Das Bundeskabinett hat den Entwurf für das neue Wissenschaftsurheberrecht (UrhWissG) verabschiedet. Zwar wurde bei einigen Passagen im Vergleich zum Referentenentwurf immerhin etwas urheber- und damit auch verlegerfreundlicher nachgebessert (s. auch „Der Regierungsentwurf“ am Ende des Textes), aber der Börsenverein kritisiert scharf: „Kurz vor Ende der Legislaturperiode soll damit die umfangreichste Einschränkung des Urheberrechts im Bereich Bildung und Wissenschaft umgesetzt werden.“
Bereits der Referentenentwurf hatte Anfang des Jahres großen Protest in der Branche ausgelöst, eine Verlegerinitiative, gestützt vom Börsenverein, forderte die Bundesregierung in einem Online-Appell dazu auf, Wissenschaftsfreiheit und geistiges Eigentum zu respektieren. Aktuell unterstützen knapp 6000 Unterzeichner die Initiative.
Börsenverein: Enger Zeitplan, weiterhin große Uneinigkeit
Die Bundesregierung hatte 2013 im Koalitionsvertrag ein „bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht“ verabredet. Der gestern nach langem Hin und Her vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf sieht u.a. vor, die für die Bibliotheksnutzung (Semesterapparate, Leseplätze, Kopienversand) relevanten Urheberrechtsparagrafen 52a, 52b und 53a zu streichen. Sie werden mit weiteren Schrankenvorschriften (also gesetzlich erlaubten Werknutzungen, denen die Rechteinhaber nicht zustimmen müssen) neu gefasst und erweitert .
„Das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ist unverantwortlich und verfassungsmäßig bedenklich“, sagt Börsenverein-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis. „Im Eiltempo will der Gesetzgeber ein Gesetz durchpeitschen, obwohl dem Bundestag gerade einmal vier Sitzungswochen bleiben, um das Gesetz zu beraten, bei dem in zentralen Punkten Uneinigkeit zwischen den betroffenen Gruppen und den politisch Verantwortlichen herrscht und ein sehr hoher Beratungsbedarf besteht.“
Die Kritikpunkte des Börsenvereins im Wortlaut:
- Gefahr für Bildung und Wissenschaft: „Die geplanten Regelungen sind kurzsichtig und bieten keine nachhaltigen Lösungen für ein modernes, zukunftsfähiges Urheberrecht. Sie gefährden die Qualität von Bildung und damit die Basis unserer Wissensgesellschaft, weil die Tiefe des Eingriffs in das Urheberrecht ausschließlich zu Lasten von Autoren und Verlagen einer Enteignung gleichkommt. Qualitativ hochwertige und vielfältige Schul- und Lehrbücher sowie wissenschaftliche Publikationen kann es nur geben, wenn Autoren und Verlage angemessen für ihre Leistung entlohnt werden.“
- Unklare Vergütungsregeln: „Der Gesetzentwurf sieht zwar eine völlig unzulängliche Entschädigung für Autoren und Verlage über Verwertungsgesellschaften vor. In Bezug auf die Verlage kann dieses Versprechen jedoch derzeit gar nicht eingelöst werden, weil aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften die dafür notwendige Rechtsgrundlage auf europäischer Ebene fehlt. Die erforderliche Neuregelung ist frühestens im nächsten, eher im übernächsten Jahr zu erwarten – vorausgesetzt, der politische Wille ist da.“
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