KULTUR Dass Fußball und Bücher gut zusammenpassen, zeigen zwei Initiativen: Die Akademie für Fußball-Kultur vergibt den Preis für das Fußballbuch des Jahres. Ein Projekt der LitCam unterstützt lernschwache Schüler mit Sportunterricht.
Fußball ist mehr als das Spiel auf dem Platz, es ist ein kulturelles und soziales Phänomen, sagt Andreas Schade über die Verbindung von Fußball und Kultur im Interview (s. rechte Seite): „Wer heutzutage Fußball immer noch als proletarischen, irrelevanten Zeitvertreib versteht, der hat die soziologische, politische und ökonomische Bedeutung des Spiels nicht gänzlich erfasst.“
Schade ist für die Auszeichnung Fußballbuch des Jahres zuständig, die die Akademie für Fußball-Kultur jährlich vergibt. Die Akademie versteht sich als Anlaufstelle „für all diejenigen, die den Fußballsport als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen wahrnehmen“. Dazu gehört neben der Funktion als Kontaktbörse, Infopool und Kulturveranstalter auch die Verleihung von Fußball-Kulturpreisen, etwa den Walther-Bensemann-Preis für außergewöhnliches Engagement im Fußball, den Fanpreis und den Preis für den Fußballspruch des Jahres.
Fußballbücher werden seit 2006 ausgezeichnet und erhalten den mit 5000 Euro dotierten, vom Kreditanbieter EasyCredit unterstützten, Preis für das Fußballbuch des Jahres. Das Urteil fällt die Akademie-Jury, der der ehemalige Sportchef der „Süddeutschen Zeitung“ Ludger Schulze, der Herausgeber der „FAZ“ Jürgen Kaube, Katja Kraus, geschäftsführende Gesellschafterin der Sportmarketing-Agentur Jung von Matt/sports, Mitglied im Adidas-Aufsichtsrat und ehemalige Nationalspielerin, sowie andere Szenekenner angehören. „Wir bemühen uns, unserer Jury einen möglichst umfassenden Überblick über alle relevanten Fußballbücher mit auf den Weg zu geben. Das geschieht in eigener Recherchearbeit und daher sind wir dankbar, wenn uns Nachrichten über Neuerscheinungen seitens der Verlage erreichen“, erklärt Schade. Jeder Juror nominiert einen Titel und begründet die Wahl schriftlich. In diesem Jahr werden die ersten Nominierungen ab Mitte Juni erwartet und anschließend auf der Internetseite der Akademie veröffentlicht. Der Siegertitel wird dann im Vorfeld der Preisverleihung im Herbst bekannt gegeben.
Unter den ausgezeichneten Autoren fanden sich in der Vergangenheit Jorge Valdano, Péter Esterházy, Ronny Blaschke, Thomas Kistner und Christoph Ruf. Im vergangenen Jahr wurde Christoph Biermann als erster Autor zum zweiten Mal ausgezeichnet. Die Gewinnertitel „Wenn wir vom Fußball träumen“ (2015) und „Die Fußball-Matrix“ (2010) sind bei Kiepenheuer & Witsch erschienen. Die Auszeichnung im vergangenen Jahr sei „eine großartige Bestätigung für die Arbeit von Christoph Biermann – und für das doch recht umfangreiche Fußballprogramm bei KiWi, von Nick Hornby bis zu den Büchern über den Heimatverein 1. FC Köln“, erklärt Lutz Dursthoff, Cheflektor Sachbuch. Insgesamt bereits dreimal wurden Titel aus dem Verlag Die Werkstatt ausgezeichnet, mehrfach belegten die Bücher aus Göttingen den zweiten oder dritten Rang und in jedem Jahr ist mindestens ein Werkstatt-Titel auf der Shortlist vertreten. Wie KiWi wirbt auch Die Werkstatt offensiv mit dem Preis, der dem Verlag Renommee und Aufmerksamkeit bringt, wie Öffentlichkeitsarbeiter Enno Brand festgestellt hat. Ob durch den Preis auch mehr Bücher verkauft werden, können beide Verlage nicht feststellen. „Entscheidend ist das Buch und das Thema selber: Wenn das Buch schon vorher ein Publikumserfolg war, dann wird das mit der Auszeichnung in der Regel noch verstärkt“, so Brand. Handelt es sich aber um einen Titel mit einem sehr speziellen Thema, der bereits schwer verkäuflich ist, helfe auch die Auszeichnung nicht unbedingt weiter. „Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist aber sicher auch, dass mit diesem Preis die Anerkennung des Fußballbuchs insgesamt gestiegen ist – nicht nur beim Kunden und in der Presse, sondern auch im Handel.“
Besser lesen und schreiben mit Fußball
Die Akademie für Fußball-Kultur vergibt darüber hinaus auch den vom Tessloff Verlag mit 5000 Euro gesponserten Fußball-Bildungspreis „Lernanstoß“. Mit der Auszeichnung werden pädagogische Projekte für Kinder und Jugendliche prämiert, die Fußball als Mittel der Bildungsarbeit einsetzen. Über den Sponsor hinaus gab es im Jahr 2010 eine weitere Verbindung zur Buchbranche, als das Projekt „Fußball trifft Kultur“ der LitCam (Frankfurt Book Fair Literacy Campaign) ausgezeichnet wurde. Die LitCam wurde 2006 von der Frankfurter Buchmesse, dem UNESCO Institute for Lifelong Learning und dem Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung ins Leben gerufen und hat sich die Vermittlung von grundlegenden Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen und den Umgang mit digitalen Medien zum Ziel gesetzt. Im Mittelpunkt steht vor allem die Integration und Optimierung der Chancen benachteiligter Gruppen.
Eines der dafür innerhalb der LitCam gegründeten Projekte ist „Fußball trifft Kultur“, das seit 2007 existiert. Die fußballinteressierte LitCam-Direktorin Karin Plötz war durch einen Freund aus England auf die Idee gekommen. Der Fußballtrainer und Mathe- und Physiklehrer einer Schule in einem sozialen Brennpunkt hat seinen Schülern klargemacht, dass sie nicht auf dem Platz stehen, wenn sie im Unterricht nicht aufpassen. Plötz hat die Idee aufgegriffen, ein Konzept entwickelt und damit bei einer Ausschreibung 50.000 Euro Startkapital gewonnen. Erste Erfahrungen sammelte sie nach dem Projektstart in Frankfurt an der Karmeliterschule. Heute sieht das Konzept so aus:
- An einer Schule in einem sozialen Brennpunkt werden 24 Kinder aus der 3. und 4. Klasse oder 5. und 6. ausgewählt.
- Sie erhalten mindestens ein Jahr lang zweimal in der Woche Fußballtraining und Ergänzungsunterricht, hauptsächlich im Bereich Sprachförderung.
- Einmal im Monat finden unterschiedliche kulturelle Events statt, etwa Theater-, MINT- oder Rap-Poetry-Workshops, Lesungen und Museumsbesuche.
- Auch Stadionbesuche gehören dazu. „Durch Kooperationen mit Bundesligavereinen bieten wir den Kindern einen sehr guten Anreiz“, so Plötz. „Die Vereine stellen uns Jugendtrainer, und wenn diese in ihrer Kluft kommen, ist das für die Kinder etwas ganz Besonderes. Da sind sie doppelt aufmerksam.“
- Am Ende des Schuljahres findet ein Abschlussturnier statt. In diesem Jahr kommen mehr als 500 Kinder und 80 Betreuer in Frankfurt zusammen und spielen um den FTK-(„Fußball trifft Kultur“)-Wanderpokal.
Warum gerade Fußball? „Anfangs war die Grundannahme: Kinder lieben Fußball“, so Plötz. Im Laufe der Jahre hat sie festgestellt, dass die Kinder durch Bewegung viel konzentrationsfähiger werden, sich der Teamgeist bessert und – vor allen Dingen bei Kindern mit Migrationshintergrund – Fußball ihnen eine Struktur gibt: „Die haben sie sonst nicht. Aber bei uns wissen sie, dass sie pünktlich sein und sich an Regeln halten müssen.“ Hinzu kommt, dass durch den Fußballtrainer auch eine Leitfigur da sei und gleichzeitig jemand, dem sie trauen.
Die Verlagsbranche wurde offener
In der Verlagsbranche hat Karin Plötz zu Anfangszeiten noch Schwierigkeiten gehabt, dort hätte man mit Fußball nicht so viel anfangen können. Aber: „Das hat sich seit einigen Jahren rigoros geändert. Auch in der Verlagsbranche gibt es viele Fußballbegeisterte, die verstehen, was der Fußball für die Integration leisten kann.“ Mit Verlagen wie Mildenberger, Tessloff und Arena gibt es Kooperationen, sie statten „Fußball trifft Kultur“ mit Büchern und Lehrmaterialien aus. Künftig werden Lehrer und Trainer gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe aufgrund der bisherigen Erfahrungen ein Unterrichtskonzept entwerfen.
Die Zahl der Teilnehmer hat von Jahr zu Jahr zugenommen, insgesamt hat bislang eine vierstellige Zahl an Kindern am Projekt teilgenommen. „Als ich angefangen habe, habe ich nicht gedacht, dass es so groß wird. Aufgrund unserer Erfahrungen können wir sagen, dass es wirkt“, zieht Plötz nach fast zehn Jahren ein positives Fazit und erzählt von Paul aus dem Kongo, der kein Deutsch konnte, als er am Projekt teilnahm. Jetzt macht er sein Fachabitur und trainierte bis vor Kurzem eine „Bambini“-Mannschaft. Von Benita, die zwei Jahre am Projekt teilnahm, durch die Projektpatin und ehemalige Nationalspielerin Nia Künzer ein Probetraining beim 1. FFC Frankfurt erhielt, angenommen wurde und es bis in die Hessenauswahl geschafft hat. Und von Dusan, der zwar begeistert Fußball spielte, es aber nicht so genau nahm mit der regelmäßigen Teilnahme. Er nahm sich die Worte des Projekt-Fußballtrainers zu Herzen, dass er es ohne Disziplin, Pünktlichkeit und gute Schulnoten nicht zum Fußballprofi schaffen könne. Ein Jahr später durfte er bei Eintracht Frankfurt vorspielen und steht heute im Kader der U14. Fußball ist eben mehr als das Spiel auf dem Platz.
Christina Reinke reinke@buchreport.de
Fotos: Ralf Lang/Deutsche Akademie für Fußball-Kultur
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