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Ina Fuchshuber: Lohnt der Ausflug in die Gaming-Welt?

Ina Fuchshuber: Lohnt der Ausflug in die Gaming-Welt?

Auf der „Buch trifft Game“ wurde deutlich, dass Spielehersteller derzeit besonders im Bereich Lernspiele und Simulationen mit Verlagen zusammenarbeiten oder interessante Charaktere besonders im Kinderspiele-Bereich lizenzieren. Kooperationen zwischen Publikumsverlagen und Game-Herstellern hingegen sind selten. Hat Literatur also keine Chance in diesem Markt?

Spätestens seit Random House im März dieses Jahres verkündete, dass der Verlag künftig mit einer eigenen Business Unit die Zusammenarbeit mit Spieledevelopern vertiefen werde und initial mit dem Spielehersteller Stardoc Corp. ein fünf Millionen teures Fantasy-Game produziere, denkt man auch hierzulande über Kooperationen von Games- und Buchindustrie nach.

Tatsache ist, dass der Gamesmarkt in Bewegung ist; zum ersten Mal seit sieben Jahren sind zudem die Umsatzzahlen gesunken.

Der Markt scheint sich gerade in zwei extreme Richtungen zu entwickeln: Einerseits werden Spiele immer aufwändiger und komplexer, insbesondere bei MMPORGs werden ganze Welten mit eigenen Gesetzen erschaffen, gleichzeitig driftet der Markt auseinander, da immer mehr Games kostenlos angeboten werden und kleine Anbieter (insbesondere auf dem App-Markt) Marktanteile vereinnahmen können. So ist es kein Wunder, dass selbst gestandene Riesen wie Nintendo zugeben, ihr Kerngeschäft habe durch AppStore und Marketplace gelitten.

Die Zukunft liegt also in aufwändig programmierten Online (Social) Games. → Der Kompass weist in Richtung künstliche Intelligenz. Haben also Verlage mit ihrem Zugang zu Geschichten und Figuren für die Spielentwicklung der Zukunft eine Relevanz?

Story oder Literatur – ist da ein Unterschied?

Wer je ein Story-Board eines Computerspiels gesehen hat, fühlt sich eher an ein Drehbuch erinnert, als einen Roman. Die Entwicklung einer Romanfigur und einer Figur eines Videospiels ist mit Sicherheit an wesentlichen Stellen verschieden:  So werden Games primär von Designern erschaffen: Figuren, Welten, das zentrale Thema und Layout, all das sind bereits festgelegte Eckpfeiler, an denen sich der Autor dann entlang hangeln muss. Für die Character-Entwicklung setzen manche Spielehersteller z.B. auf Templates, die festlegen, welche Eigenschaften ein Held haben muss.

Außerdem muss die Handlung kurz sein und tragen, auch wenn der Spieler die narrativen Elemente nur schnell wegklickt, da er ja vornehmlich eins will: Action! Ob also die Autoren der Publikumsverlage mit dieser doch sehr verschiedenen Arbeitsweise leben könnten, ist fraglich.

Beim Stichwort Autoren fällt außerdem ein zweiter wichtiger Punkt auf: Verlage sind keine Content-Produzenten, sie machen die Stories nicht. Warum aber sollten Autoren (oder Agenten) über einen Verlag an einen Spielehersteller herantreten. Das Risiko der Entwicklung mitzutragen indem z.B. Autoren dauerhaft für Projekte angestellt werden, wäre für Buchverlage etwas komplett neues.

Außerdem sind die erfolgreichsten Spiele nicht unbedingt „serious games“ mit hohem Anspruch an Dialoge und Charakterentwicklung. Oder auf gut Deutsch: Wen interessiert der Character, wenn plötzlich hinter einer Geheimtür ein Typ hervorspringt um einem den Kopf abzuschlagen?

Shanda Ltd.: Die Geschichte ist die Initialzündung

Genau die gegenteilige Meinung vertritt Zhou Hongli von Shanda Ltd.: Die chinesische Spieleschmiede, die u.a. Ragnarok Online auf den Markt brachte und seit über zehn Jahren auf dem Markt ist, hat 2004 verschiedene Online-Plattformen ans chinesische Netz gebracht, auf der Autoren Werke direkt online publizieren können.

Dieses Geschäftsmodell will Shanda nun auch auf die USA ausdehnen und noch in 2010 den Onlineverlag in den USA starten.

Shanda ist also den Weg vom Spielehersteller zum Verlag gegangen.

Besonders in den Fantasy-Genres ist Shanda stark aufgestellt – dies bildet für die chinesische Internetfirma eine ideale Grundlage für äußerst gewinnträchtige Lizenzverkäufe an Film- und Spieleproduzenten. Auch Shanda selbst verwirklicht sehr erfolgreich Online-Romane als Games. (Dabei muss man sich jedoch vor Augen führen: Die sog. Handyromane haben oft schon in ihrer literarischen Fassung in Dramaturgie, Duktus und Tiefe viel Ähnlichkeit mit Videospielen.)

Der Grundsatz des Gründers: Die Story ist die Basis für alles – ob Film, Videospiel oder Buch. Deshalb hätten Verlage das Heft fest in der Hand.

Betrachtet man zudem die Auflösung fester Erzählstrukturen in neuen (e-)Produkten und die Notwendigkeit, Inhalte multimedial dazustellen,  müssen Verlage hier Kompetenzen aufbauen, die sie dann auch als Partner für Spielehersteller interessant machen können – unter der Voraussetzung, dass dieser Weg konsequent und auf das Kerngeschäft des Verlags hin ausgerichtet, beschritten wird.

Aber auch, wenn direkte Kooperationen nicht die erste Priorität haben: Insbesondere, wenn man über den Umgang mit virtuellen Gütern sowie Packaging und Preispolitik von Online und e-Content nachdenkt, kann es nicht schaden, die Gamesbranche im Auge zu behalten.

P.S.: Wer übrigens einen schönen Versuch für die Verknüpfung einer Kurzgeschichte mit einem Browsergame sehen – oder viel mehr – spielen will: Alexander Ocias – Loved

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