Am 23. April ist wieder Welttag des Buches. Daher laden einige Verlage zum Tag der offenen Tür ein. In Zeiten, in denen Self-Publisher suggerieren, dass Autoren längst keine Verlage mehr benötigen, wird es für die Verlage immer wichtiger, ihre Arbeit und Daseinsberechtigung dem Leser nahezubringen.
Doch warum machen die Verlage das nicht in ihren Büchern? Warum gibt es bei Büchern keinen Abspann wie im Film?
Die wenigsten Leser wissen, in welchem Verlag das Buch erschienen ist, das sie zuletzt gelesen haben. Wichtiger sind die Autoren, die zudem immer häufiger den Verlag wechseln. Der Reclam-Verlag mit seinen gelben Heften dürfte einer der wenigen sein, der Lesern im Gedächtnis geblieben ist, wenngleich aus Schulzeiten nicht immer positiv.
Kuschelkreislauf der Immergleichen
Verlage wollen daher ihre Arbeit transparenter machen. Es gibt Websites wie was-verlage-leisten.de, auf denen es Kapitel gibt wie „Verlage entdecken Autoren“ oder Schwammiges wie „Verlage verkaufen Vielfalt“.
Über 100 Verlage laden um den Welttag des Buches in ihre Räumlichkeiten ein. Geboten werden Führungen, Lesungen und Einblicke in die Verlagsarbeit. Viele Buchblogger schreiben dazu brav ein paar lobende Worte, und die Verlage freuen sich wiederum darüber, dass Buchblogger auf die Aktion hinweisen und bejubeln dies auf der Facebook-Seite zur Aktion – Der immer gleiche Kuschelkreislauf der Immergleichen.
Jedoch dürften viele Verlage auf der Liste selbst lesenden Menschen unbekannt sein. Es finden sich darunter nur eine Handvoll bekannterer Verlage wie Rowohlt, Piper oder dtv. Mit dem Frieling-Verlag ist auch ein Zuschussverlag dabei. Seltsam, dass die Website zur Aktion eine karge Landschaft mit zwei gelangweilt blickenden Schafen und schiefem Horizont zeigt.
Tatsächlich arbeiten viele Menschen an dem „Produkt Buch“, damit es so ausschaut, wie es ausschaut, damit Leserinnen und Leser davon erfahren und damit sie es in den Händen halten können. Aber warum merkt man als Leser davon kaum etwas?
Ein Buch, ein Autor?
Denn in der Regel steht auf einem Buchcover immer nur ein Name: der des Autors oder der Autorin. Warum suggerieren Verlage bis heute, dass ein Buch das Produkt eines Einzelnen sei? Ist dies noch ein Überbleibsel des Geniekults? Ein Buch, ein Autor? Bereits die Übersetzerin oder der Übersetzer schaffen es nicht aufs Cover. Lektorinnen und Lektoren leisten eine enorm wichtige Arbeit. In Verlagsbüchern werden sie fast nie genannt.
Beim Film ist das ganz anders. Hier werden nicht nur Schauspieler und Regisseure namentlich erwähnt, sondern auch Beleuchtungsassistenten, Gärtner, Produktionsfahrer und Ersthelfer am Set. Selbst denen wird im Abspann gedankt, die indirekt mit halfen oder Inspirationen lieferten . Ähnliches findet sich nur in Computerspielen. So sind im Abspann von Horizon Zero Dawn über 1.000 Namen von Beteiligten aufgeführt. Selbstverständlich gibt es Filme von namhaften Regisseuren oder mit bekannten Schauspielern, die prominent auf dem Filmplakat oder im Vorspann genannt werden. Selbst die, die beim Beginn des Abspanns das Kino verlassen, wissen, dass jetzt die lange Liste derer kommt, die an der Entstehung des Films beteiligt waren. Ein Film wird klar als Gemeinschaftswerk gekennzeichnet. Warum macht man das nicht bei Büchern?
Warum wird bei Verlagsbüchern nicht der Name der Lektorin genannt? Warum nicht die Frau von der Presse- oder die Volontärin der Marketingabteilung? Die Personen der Herstellung, die die Ausstattung des Buches verantworten? Die Verlagsvertreter? Der Name des Verlegers? All das könnte doch hinten auf den „Abspannseiten“ eines Romanes stehen und vermitteln, welche Arbeit Verlage leisten und dass ein Buch nicht nur das Produkt einer Autorin oder eines Autors ist.
Natürlich gibt es Nachworte, in denen der Autor einigen Personen dankt, doch diese kurzen Texte wirken oft kryptisch und persönlich. Wenn es so etwas wie Bücher mit einem Nachspann gibt, dann sind es die von Sebastian Fitzek: Dieser erwähnt tatsächlich am Ende seiner Bücher auch die Mitarbeiterinnen der Marketing- und Presseabteilung, die Verlagsvertreter, und er dankt Buchhändlerinnen, Bibliothekarinnen und den Lesern. Zudem zeigt er, dass man dies unterhaltsam und lesenswert gestalten kann. So entlässt man Leserinnen und Leser positiv aus einem Buch und vermittelt, wie viele Leute daran beteiligt waren.
So würde sich nicht nur der ideelle Wert eines Buches besser vermitteln lassen, sondern auch der Preis.
Wäre es nicht an der Zeit, eine solche Abspannkultur auch bei Büchern einzuführen, anstatt einmal im Jahr die Verlagstüren zu öffnen? Was meinen Sie?
Wolfgang Tischer ist Gründer und Herausgeber des renommierten literaturcafe.de. Der gelernte Buchhändler erhielt 2006 den 1. Deutschen Podcast-Award u. a. für seine umfangreiche Interviewreihe von der Frankfurter Buchmesse. Neben seiner journalistischen Tätigkeit ist Tischer auf Bühnen auch als Moderator und Sprecher tätig.
Der Beitrag ist zuerst erschienen bei literaturcafe.de.
Ich gebe Ihnen hundertprozentig Recht. Ich hatte bei meinem ersten Buch auch einen solchen „Abspann“. Das stellte sich als Vorteil heraus, denn so konnten die Leser*innen herausfinden, wer das Buch geschrieben hatte. Statt meines Namens auf dem Cover – z.B. als Herausgeber – druckte der Verlag seinen eigenen Namen drei Mal: auf der Vorderseite, auf der Rückseite und auf dem Buchrücken. Niemand hat es bemerkt. Nicht einmal der vermittelnde Literaturagent.