Im Februar hat Judith Weber die Programmleitung des Mare Verlags übernommen. Passenderweise gab eine Reise den Anlass für ihre Lektüre, die sie jetzt im Buchtipp der Woche empfiehlt:
„Einer Einladung des sympathischen Teams von Latvian Literature folgend, verbrachte ich im vergangenen Jahr ein paar Tage in Riga, um die dortige Literaturszene kennenzulernen. Aus dem Lettischen ist erst verhältnismäßig wenig ins Deutsche übertragen worden, und das Wenige interessiert mich nach den inspirierenden Tagen in Riga umso mehr. Deshalb habe ich gerade ‚Muttermilch‘ von Nora Ikstena gelesen.
Der Roman erzählt die Geschichte zweier Frauen, Mutter und Tochter, im sowjetisch okkupierten Lettland zwischen 1944 und 1989. Die Mutter, eine ehrgeizige Gynäkologin, gerät in Konflikt mit dem politischen System und empfindet die ihr auferlegten Beschränkungen so stark, dass sie am Leben verzweifelt und fürchtet, sie könne den eigenen Säugling mit ihrer bitter gewordenen Milch vergiften. Was kann sie ihrem Kind schon geben, wenn sie es in einem Käfig zur Welt bringen muss? Besonders fasziniert am Roman hat mich die nuanciert dargestellte Beziehung der beiden Frauen, die vor dem Hintergrund der politischen Repressionen zeitlebens von einer gegenseitigen, manchmal sogar zärtlichen Abhängigkeit und dem Trauma der vorenthaltenen Mutterliebe geprägt bleibt.“
Nora Ikstena: Muttermilch, 214 S., 16,90 €, KLAK, ISBN 978-3-948156-17-6
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