Die Beförderung von der Fach- zur Führungskraft ist der einzige Weg, mehr Einfluss, Prestige und Gehalt zu gewinnen. Er hat seinen Preis – aber was ist, wenn Sie zu spät feststellen, dass dieser Preis zu hoch war?
Auch viele erfahrene Führungskräfte kennen diesen Wunsch: Kürzertreten, wieder mehr das machen, weswegen man vor Jahrzehnten seinen Beruf gewählt hat, keine Politik mehr, keine Hahnenkämpfe in hochkarätig besetzten Gremien. In unserer ausgeprägten „Up or out“-Arbeitskultur ist Karriere-Downshifting ein Tabu. Zu tief eingeprägt ist das Bild von der Managerpersönlichkeit, die mit Leib und Seele führt und grenzenlos belastbar ist. Ein Imageverlust erscheint da als Großrisiko. Der Führungs- und Fachkräftemangel erhöht den Druck, „einfach“ weiterzumachen und -zuleiden.
Zwei Partner der Organisationsberatung Raum Für Führung mit fünf Standorten in Deutschland machten selbst die Erfahrung des Karriere-Downshifting. In einer zweiteiligen Serie im HR-Channel von buchreport.de schildern sie sie – Bernd Domrowe aus der persönlichen Perspektive des „Downshifters“, Klaus Leeder aus der Sicht der Organisation. Denn auch die Organisation muss sich anpassen und den Wandel begleiten und kommunizieren.
Im ersten Teil („Karriere verkehrt“ Teil 1) hat mein Kollege Bernd Domrowe aus seiner Sicht seinen Wechsel vom Geschäftsführer zum mitarbeitenden Gesellschafter beschrieben. In diesem Beitrag beleuchte ich diese Veränderung aus der Perspektive der verantwortlichen Führungskraft und dahinterstehenden Organisation.
Führungskarriere: Einbahnstraße oder Sackgasse?
Führungskräfte schildern immer wieder, dass sie sich inhaltlich am besten im Team auskannten, am längsten dabei waren oder die Übernahme einer Führungsaufgabe der einzige Weg war, mehr Gehalt zu bekommen. Deshalb wurden sie Führungskraft. Plötzlich war weniger Zeit für das, was sie fachlich gerne gemacht haben. Dafür mussten sie Vorgaben, hinter denen sie nicht immer voll standen, umsetzen. Hinzu kamen Mitarbeitergespräche, Beurteilungen, Kritik- und Anerkennungsgespräche – und viele andere, neue Herausforderungen.
Aus diesem Grund fühlt sich für manche Führungskräfte, nach der Übernahme einer Führungsaufgabe und dem ersten Hype darum, dieser Karriereweg wie eine Einbahnstraße an. Es gibt scheinbar kein Zurück! Denn Führung bedeutet nicht nur ein Mehr an Macht und Status-Symbolen, sondern auch mehr Verantwortung. Die Mitarbeiter müssen nicht nur bei Laune gehalten werden, sondern die Organisation gesteuert werden – mal sanfter und mal direktiver. Es geht nicht um die Lust daran, anderen zu sagen, was sie zu tun haben, sondern um die Notwendigkeit, eine Abteilung, einen Bereich oder eine Organisation in eine bestimmte Richtung zu lenken. Denn Führungskräfte müssen die Ziele der Organisation im Auge behalten und erreichen. Diese sind zum einen, langfristig die Bedürfnisse des Marktes zu bedienen. Und zum anderen, die Arbeitsplätze zu sichern und – wenn es gut läuft – zu wachsen und rentabel zu wirtschaften. Wer dies verinnerlicht hat und sich bewusst für Führung und Steuerung entscheidet, der hat eine tolle und herausfordernde Aufgabe.
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Wie kommt es dann aber bei manchen Personen zu der gefühlten Einbahnstraße? In vielen Entwicklungsprogrammen in Unternehmen aber auch in den Köpfen der Mitarbeiter gibt es ein hohes Augenmerk auf Führungskarrieren, dahinter angesiedelt Projektleiterkarrieren und danach kommen Begriffe wie Fachkräfte- oder Mitarbeiterentwicklung. Nur ganz wenigen Spezialisten, meist richtigen Experten, ist es gelungen, ähnlich viel zu verdienen wie Führungskräfte. Die Verlockung Führungskraft zu werden ist für viele höher als sich voll und ganz auf reine Fachthemen zu konzentrieren. Und dann stecken sie drin und kommen nicht wieder raus. Ist es tatsächlich so: Einmal Führungskraft, immer Führungskraft? Unsere Organisation hat es selbst bewiesen: Führungspositionen sind keine Einbahnstraße. Ob der Rückweg glatt läuft oder nicht, kommt auf die Vorgehensweise an.
Wie finde ich (m)einen neuen Weg?
Es ist eine Führungsaufgabe, Veränderungen zu gestalten, wenn diese anstehen. Da an der Gestaltung immer zwei Parteien beteiligt sind, gibt es auch zwei typische Szenarien:
- Die Führungskraft entscheidet für sich. (Ich lasse es!)
- Die Organisation entscheidet es. (Sie lassen es!)
Beide Szenarien haben einen entscheidenden Nachteil: Gefühlt geht einer als „Verlierer“ vom Platz. Entweder im ersten Fall die Organisation (sie wollte noch, aber die Führungskraft hat sich dagegen entschieden) oder aber die Führungskraft (sie wollte noch, aber die Organisation hat sich dagegen entschieden).
In unserem Falle sind wir daher anders vorgegangen, nämlich:
- Die Führungskraft und Vertreter der Organisation reflektieren gemeinsam und kommen zu einem Ergebnis. (Wir besprechen es!)
Faktisch geht es, unabhängig von Funktion und Aufgabe, um das Thema Verantwortung. Verantworten heißt: Antworten geben. Nach Schmid & Messmer (2005) gilt es immer wieder den Verantwortungsdialog zu führen und zu etablieren. Bezogen auf die Führungsaufgabe heißt dies für Führungskräfte in der eigenen Reflexion zu erkennen, ob der Anteil an Steuerung und Führung im Verhältnis zu den inhaltlichen Sachthemen noch passend ist. Den Verantwortungs-Dialog gilt es zwischen den Vertretern der Organisation und den Führungskräften zu führen. Die Parteien reflektieren, wofür sie die Verantwortung übernehmen können oder eben nicht mehr. Wo sie Antworten geben können und dürfen, aber vielleicht nicht mehr wollen.
Für den Fall, dass die Entscheidung lautet: „So geht es nicht weiter“ – egal welche Partei dies ausspricht – gilt: Niemand muss die genaue Lösung oder die nächsten Schritte zu diesem Zeitpunkt kennen. Diese werden sich ergeben, wenn die Parteien weiter miteinander sprechen und sich inhaltlich und emotional damit auseinandersetzen.
Der Weg raus aus der Führung
Ich selbst durfte in meiner eigenen Organisation Akteur und Zeuge dieses Prozesses werden. Wir drei geschäftsführenden Gesellschafter standen vor der Aufgabe zu klären, was der nächste richtige Schritt für die Organisation ist. Nach verschiedenen individuellen und gemeinsamen Reflexionen meinte mein Geschäftsführer-Kollege und ehemaliger Förderer und Chef: „Dann werde ich Euer Mitarbeiter“. Fünf Wörter, ein Satz und hundert Fragen. Wir haben uns auf den Weg gemacht und in vielen Gesprächen und Terminen – mal mit uns alleine, mal zu zweit, mal mit unserem Supervisor zu dritt, mal mit unserem Steuerberater – für uns Klärung betrieben. Wir haben dabei nicht nur über Sachthemen gesprochen, wie zum Beispiel: Wie lautet denn die neue Funktionsbezeichnung als mitarbeitender Gesellschafter? Wir haben auch darüber gesprochen, wie es sich anfühlen wird, als ehemaliger Geschäftsführer zum Kunden zu gehen. Und wir haben über Bedürfnisse gesprochen. Über persönliche und finanzielle Grundbedürfnisse. Dabei haben wir uns immer über die eigenen Erkenntnisse auf dem Laufenden gehalten und dazu ausgetauscht. So kamen wir Schritt für Schritt weiter.
Unseren Rechtsanwalt haben wir erst am Ende des Prozesses für alle formalen Dinge benötigt, d.h. Gesellschafterbeschluss, Abberufung, Überwachung der Eintragung im Handelsregister und den neuen Mitarbeitervertrag. Wir haben dies alles Ende des Jahres 2016 abgeschlossen.
Mein ehemaliger Förderer und Chef war zwischenzeitlich mein Kollege und ist jetzt mein Mitarbeiter. Wenn es Sie interessiert, wie dies praktisch weitergeht und was wir gemeinsam erleben, lassen Sie es mich wissen und schreiben Sie mir.
Mit freundlicher Genehmigung von Raum Für Führung.
Fotos: Raum Für Führung, Pixabay.
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