Rainer Moritz, Autor, Literaturkritiker und Leiter des Hamburger Literaturhauses, kritisiert in der „Neuen Zürcher Zeitung“ das im Oktober im ZDF neu gestartete „Literarische Quartett“.
Nach knapper Abmeierei von Konzept, Sendezeit, Moderator und den rhetorischen Fähigkeiten der Kritikerkollegen enthüllt Moritz unter der Überschrift „In Kölner Hand“ eine Netzwerkerei, in deren Zentrum der Verlag Kiepenheuer & Witsch steht: Die Stammbesetzung des Quartetts, die Journalisten Volker Weidermann (SPIEGEL) und Christine Westermann (u.a. WDR) sind KiWi-Autoren, der Autor Maxim Biller bringt seinen nächsten Roman bei Kiepenheuer & Witsch raus und auch Eva Menasse, Gast der nächsten Quartett-Runde (26. Februar) hat überwiegend bei dem Kölner Verlag veröffentlicht. Eines der zur Diskussion gestellten Bücher, Benjamin von Stuckrad-Barres „Panikherz“, erscheint ebenfalls bei Kiepenheuer…
Moritz fragt: Ignoranz, Gleichgültigkeit, Tollpatschigkeit?
Das Ausgewogenheits-Controlling des ZDF versichert, die Verlagsherkunft spiele bei der Zusammensetzung des „Literarisches Quartetts“ keine Rolle. Der jeweilige Gast der Runde werde nach inhaltlichen Gesichtspunkten ausgewählt und die Verantwortung für die Auswahl der Bücher liege bei der ZDF-Redaktion. Die führt folgende Streuungs-Statistik:
- 3x Fischer Verlag
- 2x Kiepenheuer & Witsch
- 2x Hoffmann & Campe
- je 1x Kein & Aber, Blumenbar, Hanser, Suhrkamp, Berlin Verlag, Galiani, Luchterhand, Elfenbein und Aufbau.
Bei Kiepenheuer & Witsch ist noch unklar, ob man die starke Präsenz als Kompliment verstehen möchte. Offiziell wird tief durchgeatmet: „Da hat der unbestechliche Rainer Moritz einen echten Skandal aufgedeckt. Dass Jury-Positionen für das Literarische Quartett von der Redaktion nach Proporz besetzt werden sollen, ist ein herrlicher Vorschlag“, wird Verleger Helge Malchow zitiert. „Besser wäre aber meines Erachtens weiterhin: nach Eignung. Der Text von Rainer Moritz zeigt lediglich: er hält die Besetzung der Jury für verfehlt, ebenso die bisherige Auswahl von Büchern. Sein gutes Recht.“
Hätze man da nicht einen anderen Titel verwenden können? Ich nenne mich nu schon über mehrere Jahre KiWiKomploTT und nun werde ich immer mit diesem Ableger in Verbindung gebracht.
Naja, man muss keine Verschwörung wittern, um zu wissen: Der KiWi-Autor Weidermann verficht seit langem eine Vorstellung von Literatur, die gewisse Konvergenzen mit dem KiWi-Programm aufzeigt. Das bewist zunächst nicht mehr, als dass Kritiker ebenso wie Verlagslektorate nicht ganz willkürlich agieren.