Die Debatte über Christian Kracht (Foto: Frauke Finsterwalder) und die Moral seiner jüngsten Geschicht‘ (hier mehr) ebbt nicht ab. Die „taz“ springt dem SPIEGEL-Kritiker Georg Diez zur Seite, andere Medien lehnen die Rassismus-Vorwürfe ab. Der Medienrummel um den Autor beschert dessen Verlag Kiepenheuer & Witsch einen Erfolg, wie die neue SPIEGEL-Bestsellerliste zeigt.
Auf der neuen SPIEGEL-Bestsellerliste Belletristik (ab heute Nachmittag auf buchreport.de und kommenden Montag im gedruckten SPIEGEL) rangiert Krachts Roman auf Platz 7.
In den Feuilletons polarisiert der Autor weiterhin. Die „taz“ zeigt Sympathie für den unter Beschuss genommenen SPIEGEL-Kritiker Georg Dietz. Nachdem dieser dem Autor rechtes Gedankengut unterstellt habe, hätten die Freunde Krachts, die in den wichtigen Feuilletons des Landes gut verteilt säßen, den Autor verteidigt. Dabei aber Dietz‘ wesentliches argumentatorisches Standbein ausgeblendet: einen veröffentlichten, „mitunter erschreckenden“ Mailverkehr zwischen Kracht und dem Künstler David Woodart, der in der Tat sehr völkische Ideologien offenbare.
Das „Hamburger Abendblatt“ (22.2.2012) attestiert Kracht einen „seltenen, feinen Humor, den Anhänger des brüllend Komischen wohl nicht erkennen.“ Diez‘ Vorwürfe seien konstruiert. „Man meint, er habe einen anderen Roman gelesen und bewusst eine Sensation herbeischreiben wollen. So reißt er etwa Zitate aus dem Zusammenhang, stellt damit falsche Bezüge her und wird dem hochliterarischen Ton des Romans, einer heiteren Satire über Weltverbesserer und Aussteiger, einer tragischen Groteske von schrulligem Glücksrittertum, falschen Propheten und Wirrköpfen, nicht gerecht.“
Der „Tagesspiegel“ hat sich gestern (21.2.2012) gefragt, ob der Roman die Aufregung überhaupt wert seu. Schon in den „Tristesse-Royale“-, „Mesopotamia“- und „1979“-Zeiten (so die Titel früherer Kracht-Bücher) habe sich eine Leere hinter der Krachtschen Kunstfertigkeit gezeigt, seine „Leidenschaft für Ironie, auf die er sich im Ernstfall immer wieder zurückziehen kann“.
In der „Stuttgarter Zeitung“ unterstellt der frühere Hoffmann & Campe-Literaturchef Rainer Moritz dem SPIEGEL, „obskure Rassismusvorwürfe“ an die Adresse des Autors zu richten und „jede literaturkritische Sorgfaltspflicht“ fahren zu lassen. Begeistert ist Moritz allerdings nicht vom Roman. Krachts „Welterklärungssnobismus“ wirke zwar selten penetrant und abgemildert, „wenngleich nicht zu übersehen ist, dass Krachts Neigung, Pirouetten um der Pirouetten willen zu drehen, kaum schwächer geworden ist.“
Kommentar hinterlassen zu "Erfolgreiche Pirouetten"