Sie sind oft überfordert, ablenkbar, ineffizient: Das Klischeebild der digital versierten „Screen Generation“ bekommt Risse. Tatsächlich gehen die „Babyboomer“ wesentlich cooler und geschickter mit dem Überangebot von Medien, Informationen und digitalen Infrastrukturen um als die unter 30-Jährigen. Dies räumten die Befragten der Studie „Digitale Überforderung im Arbeitsalltag“ von Sopra Steria Consulting ein.
Digitale Überforderung ist ungleich verteilt
Älteren Arbeitnehmern dürfte es wie liebliche Musik in den Ohren klingen: Mehr als jeder vierte der unter 30-Jährigen (27 Prozent) fühlt sich von der Geschwindigkeit des digitalen Wandels überfordert. In der Altersgruppe der 40- bis 50-Jährigen verspüren nur ganze 13 Prozent eine gewisse Form digitaler Überforderung im Arbeitsalltag.
Über alle Altersgruppen gefragt: Schlüsselqualifikation „Device Friendliness”
Doch halt: Die Analyse der Ergebnisse zeigt immerhin, dass junge Menschen affiner für digitale Hilfsmittel sind und selbstverständlicher mit der Technologie umgehen. Auch wenn dieser technologische Vorsprung häufig nicht ausreicht, um zwangsläufig effektiver in einer digitalen Geschäftswelt zu arbeiten, ist „Gerätefreundlichkeit” doch unerlässlich zur Meisterung des Alltags. Letztendlich geht es darum, „trotz Informationsflut Ergebnisse zu produzieren”, sagt Matthias Frerichs, Senior Manager Digital Banking bei Sopra Steria Consulting, der die Untersuchung verantwortet.
Die Babyboomer sind weniger ablenkbar
Vielen so genannten Digital Natives fehlt diese Kompetenz, so die Studie. Ihnen fällt es schwerer als den Digital Immigrants, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren, wenn zum Beispiel viele Informationen über mehrere Kanäle gleichzeitig verarbeitet werden müssen.
Die Folge ist häufig der Tritt auf die digitale Bremse: Mehr als jeder zweite unter 30-Jährige (52 Prozent) nutzt eigenen Angaben zu Folge trotz digitalisiertem Arbeitsablauf lieber Dokumente aus Papier oder greift zum Telefonhörer statt zu skypen. Bei den 40- bis 50-Jährigen sind es nur 43 Prozent.
Diese Tendenz erklärt auch teilweise die erstaunliche Zurückhaltung junger Verbraucher beim Konsum digitaler Textmedien wie Bücher oder Zeitschriften. Offenbar kommt zum Wunsch nach Entschleunigung und nach Immersion in Rückzugs- oder Phantasiewelten noch eine tatsächliche Überforderung mit digitalen Freizeitmedien hinzu.
„Digitalität” im Team – kein Selbstläufer, sondern Management-Aufgabe
Es wäre also völlig falsch, wenn Führungskräfte bei der Einführung von Kommunikations- und Informationstechnologie darauf vertrauen, dass diese sich in ihrem Bereich mit der Zeit „wie von selbst” flächendeckend durchsetzen und die jüngeren Digital Natives die älteren Mitarbeiter schon irgendwie schulen und mitziehen.
Matthias Frerichs empfiehlt daher den Unternehmen, auch junge Mitarbeiter früh in die Einführung von Digitallösungen einzubeziehen – etwa im Rahmen von Design-Thinking-Workshops und über Schulungen. Ratsam sei es zudem, solche Lösungen im Kontext eines übergeordneten Arbeitsplatzkonzeptes stets mit flankierenden Maßnahmen zu begleiten. Dazu gehören auch kreative Pausen und ruhige Einzelarbeitszonen als Ergänzung zur Co-Working-Umgebung in Großraumbüros.
„Überlastungserscheinungen aufgrund ständiger Erreichbarkeit lassen sich in der Praxis oftmals schon mit einfachen Kommunikationsregeln minimieren – etwa durch klar definierte Zeitfenster ohne E-Mail- und WhatsApp-Kommunikation. Unter dieser Prämisse kann die Generation der unter 30-Jährigen ihre natürliche Rolle als Vorreiter der digitalen Transformation auch im Arbeitsleben ausfüllen”, schlägt Matthias Frerichs vor.
Jüngere Führungskräfte zweifeln am Wert des Digital-Know-how
Übrigens sind auch nicht alle jüngeren Führungskräfte glühende „Digitalos”, auf deren Zugkraft sich Vorgesetzte blind verlassen können: Während neun von zehn Managern meinen, dass das digitale Know-how ihrer Mitarbeiter „eine besondere Rolle” spiele, zweifelt fast die Hälfte der unter 30-Jährigen an diesem Grundsatz. Erst wenn der Wettbewerb im Markt härter werde, müsse das eigene Unternehmen „digital nachziehen”, finden die Jungmanager in ihrer weitaus überwiegenden Mehrheit.
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