Der E-Publishing-Dienstleister Readbox prägt den deutschen Markt mit. Dennoch – oder gerade deshalb – steht er in einem permanenten Prozess der eigenen Neuerfindung. Anfang Juli 2016 teilte er die Aufnahme zweier weiterer Mitglieder in sein Führungs-Gremium mit. Geschäftsführer Ralf Biesemeier über die Herausforderungen einer Branche zwischen Marktdynamik und Margenverfall.
Es heißt, Genre-Belletristik wie Krimi, Thriller, Fantasy und Romance sei der „Category Killer“ im deutschen E-Book. Ist dies eine weltweite Konstante?
Den Begriff „Category Killer“ finde ich hier nicht ganz passend. Sicher machen diese Genres den größten Teil des E-Book-Marktvolumens aus, aber das ist auch sicher nicht überraschend (und jetzt auch nicht komplett unterschiedlich zum physischen Segment). Und auch weltweit ist das grundsätzlich nicht anders (Scribd z.B. hat nicht umsonst das Romance-Angebot rigoros zusammengestrichen – wenn zu viel gelesen wird, funktioniert das Businessmodell der Subscription-Angebote nicht mehr).
Ein „Category Killer“ definiert sich aber durch einen signifikanten Wettbewerbsvorteil, der es anderen Anbietern so gut wie unmöglich macht, im selben Markt profitabel zu agieren. Ich würde aber nicht sagen, dass andere Genres nicht stattfinden, weil Liebesromane im digitalen Bereich plötzlich für alle User da draußen so attraktiv sind, dass sie nichts anderes mehr lesen wollen. Im Gegenteil – ich glaube, dass grundsätzlich die Chancen im Internet so groß sind wie noch nie, auch kleine Nischen profitabel zu bedienen. Nur funktioniert das nicht mit den gelernten Mechanismen aus der physischen Welt. Die Verlage müssen hier weniger Handel und (wesentlich) mehr Direktgeschäft denken.
Im Umkehrschluss bedeutet dies: In Literatur und Special Interest könnte Musik sein. Wie viel Musik?
Ganz sicher ist da Musik drin. Aber der Mix funktioniert anders. Schauen Sie sich mal im Zeitschriftenbereich zum Beispiel die „Brigitte“ an. Das „One-Size-Fits-All“-Mainstream-Produkt wollen immer weniger Leute und das spiegelt sich seit Jahren auch in der Auflage der „Brigitte“ wieder. Der Kunde hat gelernt, dass er – besonders wenn es um digitale Produkte und Vertriebswege geht – im Prinzip immer auch genau das bekommt, was ihn in diesem Moment interessiert, und zwar ohne großen Streuverlust.
Um beim „Brigitte“-Beispiel zu bleiben: Werfen Sie einen Blick auf das „Brigitte“-Portfolio heute. Das besteht inzwischen aus ganz unterschiedlichen (Nischen-)Titeln, die das jeweilige Bedürfnis des Lesers ganz zielgerichtet befriedigen: „Brigitte Mom“, „Brigitte kreativ“, „Brigitte Woman“, „Brigitte Biografie“… Und auch dieses Beispiel zeigt: Es geht gar nicht so sehr darum, ob das Endprodukt digital ist oder nicht. Es geht um den Weg zum (richtigen) Kunden, seine „Customer Journey“ und wie ich ihn erreiche und zum Kauf meines Produkts bewege.
Was sind im E-Reading die wichtigsten Technologie-Trends der letzten ein, zwei Jahre?
Ich weiss gar nicht, ob es da so viele gegeben hat … Spannender ist vielleicht der Blick nach vorn, und da stellt sich die Frage, inwieweit sich „gekapselte“ Formate wie epub noch durchsetzen können. Ich glaube, hier haben wir die Decke langsam tatsächlich erreicht. Wachstum wird dort geschaffen werden, wo sich die Formatfrage nicht mehr stellt und das Lesen nativ im Browser (bzw. für den Nutzer nicht mal merklich im Browser) stattfinden wird. Und dann sind wir wieder beim Marketing-Mix, denn einen 500-Seiten-Roman lese ich da nicht. Da passt das Produkt nicht zum Distributionsweg und Nutzungskonzept. Kurze, eher schnell (und vor allem einfach und auch günstig) zu konsumierende Stücke, so werden wir unseren Zielkunden vielleicht ein attraktives Alternativangebot zu CandyCrush und Facebook-Katzenvideos machen können. Hier können wir sicher auch von Konzepten wie Wattpad und Blendle lernen.
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