Grit Müller, die seit September den Programmbereich Reise bei Gräfe und Unzer leitet, empfiehlt Dörte Hansens aktuellen Roman: „Dörte Hansen baut in ‚Mittagsstunde‘ ein Dorfidyll vor der Flurbereinigung auf. Stück für Stück, Andeutung um Andeutung nimmt der Leser teil am Leben im Dorf, erkennt den Scherenschleifer an der weißen Strumpfhose, zieht mit Marret Ünnergang durch das Dorf, wuschelt dem meistgekraulten Kind durchs Haar, blickt hinter Fassaden und wäre manchmal froh, es nicht so genau zu wissen. Dann kommt die Flurbereinigung, und mit ihr ist es wohl wie mit dem Hochdeutschen inmitten des Platt, wenn Lehrer Steensen die Schüler das R lehrt, oder wie mit den Mädchenhaarschnitten. Das Dorf verändert sich seither, erst langsam, dann rasend schnell. Selten hielt ich ein Buch in der Hand, das sich so nah an die Menschen heranwagt. Oft, bis es weh tut. Hansen rettet sich und den Leser dann durch Lakonie. Sie wendet sich anderem zu, und der Leser kann wieder Luft holen. Eigentlich wollte ich das Buch nicht zu Ende lesen, um das Dorf und seine Bewohner nicht zu verlieren. Doch Stück für Stück nimmt Hansen das Idyll auseinander, zeigt die Enge, aus der keiner ungestraft ausbricht, zeigt die Armut, die Plackerei – und zeigt einen Neubeginn. Ein Buch, das noch lange nachhallt.“
Dörte Hansen, Mittagsstunde, 320 S., 22,00 €, Penguin Verlag, ISBN 978-3-328-60003-9
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