Der Börsenverein übt heftige Kritik an der Entscheidung der Koalitionsfraktionen für das neue Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, die ein „Armutszeugnis für die deutsche Bildungspolitik sei“. Die bestehenden Publikationsstrukturen in Deutschland würden „massiv bedroht“: „Ein Gesetz ohne wesentliche Änderungen durchzuwinken, das offensichtlich verfassungswidrig ist und weltweit vorbildliche Publikationsstrukturen, die Garant für Qualität und Vielfalt sind, massiv bedroht, ist höchst fahrlässig und unverantwortlich. Der Gesetzgeber hat mit dieser einseitigen Entscheidung gezeigt, dass er auf die Interessen der Urheberinnen und Urheber wissenschaftlicher Werke und ihrer Verlage keine Rücksicht nimmt. Dieser kurzsichtige Schritt ist ein schwerer Rückschlag für den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland“, kommentiert Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins.
Auch die vom Ausschuss beschlossene Befristung auf fünf Jahre sieht er nicht als einen Interessensausgleich, vielmehr zeige die Befristung als solche, dass der Gesetzgeber selbst erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorschriften habe: „Im Jahr 2023 kann die wissenschaftliche Publikationslandschaft bereits irreversibel beschädigt sein. Sehenden Auges peitscht die Bundesregierung ein Gesetz durch, dessen dramatische Folgen für Bildung und Wissenschaft im Lande sie sehr genau sieht.“
„Bemerkenswert“ sei die Haltung der SPD, die sich für das Gesetz besonders stark gemacht habe: „Sonntags erzählen einem Sozialdemokraten, wie sehr ihnen Autoren und Verlage am Herzen liegen, wochentags entziehen sie ihnen die Existenzgrundlage. Leider hat aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in keiner Weise die berechtigten Belange wissenschaftlicher Urheber und ihrer Verlage berücksichtigt. Sie verabschiedet sich von einem erfolgreichen marktwirtschaftlichen Publikationssystem mit rund 600 meist kleinen und mittelgroßen Verlagen, sodass am Ende der Staat die Veröffentlichung wissenschaftlicher Werke organisieren und mit Steuergeld bezahlen muss.“
Der Börsenverein werde alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, gegen das Gesetz vorzugehen. Zudem werde der Verband die Arbeiten an einem leistungsfähigen Online-Lizenzierungsportal vorantreiben, über das Bibliotheken und Bildungseinrichtungen Lehrbücher und andere Lehrmedien der Verlage lizenzieren können. „Wir werden die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen und in jedem Fall an die heute gegebenen Zusagen erinnern“, sagt Skipis. Dies gelte auch für die Ankündigung finanzieller Kompensationen für Verlage, die durch das beschlossene Gesetz faktisch enteignet würden.
Am Freitag, 30. Juni, soll der Deutsche Bundestag das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschieden.
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