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Attacke aus dem Untergrund

Die gefakte Ausgabe von NZZ online vom 6. März 2016 hat breites Echo in der Branche gefunden. Das Szenario: Die Preisbindung wurde aufgehoben, die Buchhandlungen verschwinden, bei Exlibris kriselt es, Thalia wird verkauft und Amazon räumt ab. Warum er diesen Zukunftsentwurf für realistisch hält, erläutert der Urheber der Aktion, der anonym bleiben möchte, im Interview mit buchreport.de.

Migros bereut die Kampagne, Thalia verkauft, Amazon siegt auf ganzer Linie – wie realistisch ist diese Dystopie?

Migros bereut die Kampagne – wäre schön, käme aber zu spät. Außerdem bereuen Täter niemals, sie rechtfertigen sich eher. Deshalb müssen sie ja auch immer geschasst werden, gehen nie freiwillig.

Thalia verkauft – das ist so unwahrscheinlich nicht, wenn Herrn Busch der Turnaround über die Nonbooks nicht gelingt und die Douglas-Aktie noch stärker leidet. Ob es dann die Holtzbrink-Gruppe wäre, ist sicher fraglich, sie wurde gewählt, weil sie für ungewöhnliche Engagements (Studi-VZ etc.) bekannt ist.

Amazon siegt auf ganzer Linie –  das ist leider nicht so unrealistisch. Zumindest im E-Book-Markt könnte das sein, wenn Amazon im „Verlegergeschäft“ Erfolg hat. Wenn man dann in der Schweiz ein Printzentrum kauft (Druckereien gibt’s billig) und von dort aus die Printausgaben nach Deutschland schickt, dann gute Nacht Preisbindung – und gute Nacht Sortimentermarkt.

Sind fixe Preise im E-Book-Zeitalter durchsetzbar?

Nicht, wenn die Preisbindung ausgehöhlt wird.

Sehen Sie auch Gefahren für den deutschen Markt durch ein „Nein“ des Volkes zur Buchpreisbindung?

Definitiv ja. Ein Global Player wird sich diesen ertragsstarken Markt nicht entgehen lassen.

Andere protestieren mit offenen Briefen oder Plakaten. Warum wählen Sie diesen Weg?

Die Frage ist, wie man etwas erreicht. Manchmal ist eine humorvolle Provokation wirkungsvoller als der bierernste Protest.

Sollten Sie Herbert Bolliger einmal in einem Aufzug treffen, was würden Sie ihn fragen?

Warum er sich selbst in den Fuß schießt … Im Ernst: Die ganze Kampagne kann nur ein Ziel haben: Bolliger zum Nachdenken zu bringen. Er ist eindeutig der Key-Player. Solche Situationen sind selten in der Geschichte, aber es gibt sie.

Wenn der Handel mit seltsamen Derivaten zu Beginn des Jahrtausends nicht von Gerhard Schröder und Joschka Fischer freigegeben worden wäre, dann wäre uns in Deutschland die Immobilienkrise und ihre schweren Folgen erspart geblieben. Interessanterweise macht niemand diese beiden persönlich verantwortlich. Das wird auch beim Fall der Preisbindung mit allen Folgen so sein: Niemand wird auf Herbert Bolliger zeigen. Dabei ist er es, und er allein, der das Schicksal einer ganze Branche zum Guten oder zum Schlechten wenden kann. Was aussieht wie eine solitäre Unternehmensentscheidung, ist in Wahrheit das Schicksal einer jahrhundertealten Tradition, eines Kulturerbes. Wenn die NZZ-Fake-Seite dafür ein Bewusstsein erwecken kann, dann hat sie ihren Zweck erfüllt – besser als ein gutgemeinter Feuilleton-Artikel in „NZZ“, „SZ“, „FR“ oder „FAZ“. Außerdem macht es immer Laune mit Loddar Maddhäus „a Spässle“ zu machen.

Die Fragen stellte Daniel Lenz.

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