Der französische Zeichner, Maler und Kinderbuchautor Tomi Ungerer, geboren am 28. November 1931 in Straßburg, ist in der Nacht auf Samstag, den 9. Februar 2019, im Alter von 87 Jahren im irischen Cork gestorben. In zahlreichen Nachrufen würdigen die deutschen Medien den Künstler und sein Werk.
In der „FAZ“ erinnert sich Redakteur Andreas Platthaus an seine letzte Begegnung mit Ungerer vor wenigen Jahren in Frankfurt: „Tomi Ungerer saß im Foyer seines Hotels, und wir redeten über das, was die letzten Monate ihm gebracht hatten. Nach den schweren Krankheiten, die er in seinem achten Lebensjahrzehnt überlebt hatte, war jeder Monat ein gewonnener, und Ungerer nutzte seine Zeit in einem Maße, wie es einem Mann seines Alters nur möglich war.“ Platthaus charakterisiert Ungerer als Zeichner, der die eigenen Abgründe ebenso furchtlos ausleuchtete wie die anderer, und den man daher als sehr selbstbewussten Menschen wahrnahm. „Aber Ungerers Selbst-Bewusstsein war das Wissen um eine eigene tiefe Verletzbarkeit, die ihre Wurzel in den traumatischen Kindheitserlebnissen hatte“, so Platthaus.
Rowwitha Budeus-Budde weist in der „Süddeutschen Zeitung“ darauf hin, dass Ungerer als ein aufmerksamer Beobachter der Illustratorenszene stets auch Kommentator des Betriebs gewesen sei und sich insbesondere gegen die Heile-Welt-Darstellungen für Kinder gerichtet habe. Anhand einer von ihr geschilderten Anekdote wird deutlich, dass Ungerer sich um Fragen der politischen Korrektheit nur wenig scherte: „Es machte ihm höllischen Spaß, als Anarchist seine Umgebung zu schockieren, die Provokation war seine Lebensstrategie. Bei einer Tagung für Sozialpädagogen, die vor 20 Jahren in der Internationalen Jugendbibliothek in München stattfand, ging er einmal vor der Moderatorin auf die Knie und bat sie um ein Kind. Das halbe Auditorium flüchtete. Bei einer Begegnung mit ihm, in den 90er-Jahren, gab es nur zwei Möglichkeiten auf seine verbalerotische Begrüßungsattacke zu reagieren: Entrüstung oder Gegenangriff.“
Tomi Ungerer lebte zuletzt auf einer Farm in Südirland. Seine Heimatstadt Straßburg war sein zweiter Wohnort. Dort wurde ihm als erstem lebenden Künstler Frankreichs ein eigenes Museum gewidmet, das „Musée Tomi Ungerer – Centre international de l’Illustration“.
Ungerer wurde vielfach ausgezeichnet. Für seine Verdienste um die deutsch-französischen Beziehungen erhielt er 1992 das „Bundesverdienstkreuz“ und 2008 den „Prix de l’Académie de Berlin“. 2005 wurde er mit dem „e.o. plauen-Preis“ ausgezeichnet, 2014 ernannte ihn François Hollande zum „Commandeur de l’Ordre national du Mérite“, 2017 erhielt er den „Bayerischen Buchpreis“ und 2018 wurde er von Präsident Emmanuel Macron zum „Commandeur de la Legion d’Honneur“ ernannt.
Die Bücher von Ungerer erscheinen seit 1960 im Diogenes Verlag, darunter auch die beiden autobiographischen Titel „Die Gedanken sind frei. Meine Kindheit im Elsaß“ und „Es war einmal mein Vater“. Seine Bilderbücher, darunter „Die drei Räuber“, „Der Mondmann“, sind Klassiker der Kinderliteratur. Zuletzt erschien von ihm u.a. der Katalog zur großen Ausstellung „Incognito“ (Kunsthaus Zürich 2015, Museum Folkwang Essen 2016) mit Zeichnungen, Collagen und Plastiken. Seine Werke verkauften sich weltweit in über 17 Mio Exemplaren.
Als Ungerers „Vermächtnis“ kündigt Diogenes das Bilderbuch „Non Stop“ an, das am 24. April 2019 erscheinen wird und „Eine Geschichte über Freundschaft, Vertrauen und Menschlichkeit in dunklen Zeiten, für Erwachsene und Kinder“ sei. Ebenfalls für 2019 eingeplant ist der Band „America“ mit 300 Bildern aus Ungerers Zeiten in den USA.
Alle Bücher Tomi Ungerer im Diogenes Verlag gibt es hier im Überblick.
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