Im Interview schildert Markowetz, warum eine intensive Nutzung von Mobiltelefonen süchtig macht und warum „digitale Diäten“ zum Thema werden. Weil die Beschäftigung mit Handys Lesezeit kosten und unsere Aufmerksamkeitsspanne verkürzt, ist die Buchbranche massiv betroffen: Auf dem Smartphone beschäftigen sich Nutzer eher mit Videospielen wie „Candy Crush“ als mit der Lektüre von Ebooks.
Warum bedroht Candy Crush den Buchmarkt?
Die Aufmerksamkeit von Menschen ist eine beschränkte Ressource. Aus unserer Mobiltelefonstudie geht hervor, dass die Menschen immer mehr Zeit für ihr Handy aufbringen: Im Schnitt sind es drei Stunden am Tag, bei jüngeren Leuten eher noch deutlich mehr. Das ist Zeit, die ihnen nicht mehr zum Lesen zur Verfügung steht. Und da mit dem Handy mehr gedaddelt als telefoniert wird oder Kurznachrichten ausgetauscht werden, sind Candy Crush und andere Spiele-Apps durchaus eine Bedrohung für den Buchmarkt.
Zerstreuung bieten vielen Medien: Fernsehen, Internet-Surfen, Video-Games. Inwiefern bringt das Smartphone eine neue Qualität?
Das Smartphone ist in erster Linie ein tragbarer Computer, der immer online ist. Vorher hatten Rechner ein Kabel, das ging maximal bis zur Haustür. Wenn man rausging, hatte man konsekutive Zeiträume ohne Unterbrechung. Die fehlen mit dem Smartphone. Das ist der radikale Unterschied. Wir erfahren keine Zeit mehr ohne Computer-Anschluss.
Wie wirkt sich das auf unsere Wahrnehmung aus?
Die permanente Beschäftigung mit dem Handy hat vor allem Auswirkungen auf unsere Konzentrationsfähigkeit, weil man immer schneller zwischen den Programmen und Apps hin und her wechselt. Irgendwann sind wir dann gar nicht mehr in der Lage, ein klassisches Buch zu lesen, also einen langen, zusammenhängenden Text.
Heißt: Wir können nur noch Texthäppchen verarbeiten?
Ja, die Inhalte passen sich den geschrumpften Aufmerksamkeitsspannen an. Manche Genres im Buchbereich entfallen oder verändern sich komplett. Früher gab es viele Ratgeber, heute wird gegoogelt. Auch Kochbücher haben sich im Zuge dieser Entwicklung radikal geändert. Neben Kochtechniken wird in den meisten Publikationen ein gewisser Lifestyle mitgeliefert. Die klassische Rezeptsammlung reicht nicht mehr aus, da kann man genauso bei Chefkoch.de nachschauen.
Gilt das auch für belletristische Texte?
Im Prinzip lässt sich das auf alle Textsorten übertragen. Extrem erfolgreiche Autoren wie Dan Brown schreiben immer in kurzen Sätzen. Hauptsatz, Komma, Nebensatz. Auch die Sinneinheiten sind relativ kurz. Wenn man es sich genau anschaut, dann ist es eher so eine Art Buch zum Computerspiel.
Ist diese Entwicklung unumkehrbar?
Nein, es gibt mittlerweile schon einen Gegentrend: Vertreter der digitalen Eliten, wie Arianna Huffington von der „Huffington Post“, verordnen sich eine „digitale Diät“. Man entzieht sich bewusst der digitalen Welt oder versucht, den Gebrauch auf ein gesundes Maß zu reduzieren. Hinzu kommt eine zunehmende soziale Differenzierung über Content und insbesondere über das Medium. Meine Prognose: Viele Leute werden sich aus Facebook- oder Whatsapp-Gruppenchats zurückziehen, weil sie als Wissensarbeiter ihre Konzentration als zentrale Ressource schonen wollen. So wie man heute versucht, sich über das Essen – Wurst oder vegan – zu differenzieren, wird man sich auch im Digitalen differenzieren. Analog ist das neue Bio.
Das vollständige Interview lesen Sie im buchreport.magazin 5/2015 (hier zu bestellen).
Alexander Markowetz wird am 29. April auf dem Kundentag des Ebook-Dienstleisters Readbox sprechen. Thema der Veranstaltung, die am 28. und 29. April 2015 im nordrhein-westfälischen Witten stattfindet, sind die Veränderungen in der Mediennutzung und im Buchmarkt. Weitere Informationen, eine ausführliche Agenda sowie eine Anmeldemöglichkeit zum readbox-Kundentag finden Sie hier.
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