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Bedeutet der »DEAL« die Ausschaltung aller Handelsstufen?

Der Fachbuchhandel schlägt Alarm: In einem offenen Brief kritisieren die marktführenden Händler und ihre Verbände, die Hochschulrektorenkonferenz und große Wissenschaftsverlage. Bei dem deutschlandweiten Lizenzprojekt unter dem Projektnamen „DEAL“ geht es um die digitalen Zeitschriften (eJournals) der großen Wissenschaftsverlage Springer Nature, Elsevier und Wiley.

Absender des Offenen Briefs sind die AWS – Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen, der Sortimenter-Ausschuss des Börsenvereins sowie die Unternehmen Schweitzer Fachinformationen, Sack Mediengruppe, Missing Link, Massmann, Lehmanns Media und Dreier.

Kernaussagen:

  • „Das geplante Projekt […] deutet darauf hin, dass das Konsortium und die genannten Verlage die Zusammenarbeit mit dem Handel weitgehend aufkündigen wollen.“
  • „Das rührt an den Grundfesten unserer Existenz und zerstört das bisherige Modell der Zusammenarbeit zwischen Verlagen, Bibliotheken und Agenturen/Buchhändlern.“
  • „Wertschöpfende Services in Bezug auf alle Medienformen, sowohl im Zusammenspiel mit Bibliotheken als auch Verlagen, werden langfristig nicht mehr aufrecht zu erhalten sein.“

 

Der komplette offene Brief im O-Ton:

 

An Bibliotheken und Wissenschaftliche Verlage

„Seit einigen Monaten beobachten wir deutliche Anzeichen für große Veränderungen im Markt wissenschaftlicher Zeitschriften. Die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, vertreten durch die Hochschulrektorenkonferenz HRK, plant einen Abschluss deutschlandweiter Lizenzverträge für E-Journals mit den drei großen Anbietern Springer-Nature, Wiley und Elsevier unter dem Projektnamen „DEAL“.

Aktuell sind uns keine Details zum geplanten Projekt bzw. dem Status der Vertragsverhandlungen bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass das verhandelte Modell keine Beteiligung von Zeitschriftenagenturen oder Buchhändlern vorsieht. Dies zeigen die Beispiele umgesetzter Landesvereinbarungen in Baden-Württemberg vor drei Jahren und Sachsen im vergangenen Jahr.

Seit Jahren ist der Handel als verlässlicher Partner gegenüber Verlagen und Bibliotheken tätig. Wir leben vom vertrauensvollen Austausch und der gemeinsamen Beratung zukünftiger Entwicklungen. Bei diesem Projekt ist jedoch die Informationslage für uns absolut unbefriedigend. Eine spezifische Rolle in den Verhandlungen wird dem Handel offenbar nicht zugedacht.

Das geplante Projekt in Verbindung mit der Informationspolitik deutet darauf hin, dass das Konsortium und die genannten Verlage die Zusammenarbeit mit dem Handel weitgehend aufkündigen wollen. Das rührt an den Grundfesten unserer Existenz und zerstört das bisherige Modell der Zusammenarbeit zwischen Verlagen, Bibliotheken und Agenturen/Buchhändlern.

Seit Jahren generieren Agenturen und Händler durch etablierte Prozesse in Bezug auf Bestellung, Verwaltung und Organisation von Zeitschriften Mehrwerte gegenüber ihren Bibliothekskunden. Wir haben Bibliotheken und Verlage in den Zeiten des digitalen Wandels erfolgreich unterstützt und beraten. Es wurden Dienstleistungen entwickelt, die Bibliotheken helfen, die Herausforderungen, die dieser Wandel mit sich gebracht hat, zu meistern. Diese Mehrwerte stellen heute einen essentiellen Wertschöpfungsfaktor für Bibliotheken dar und entlasten von ansonsten selbst zu erbringenden Leistungen.

Dieses Angebot und die ständige Weiterentwicklung von Agenturserviceleistungen konnte in den letzten Jahren nur gelingen, weil grundsätzlich alle am Markt zu Verfügung stehenden Medienformen verkauft und somit Deckungsbeiträge generiert werden konnten.

Durch den Wegfall der Deckungsbeiträge aus dem Geschäft mit Zeitschriften in Print und digitaler Form und möglicherweise weiteren digitalen Produkten (wie in Sachsen) wird das Bibliotheksgeschäft mit den bislang gewohnten Serviceleistungen nicht mehr möglich sein:

  • Wertschöpfende Services in Bezug auf alle Medienformen, sowohl im Zusammenspiel mit Bibliotheken als auch Verlagen, werden langfristig nicht mehr aufrecht zu erhalten sein. Technische Weiterentwicklungen sind gefährdet und können aus den verbleibenden Deckungsbeiträgen nicht finanziert werden.
  • Bislang bestehende Services müssen künftig von Bibliotheken und/oder Verlagen neu aufgesetzt werden. Hier werden Kosten entstehen, die der vermeintlichen Kosteneinsparung gegenübergestellt werden müssen.
  • Konzentrationsprozesse auf Seiten von Lieferanten und Verlagen werden zunehmen.

Damit entstehen weitere Abhängigkeiten in Bezug auf Content und Preis.

Unser Appell an Verlage und Bibliotheken: Überdenken Sie das jetzt auf den Weg gebrachte Modell. Im Kern begründet es die mittel- und langfristige Ausschaltung aller Handelsstufen! Wir wünschen uns einen partnerschaftlichen Austausch, in dem Verlage, Bibliotheken und Agenturen ihre selbstverständliche Rolle einnehmen.

Jetzt haben wir noch die Gelegenheit, direkte und indirekte Chancen und Risiken abzuwägen. Sind die Tatsachen erst geschaffen, wird es dafür zu spät sein.

Lassen Sie uns reden!“

 

Unterzeichnet durch

  • AWS – Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen, Vorstände: Thomas Wich, Bianca Kölbl, Torsten Jahn
  • Sortimenter-Ausschuss, Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Vorsitzender: Thomas Wrensch
  • Schweitzer Fachinformationen, Geschäftsführer: Philipp Neie
  • Sack Mediengruppe, Geschäftsführer: Hans Jürgen Richters
  • Missing Link Versandbuchhandlung, Vorsitzender des Aufsichtsrates: Klaus Tapken
  • Massmann International Buchhandlung, Geschäftsführer: Kay Massmann
  • Lehmanns Media, Geschäftsführer: Detlef Büttner
  • Dietmar Dreier Wissenschaftliche Versandbuchhandlung, Geschäftsführerin: Diane Korneli-Dreier

 

Kommentare

1 Kommentar zu "Bedeutet der »DEAL« die Ausschaltung aller Handelsstufen?"

  1. Kutscher protestieren bei der Autoindustrie, Ritter bei den Büchsenproduzenten. – Sorry, Leute, nicht jedes Geschäftsmodell ist für die Ewigkeit! Wozu sollten Verlage, die im Wesentlichen (noch) vom Verkauf digitaler Flatrates an Bibliotheken leben, Zwischenhändler brauchen?

    Umgekehrt, falls das jemanden tröstet, sind auch die Geschäftsmodelle von Springer-Nature, Wiley und Elsevier am Auslaufen. Darüber muss ich auch nicht unbedingt weinen (und das sage ich als Springer-Autor). Hätten sie mal beizeiten das Thema Piraterie ernstgenommen. Das Kind ist im Brunnen, und der Brunnen ist tief und wird von russischen Truppen verteidigt, was die Rettung des Kinds nicht gerade leichter macht.

    Mal sehen, wie lange es noch (aktuell agierende, nicht „nur“ historische) wissenschaftliche Bibliotheken gibt. Die haben allmählich auch ein Problemchen. Welcher Naturwissenschaftler geht denn nicht direkt zu den Russen, weil schnell, einfach, umsonst?

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