Alles offen: Dirk Pieper (Uni-Bibliothek Bielefeld), Berater Sven Fund (Fullstopp), Xenia van Edig (Copernicus), Cary Bruce (Ebsco) und Moderator Alexander Grossmann (HTWK Leipzig) diskutierten bei der AWS-Tagung über Open Science und Open Access. (v.l., Foto: buchreport)
Die Politik forciert unter dem Stichwort Open Science den freien und direkten Zugang zu (staatlich geförderten) wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und -daten. Aktuell wird dies vorangetrieben von der Niederländischen Ratspräsidentschaft in der EU. Die hat jetzt in einem Positionspapier das Ziel formuliert, dass 2020 alle neuen wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Beginn an per Open Access verfügbar sein sollen. Derzeit liegt die Quote noch unter 20%.
Auch wenn solche Papiere geduldig sind, ist der Trend klar: „Open“ heißt das Motto, wie der Leipziger HTWK-Professor Alexander Grossmann von der Open Science Konferenz Anfang April in Amsterdam mitgebracht hat. Er erinnert daran, dass die Niederlande selbst bereits mit großen Wissenschaftsverlagen, darunter Elsevier und Springer Nature, entsprechende Abkommen geschlossen hat, die es niederländischen Wissenschaftlern ermöglichen, in Zeitschriften nach dem Open Access-Modell publizieren zu können.
Ende der alten Geschäftsmodelle
Grossmann hat jetzt auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen (AWS) eine Diskussionsrunde zum Thema „Alles Open?“ moderiert zur Zukunft des Wissenschaftlichen Publizierens. Da blieb manche Frage offen, aber die Tendenz war klar: Die alten Geschäftsmodelle klingen aus.
Cary Bruce, Geschäftsführer des internationalen Fachinformationsdienstleisters Ebsco in Deutschland mit Zuständigkeit für weitere europäische Länder, mag da nichts beschönigen: „Bei Open Access gehen für uns die Schranken zu: Wir werden aus dem Geschäft, aus unserer klassischen Vermittlerrolle rausgeschnitten.“
Das klassische Geschäftsmodell des Verkaufs und der Vermittlung von Zeitschriften und Büchern funktioniere nicht mehr. Aber es eröffneten sich auch neue Wege: „Man kann neue Business-Modelle entwickeln, sich als Händler in die Software für Autoren und für die Repositorien einbringen oder auch mit Dicovery-Services, die Daten indizieren und suchbar machen.“ Offen sei allerdings die Frage, ob dies ein nachhaltiges Geschäftsmodell ist und wie es um die Zahlbereitschaft steht. Das Ganze habe derzeit noch kein Volumen, das wirtschaftlich ist.
Auch die Bibliothekare müssen sich ein Stück weit neu erfinden, wie Dirk Pieper, stv. Direktor und Innovationsleiter der Universitätsbibliothek Bielefeld, ausführt: „Open Access verändert auch die Geschäftsgänge und Serviceportfolios der Bibliotheken. Wir entfernen uns ein Stück weit von der Aufgabe, Literatur und Informationen zur Verfügung zu stellen hin zu Services für Open Science.“ Man schaue, was aus der Universität selbst publiziert wird, wie hoch der Open-Access-Anteil ist und wie teuer es ist, wenn dafür Artikelbearbeitungsgebüren gezahlt werden. Und investiert auch, indem Erwebungsetats zur Finanzierung der Open-Access-Artikelbearbeitung umgewandelt werden.
Sven Fund, nach seinem abrupten Ausscheiden als De Gruyter-Modernisierer 2014 jetzt Verlagsberater und Start-up-Investor (Fullstopp, Berlin) glaubt, dass die Öffnung stark zunimmt und auch die bisherigen Unterschiede zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen kleiner werden. Die Naturwissenschaften waren von Beginn an aufgeschlossener, während sich die Geisteswissenschaften geziert hätten: „Die Sozial- und Geisteswissenschaften werden sich dem nicht entziehen, zumal es im deutschsprachigen Raum eine Tradition gibt, Publikationen gemeinsam mit Verlagen zu finanzieren.“
Auch Xenia van Edig, Business-Entwicklerin beim Open-Access-Verlag Copernicus (Göttingen), beobachtet, dass sich immer mehr Fachgesellschaften öffnen.
Open Access macht den Bibliotheken einige Arbeit. Bibliothekar Dirk Pieper: „Wir haben im klassischen Geschäft eine etablierte Struktur auch in Zusammenarbeit mit Dienstleistern, die uns erlaubt, in den Bibliotheken mit relativ wenig Personal eine große Zahl Zeitschriftenabonnements zu verwalten. Etwas anderes ist es, eine große Zahl von Artikeln zu verwalten Bearbeitungsgebühren zu zahlen und abzurechnen.“ So gebe es auch Chancen für neue Dienstleistungen, aber auch Risiken, weil nicht klar ist, ob hier ein wirtschaftlich interessantes Volumen entsteht.
Fund stellt die Frage, wie risikobereit Händler in einer Phase sind, wo das Kerngeschäft nicht so gut laufe. „Es gibt Bedarf, wobei es sein kann, dass sich das im Augenblick noch nicht rechnet, aber es ist absehbar, dass die derzeitigen Geschäfte zu Ende gehen. Man muss die Risken gegeneinander abwägen.“
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