Warum sind Mitarbeiter oft mit ihren Vorgesetzten unzufrieden? Es sind mangelnde Wertschätzung und Anerkennung sowie Sinn und Zweck der Arbeit, die ihnen manchmal fragwürdig erscheinen. Muss das sein?
Nein, sagt HR-Spezialistin Sonja Grave. Aber richtig zu loben setzt Bereitschaft und Aufmerksamkeit voraus. Im HR-Channel von buchreport.de zeigt sie aus der Perspektive des Mitarbeiters, worauf es ankommt, damit er nach dem Chefgespräch stolz und stark aus Ihrem Büro marschiert.
Einfach loben und wertschätzen – schon läuft es mit dem Team?
Nein, so einfach ist es heute nicht mehr. Egal, ob Sie im hierarchisch aufgebauten und seit Jahrzehnten auf diese Weise erfolgreich operierenden Mittelstandsunternehmen arbeiten oder in einem hippen und jungen Start-up, in dem man jeden duzt, am Kickertisch neue Konzepte entwickelt und mit dem Chef beim Feierabendbier noch im Büro anstößt, tätig sind: Chefs benötigen heute mehr denn je ein Gespür für Menschen und deren Bedürfnisse. Vieles in der Mitarbeiterführung kann man lernen. Aufmerksamkeit und ein ernsthaftes, wertschätzendes Interesse an Menschen, die in der heutigen Arbeitswelt bei Führungskräften einfach unerlässlich sind, lassen sich dagegen kaum trainieren. Denn sie entspringen einer grundsätzlichen Haltung und weniger bestimmten methodischen, erlernbaren Kniffen.
Liebe Chefs, zeigt Interesse!
Viele Faktoren bestimmen und formen unser persönliches Wertesystem, was sich wiederum maßgeblich auf unsere Ansichten und Verhaltensweisen auswirken kann. Was das mit Ihrem Chef zu tun hat? Dem geht es genauso, nur dass sich bei Führungskräften daraus individuelle Führungsstile ableiten. Denn die Erfahrung aus hunderten Feedback-Gesprächen in unterschiedlichen Unternehmen aus der Sicht der HR zeigt: Besonders Empathie ist eine Fähigkeit, die vielen Vorgesetzten abgeht, aber besonders gefragt ist – jedenfalls aus Sicht der Angestellten. Chefs müssen sich in ihr Team hineinversetzen können. Sie müssen sich Fragen widmen können wie „Was sind die Wünsche, was steckt hinter der Motivation jedes Einzelnen?“ In der heutigen agilen Arbeitskultur ist das Gehalt nämlich immer weniger entscheidend für die berufliche Erfüllung. Wir streben zwar dennoch nach Aufstieg und Erfolg, wünschen uns aber vor allem Vereinbarkeit von privatem und beruflichem Glück. Während vor wenigen Jahren Work-Life-Balance, also die Ausgewogenheit zwischen Arbeitszeit und privatem Leben das Stichwort war, rückt jetzt die Work-Life-Integration in den Mittelpunkt. Das bedeutet für konkret: Arbeit und Privates verschmelzen mehr und mehr.
Personalkonzepte für die Zukunft
Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr
Vorbild, wo sind Sie?
Vor allem die jungen Arbeitnehmer unter uns, die Young Professionals, wollen nicht einfach „ihren Job machen“. Das reicht mittlerweile einfach nicht mehr aus. Sie wollen sich selbst in diesem Job finden, ihre Ideen mit einbringen und verwirklicht sehen. Warum? Weil es ihnen einfach wichtig ist und für sie Sinn stiften kann. Dass man gehört wird, dass man gegenseitig aufeinander Acht gibt, dass man mit seinem Leben und eben auch der beruflichen Tätigkeit die Welt ein kleines bisschen besser macht, zumindest erstmal zwischenmenschlich. Sie wollen nicht geführt werden, à la Ober sticht Unter – sie wollen mitbestimmen, sie wollen Orientierung und gleichzeitig respektiert werden und im besten Falle ihrem Chef und ihren Werten folgen. Sie wollen denjenigen folgen, zu denen wir aufblicken können.
Mehr als nur ein Job
Der Job ist ein Teil von unserem täglichen Leben geworden. Für viele ist der Job auch das Hobby, das Steckenpferd. Während wir früher zur Arbeit gingen, um am Ende des Monats Geld auf dem Konto zu sehen, ist heute Selbstverwirklichung gefragt. Natürlich ist das Gehalt auch heute noch wichtig, steht aber ab einer gewissen Stufe nicht mehr im Vordergrund. Und genau das sollten die heutigen Chefs erkennen: Wir wollen nicht mehr einfach nur an-gestellt werden. Wir wollen Teil eines großen Ganzen sein, nicht so einfach auszutauschen, sondern wertgeschätzt werden. Ehrenmann/Ehrenfrau ist 2018 Jugendwort des Jahres geworden: Zu Recht, denn respektvolles und verlässliches Handeln ist gefragter denn je.
Schon klar, wir erwarten viel, geben aber noch viel mehr. Oder ist es zu viel verlangt, dass eine Führungskraft empathisch sein soll? Dass sie aktiv zuhört? Dass der Chef ein gesundes und reflektiertes Selbstwertgefühl hat und selbstverständlich sich selbst und den eigenen Handlungen im Unternehmen den Spiegel vorhält? Leider ist dennoch Selbstreflexion eine der größten Schwächen in der oberen Etage. Feedbackgespräche gibt es von oben nach unten. Aber kaum irgendwo spiegelt sich der Führungskraft die eigene Leistung zurück.
Wahre Worte statt Lobhudelei
Wie jedes Jahr haben wir uns von den Chefs dieser Welt auf der alljährlichen Weihnachtsfeier den Satz anhören können, der schon beinahe genauso fix dazugehört wie das Amen im Gebet: „Ohne Sie wäre das Unternehmen nichts.“ Können wir dieses einstudiert wirkende, allgemeine Lob überhaupt ernst nehmen? Von einigen Chefs sicherlich. Aber Wertschätzung und Anerkennung braucht niemand, wenn sie nicht echt ist. Was wir von einer guten Führungskraft nämlich erwarten, ist ehrliches Feedback, ernstgemeintes Lob und Wertschätzung, die sich neben der Rede bei der Weihnachtsfeier auch in Taten widerspiegelt. Das bedeutet, dass Führungskräfte wirklich führen sollten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten sinnvoll verteilen und gute Leistung honorieren sollten – in Worten und in Boni, gleich welcher Form. Wer einen Arbeitgeber gefunden hat, der beides vereint, kann sich glücklich schätzen.
Liebe Chefs (und solche, die es werden wollen): Es lebe die soziale Kompetenz, trotz und gerade in Zeiten der Digitalisierung, wenn eine E-Mail oder Slack-Nachricht schnell getippt ist. Setzen Sie auf persönliche Kommunikation. Empathisches Handeln ist oft gleichbedeutend mit Erfolg – es gibt uns Sicherheit und stiftet Sinn. Haben Sie ein ehrliches Interesse an den Angestellten und wenn es nicht anders möglich ist, setzen Sie auf Ihre tägliche To-Do-Liste den Punkt „mit den Mitarbeitern reden“. Denn immer mehr suchen sich nur mehr Arbeitgeber, die das können. Also seien Sie auf der Hut und versuchen Sie es mal!
Sonja Grave verantwortet den Personalbereich beim Online-Finanzportal Compeon.
Mit freundlicher Genehmigung von kununu, der nach eigenen Angaben größten Arbeitgeber-Bewertungsplattform in Europa.
Kommentar hinterlassen zu "Warum Mitarbeiter meckern und Chefs nicht zuhören"