Eine Kooperation von Bookwire mit Tredition ermöglicht rund 1000 Verlagen, selbst Selfpublishing-Dienstleistungen anzubieten. Mit welchen Zielen und Perspektiven? Die Geschäftsführer der Unternehmen, John Ruhrmann (Bookwire) und Sönke Schulz (Tredition), im Interview.
Portfolioabrundung, Autorenbindung, Erlösquelle – worum geht es bei den verlegerischen Selfpublishing-Angeboten tatsächlich?
Sönke Schulz: Geld! Es geht nur ums Geld! Im klassischen Verlagsgeschäft ist doch jeder Verleger Kaufmann und trifft die Entscheidung, ob ein Titel ins Programm kommt anhand der Verkaufsprognose. Nicht umsonst werden 99,5% aller eingereichten Manuskripte abgelehnt. Es wäre also überraschend, wenn der Schritt, ein Selfpublishing-Angebot zu realisieren, nicht ebenso wirtschaftlich durchdacht wird, wie die Ablehnung eines eingereichten Manuskriptes. Die Modelle, die Verlage wählen, um in den Selfpublishing-Markt einzusteigen, können unterschiedliche Intention haben: Talente entdecken oder Hybrid-Autoren eine zweite Publikationsmöglichkeit bieten. Sinn und Zweck für diesen Einstieg ist es aber, neue langfristige Erlösquellen aufzubauen. Betrachtet man die Branche insgesamt, wächst der Druck auf klassische Verlage. In 2016 wurden mehr als 40.000 Bücher im Selfpublishing veröffentlicht. In den vom Börsenverein erhobenen Statistiken zu Neuerscheinungen werden noch knapp 80.000 Novitäten insgesamt geschätzt. Inwieweit Selfpublishing-Titel hierin enthalten sind, teilt der Börsenverein nicht mit. Auf jeden Fall haben Selfpublishing-Titel einen Anteil zwischen 33 und 50% aller Neuerscheinungen gewonnen. Der Umsatz der Branche liegt aber wie schon seit zehn Jahren konstant bei 10 Mrd Euro. Ein klassisch verlegter Titel verkaufte sich also durchschnittlich in deutlich höheren Stückzahlen, bevor Selfpublishing vor zehn Jahren begann. Also ist es eine konsequente Logik, dass Verlage in den Selfpublishing-Markt einsteigen, der ihnen ihr klassisches Geschäft wegnimmt.
John Ruhrmann: Uns ging es bei Bookwire zunächst darum, dass unsere Partner- bzw. Vertriebsverlage, die den Wunsch hegen, eine Selfpublishing-Plattform zu betreiben, dazu auch in die Lage versetzt werden. Und zwar auf Grundlage einer erprobten und funktionierenden Technologie. Für manche Verlage ist es definitiv ein strategisches Anliegen, sich ein solches zweites Standbein aufzubauen. Größere Verlagsgruppen haben dies ja auch schon getan, wenn man an etablierte Portale wie Epubli bzw. Neobooks, Bookrix oder Oetinger34 denkt. Warum sollten also nicht auch Indies bzw. Nischenverlage entsprechend tätig werden können?
Wie viel Musik ist in diesem Geschäft tatsächlich bei den Erlösen?
Sönke Schulz: Bei den Erlösen verhält es sich wie bei einem klassischen Verlagsprogramm. Einige Titel sind Bestseller in tausender oder manchmal zehntausender verkaufter Stückzahl. Andere Titel verkaufen sich nur knapp in dreistelliger Höhe. Ungefähr 95% des Umsatzes wird mit gedruckten Büchern realisiert. Das E-Book bringt lediglich 5%. Der Erfolg steht und fällt mit der Marketing-Initiative des Autors aber auch des Verlages. Es reicht nicht, ein Buch auf dem Markt verfügbar zu machen und dann zu warten. Unsere erfolgreichsten Partner nutzen ihre Verlagsinfrastruktur, Selfpublishing-Titel zu bewerben und durch den Vertrieb zu präsentieren.
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