Fachinformation weckt Investorenfantasie: Vor drei Jahren wurde in München von der Private-Equity-Firma Management Capital Holding die European Professional Publishing Group (EPPG) gegründet mit dem Ziel, ein führender Anbieter von Fachinformationen zu werden. Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll der Umsatz von rund 48 Mio Euro (Planung für 2011) auf über 100 Mio Euro wachsen, sagt CEO Thomas Forner (Foto: re., mit buchreport-Chefredakteur Thomas Wilking) im Interview.
Zu diesem Zweck agiert Forner neuerdings in einer Doppelspitze mit dem Medien- und Verlagsmanager Andre Weijde, der als CFO die Verantwortung für Finanzen, Rechnungswesen und Controlling (buchreport.de berichtete) übernimmt.
Nach Einschätzung von Forner gibt es genügend Akquisepotenzial, im Fokus lägen vor allem Ergänzungen der bestehenden Stränge mit den größten Bereichen Bau/Architektur und Handel. Das Ziel sei jeweils, die in ihrem Bereich führenden Medien und Marken zu kaufen und weiterzuentwickeln, indem (Forner:) „wir nicht nur eine Zeitschrift machen, sondern die ganze Medienklaviatur bespielen“.
Im buchreport-Interview spricht er über die Entwicklung im Fachinformationsmarkt und die Herausforderungen und Chancen in der jungen Verlagsgruppe.
Was macht das Fachverlagsbusiness für Investoren besonders attraktiv?
Im Gegensatz zu internationalen Märkten ist der deutsche Markt noch sehr kleinteilig, sehr fragmentiert. Es sind oft gute Unternehmen, es gibt aber auch solche, in denen Ansätze moderner Fachinformation, wie man sie in angelsächsischen Ländern sieht, noch nicht umgesetzt werden. Der Markt ist aus unserer Sicht unterbewertet, weil sich die Fachinformationsbranche teilweise zu schlecht verkauft.
Woran fehlt es?
Fachverlage bearbeiten relevante Themen, problematisieren häufig aber eher, als dass sie ihren Kunden Lösungen aufzeigen und sich als Player im Entscheidungsprozess platzieren. Es muss zum Selbstbewusstsein von Fachverlagen gehören, dass sie sich als Medien verstehen, die ganz wesentlich zur Entscheidungsfindung ihrer Leser beitragen.
Wie sieht das in der Umsetzung aus?
Die „Detail“, eine internationale Fachzeitschrift für Architektur, ist ein gutes Beispiel dafür. Sie ist mit ihrem Angebotsspektrum schon seit Jahrzehnten ein Arbeitsmittel für den Architekten, das im Arbeitsprozess eingesetzt wird und für die Entscheidungsfindung sehr relevant ist. Um diesen einen Kundenzugang haben wir weitere Produkte platziert. Fachinformation war in der Vergangenheit häufig zersplittert: Der eine hat Loseblatt gemacht, der andere eine Zeitschrift und ein Dritter Bücher. Es geht heute aber vielmehr darum, verschiedene Medienkanäle, also z.B. Print, Online, aber auch Veranstaltungen zu besetzen, um bei den Zielgruppen permanent präsent zu sein.
Die verschiedenen Kommunikationskanäle müssen sich dabei nicht gegenseitig kannibalisieren. Wenn man das vernünftig austariert, unterstützen sie sich gegenseitig.
Welche Risiken enthält der Medienwandel für den Bereich der Fachinformation?
Es gibt Chancen und Risiken. Inhalte, die austauschbar vielfach publiziert werden und wenig Nutzen im Arbeitsprozess stiften, werden in der Regel kaum bezahlt. Wenn man dagegen tief in den Arbeitsprozess der Leser eindringt, lässt sich das monetarisieren. Unsere Aufgabe ist es, vom täglichen breit gestreuten, anzeigenfinanzierten Newsletter über Abonnements für entscheidungsrelevante Informationen bis zu Nutzungsgebühren für konkrete Problemlösungssysteme ein umfassendes Angebots- und Erlösmodell vorzuhalten.
Wirtschaftsinformation ist jeweils stark in ihrer Branche verankert. Wozu braucht es einen Gruppenüberbau wie die EPPG?
Unsere Holding steuert den Transformationsprozess, indem wir mit den einzelnen Unternehmen Ideen generieren und helfen, diese Ideen schnell und konsequent umzusetzen. Die jeweilige Einheit hat das inhaltliche Know-how und den Kontakt zum Kunden. Die methodische Frage aber, wie ich zum Beispiel eine Website baue und wie ich sie optimiere, ist keine Kernkompetenz eines Fachverlags. Das bringt die Gruppe mit ein, indem wir auch ganz bewusst Unternehmensprofile integriert haben, die nicht aus dem Verlagsumfeld kommen, sondern aus dem Internet-, dem Software- oder dem Fernsehbereich. Hier arbeiten wir also mit einem breiteren Ansatz.
Wie groß ist die Herausforderung, aus Zukäufen eine Gruppe zu schaffen und die notwendigen Synergien herzustellen?
Die größte Herausforderung ist es, die Kernkompetenzen des jeweiligen Unternehmens klar herauszuarbeiten, sie zu verstärken und die Mitarbeiter bei dieser Weiterentwicklung mitzunehmen. Daran arbeiten wir tagtäglich. Das hat sehr viel mit Kommunikation zu tun. Es geht darum, Leute zu schulen, Themen auszubauen, aber auch neue Profile heranzuholen. Erste Ergebnisse sind sichtbar: Die beiden Unternehmen, die am längsten zu unserer Gruppe gehören, sind auch die, die am schnellsten wachsen.
Funktioniert das dezentral?
Es ist nicht zwangsläufig notwendig, alles an einem Standort zusammenzuziehen. Viel wichtiger ist es, dass die Mitarbeiter ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, innovativ und motiviert sind und erkennen, dass es ihre Hauptaufgabe an den dezentralen Standorten ist, den Kunden zu „bearbeiten“. Welche Systeme eingesetzt werden, mit welchem Buchhalter man arbeitet und in welcher Druckerei produziert wird, das sind zentrale Themen. Die schlanke Holding hat dabei die Aufgabe, Methoden zu generieren, diese auf die Verlage zu übertragen und sie dort zu standardisieren, wo es sinnvoll ist. Das gilt insbesondere bei CRM-Systemen. Wir verfügen über Systeme, mithilfe derer wir genau sehen, mit wie vielen Adressen wie viele Angebote und Neukunden generiert werden oder wie die Nutzerführung bei Online-Angeboten ist. Gerade deshalb bleibt die Kundenbearbeitung dezentral in den operativen Einheiten, denn da geht es um Kontinuität, um Präsenz beim Leser und darum, Gesicht am Markt zu zeigen.
Interview: Thomas Wilking
Das komplette Interview ist im buchreport.spezial RWS 2011 erschienen (hier zu bestellen).
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