformation kann auch angezeigt werden, wie das Buch in Social Media wie Goodreads oder Blogs ankommt.
  • Damit vor allem der Handel Neuerscheinungen aus der Feder unbekannter Autoren besser einordnen kann, können die Verlage Listen mit Referenztiteln erstellen.
  • Professionelle Leser können DRM-geschützte digitale Leseexemplare anfordern und Rezensionen einstellen.
  •  Für Buchhändler haben die Verlage eine Anfragefunktion eingerichtet, welche Autoren für Lesereisen zur Verfügung stehen (samt Anmeldung).
  • Vertreter können in Vorbereitung auf Buchhandelsbesuche Kommentare zu Büchern einstellen und weiterleiten.

Apropos Vertreter: Die Sorge vieler Buchhändler, dass Edelweiss die Außendienstler überflüssig macht, hat sich nicht bewahrheitet. Zwar haben einige US-Verlage versucht, ihr Vertreternetz auszudünnen, aber die Erfahrung im Alltag zeigt, dass Edelweiss „nur im Verbund mit der Expertise des Vertreters richtig zum Tragen kommt“, schreibt Steve Bercu, President der American Booksellers Association (ABA) und Inhaber von BookPeople in Austin/Texas vor allem den Publikumsverlagen ins Stammbuch.

Verlage bezahlen pro Titel

Alle professionellen Leser nutzen Edelweiss gratis. Die Registrierung ist freiwillig, aber wer sich registriert, erhält Zugang zu mehr Interaktion auf der Webseite. Für die Verlage ist der Dienst dagegen kostenpflichtig. Pro Neuerscheinung sind (nach Menge gestaffelt) ab 30 Dollar fällig, für jeden gelisteten Backlisttitel stellt Above the Treeline 1 Dollar in Rechnung (in Deutschland geplant: 25 bzw. 1 Euro). Im Gegenzug ist die Plattform flexibel: Ist der Titel einmal im System, kann er in alle gewünschten Kataloge und Rubriken eingestellt werden. Geliefert werden die Daten von den Verlagen über das auch in Deutschland geläufige Datenformat ONIX.

Die neuen Social-Media-Komponenten der Plattform kommen auch in Buchhandelskreisen gut an, weil sie „überfällige inhaltliche Verbesserungen“ mit sich bringen, so Steve Bercu. „E-Vorschauen sind nur so gut wie die Informationen, die die Verlage einstellen. In diesem Bereich gibt es in einigen Unternehmen noch erheblichen Nachholbedarf.“

Zumal die Funktion der Vorschau als „Visitenkarte“ eines Verlags und programmatischem Statement zum Bedauern vieler Händler in der digitalen Präsentation in den Hintergrund rückt, weil nicht so opulent wie im Print darstellbar. Robert Sindelar (Third Place Books, Washington): „Durch die optisch gleichförmige, uniforme Präsentation der Titel passiert es leicht, dass Neuerscheinungen übersehen werden, zumal, wenn der Verlag nicht genügend Hintergrundmaterial eingestellt hat.“ Ein von Sindelar erstellter Best-Practice-Leitfaden zur besseren Navigation von Edelweiss ist unter Buchhändlern ein Renner.

Dennoch gilt, dass ohne Edelweiss im US-Buchhandel „nur noch sehr wenig geht,“ sagt Becky Anderson, die wie Mitch Kaplan zu den Edelweiss-Pionieren gehört. Sie erinnert sich noch gut an die Beta-Phase, als „nicht viel zusammenlief“. Das hat sich grundlegend geändert, aber Anderson sieht noch Raum für weitere Verbesserungen. „Auch wenn das lästige Auftragschreiben entfällt, sind für meinen Geschmack immer noch zu viele Mausklicks nötig.“

Text: Anja Sieg

Chronik von Edelweiss

  • 2001: John Rubin gründet nach Erfahrungen als Berater für Konzerne wie FedEx die auf den Buchhandel fokussierte Beraterfirma Rubin Venture Consulting (2003 in Above the Treeline LLC umbenannt).
  • 2002: „Above the Tree-line“, eine Online-Software für die buchhändlerische Warenwirtschaft, geht an den Start.
  • 2009 : Edelweiss geht bei der BookExpo America (BEA) in New York als erster verlagsübergreifender, interaktiver Buchkatalog offiziell in Betrieb.
  • 2010: Ausbau des Edelweiss-Programms um „Serendipity“, ein Präsentationstool für Kleinverlage ohne eigenen Katalog in der Datenbank.
  • 2011: Above the Treeline und Bowker kooperieren.Edelweiss bietet zur BEA erstmals digitale Leseexemplare an.
  • 2013: Mit 30 Beta-Nutzern feiert die erweiterte Plattform „Edelweiss Community“ Premiere.
  • 2014: Edelweiss plant den Einstieg in den deutschen und britischen Markt, hierzulande mit dem buchreport-Verlag Harenberg Kommunikation als Partner.

Digitalvorschau auf Deutsch

An ähnlichen Branchenlösungen, wie sie Above the Treeline mit Edelweiss umsetzt, wird auch in Deutschland gearbeitet. Neben Above the Treeline haben drei Anbieter ihre Lösungen zum Thema digitale Verlagsvorschauen der Börsenvereins-Wirtschaftstochter MVB vorgestellt, die an der geplanten Metadatenbank arbeitet: 

  • SoftPoint: In einer Vorreiterrolle war schon 2010 die buchhändlerische Genossenschaft eBuch mit ihrer von SoftPoint betriebenen elektronischen Novitätenplattform eVorschau aktiv. Seit 2008 veröffentlicht die Harenberg Kommunikation zweimal im Jahr den buchreport.novitäten-Katalog.
  • Die buchaffine Werbeagentur ZERO entwickelt im Auftrag einiger Verlage aktuell das Tool Zero+. 
  • Die auf IT-Lösungen spezialisierte Beratungsfirma New Books Solutions ist mit Technologiepartner iucon seit Oktober 2013 strategischer Partner der MVB, insbesondere beim Thema Metadaten.

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