Die Allianz von Bertelsmann und Holtzbrinck schlägt nicht nur hierzulande hohe Wellen. Auch im Ausland verfolgen die E-Book-Experten genau, wie sich der Wettbewerb hierzulande verschärft, wie zahlreiche Berichte in den Branchenmedien zeigen. Mit Blick auf Libreka nimmt die Kritik an der strategischen Ausrichtung der Verbandsplattform zu.
Zwar haben sich die Bücherkonzerne angesichts der Allianz zum Vertrieb von E-Books ein Schweigegelübde auferlegt und nennen nur wenig Details zum Joint Venture (siehe „Schulterschluss im Überblick“ am Ende des Artikels) – insbesondere, weil das Projekt nach buchreport-Informationen noch im Rohbau ist, weshalb der frühe Zeitpunkt der Nachricht den Partnern ungelegen kommt. Doch trotz noch nicht spezifizierter Details des Konzepts zeichnen sich die Auswirkungen der Allianz bereits heute ab:
- Mit dem Joint Venture schließen sich die Buchverlagsgruppen mit der größten E-Expertise in Deutschland zusammen. Kürzlich hatte der Zürcher Agent Peter S. Fritz gegenüber buchreport beklagt, dass sich außer den beiden kein anderer Verlag bislang genügend intensiv mit dem E-Markt beschäftigt habe.
- Mit den Konzerntöchtern hgv (technischer Verlagsdienstleister von Holtzbrinck, ursprünglich bei der Libreka-Vorgängerin Volltextsuche Online mit an Bord), Arvato Services (Bertelsmann-Expertin für Kundenverwaltung) und vermutlich bald auch Arvato Systems (verwaltet und liefert u.a. die E-Books von Random House und Lübbe aus, mehr zum Portfolio hier) bündeln erfahrene Akteure auf dem digitalen Spielfeld ihre Kräfte.
- Laut Random House stammt jeder zweite E-Book-Titel in Deutschland von den Münchnern, weshalb RH eine „klare Marktführerschaft“ für sich reklamiert. In den zwölf Monaten bis März 2010 konnte die Bertelsmann-Tocher 100.000 Downloads verkaufen.
- Indem die Konzerne ihre Inhalte sowie die Titel anderer Verlage aggregieren, verbessert sich schlagartig die Verhandlungsposition gegenüber den bislang marktführenden E-Book-Portalen Apple und Amazon sowie (bald) Google.
- Auch auf einem anderen Schlachtfeld, beim Kampf um Backlist-Rechte, dürfte die Ausgangslage der verbündeten Verlage jetzt günstiger ausfallen, weil sie voraussichtlich höhere Tantiemen an Autoren ausschütten können.
Allianz nach ausländischem Vorbild
Mit dem Schulterschluss folgen die Bücherkonzerne dem Beispiel von anderen europäischen Großverlagen:
- In Frankreich sollen die E-Book-Plattformen Eden Livres (Flammarion, Gallimard, La Martinière/Le Seuil), Eplateforme (Editis, Média Participations, Michelin) und Numilog (Hachette Livre) künftig zu einem Katalog zusammengeschlossen werden.
- In Spanien machen die großen Player Planeta, Random House Mondadori und Santillana gemeinsame Sache, um noch in diesem Jahr rund 5000 elektronische Titel im Epub-Format auf den Markt zu bringen.
Was die Wettbewerbssituation der westeuropäischen Buchmärkte jedoch von der deutschen unterscheidet, ist die Tatsache, dass die dortigen Branchenverbände nicht mit großem finanziellem und verbandspolitischem Aufwand eine eigene Vertriebsplattform aufgebaut haben, die durch die Offensive der Konzerne jetzt noch stärker unter Druck gerät.
Bündnis bringt Libreka in die Bredouille
Spätestens bei den Berliner Buchtagen des Börsenvereins hat sich gezeigt, dass Libreka, das Leuchtturm-Projekt der Verbands-Wirtschaftstochter MVB, in einer Identitätskrise steckt. Die von MVB-Geschäftsführer Ronald Schild präsentierten Auswege, die bei den Verlegern ohnehin für Stirnrunzeln sorgten, erscheinen vor dem Hintergrund der Konzern-Offensive noch weniger aussichtsreich:
- Plan A: Der Bekanntheitsgrad von Libreka wird mit einer konzertierten Werbekampagne verbessert. Aber buttern die Verlage noch mehr Geld in ein Projekt, das konzeptionell und technisch hinterherhinkt und stets verbandspolitische Fragen berücksichtigen muss?
- Plan B: Libreka betreibt im Verlagsauftrag die Geschäfte mit den großen E-Book-Plattformen, wird dabei aber voraussichtlich nie die Verhandlungsposition der Großverlage erreichen, die jetzt ebenfalls auf Verlagsakquise gehen.
Auf Anfrage von buchreport reagiert Schild betont gelassen auf die Offensive. Es sei „klar, dass die Branchenteilnehmer mit Vertriebsstrukturen experimentieren“. Für Libreka sei die Kooperation keine Konkurrenz – man arbeite mit beiden Verlagsgruppen vertrauensvoll zusammen. Aktuell würden Gespräche mit verschiedenen Buchhändlern und Verlegern geführt, um in den nächsten Wochen für Libreka eine „konsensfähige Lösung zu präsentieren, in der sich der Großteil der Branchenteilnehmer wieder findet“.
Ravensburger-Chef kritisiert Libreka
Die vorgezeigte Gelassenheit von Schild sorgt jedoch in der Branche für Unmut. Diese sei nicht nachvollziehbar, erklärt Ravensburger-Chef Johannes Hauenstein: „Alle Ihre Wettbewerber werden das notwendige Geld in den Reichweitenaufbau stecken, was zu jedem Online-Geschäft als eine der Kernaufgaben gehört und damit die schon sehr geringe Relevanz von Libreka noch weiter relativieren“, erklärt Hauenstein gegenüber buchreport.de. Schon beim Thema Volltextsuche habe er vor Jahren seine Zweifel an der „Qualität“ von Libreka während der Buchtage geäußert, beim diesjährigen Auftritt sei klar geworden, dass wieder einmal eine „Branchenlösung“ mit unzureichend klarer und überprüfbarer Zielsetzung und damit auch mit unrealistischer Budgetausstattung „Hoffnungsprojekt“ abgeschrieben werden müsse.
Welche Perspektive hat der Zwischenbuchhandel?
Nicht nur für Libreka gibt es eine neue Ausgangsbasis, auch aus Sicht des Zwischenbuchhandels nimmt der Wettbewerb zu. Zwar bietet z.B. KNV den Verlagen den Vorteil, gedruckte und elektronische Titel aus einer Hand auszuliefern, andererseits tendieren aber immer mehr Verlage – wie Holtzbrinck – dazu, die E-Books nicht dem (Zwischen-)Buchhandel direkt zu überlassen, sondern lediglich eine Schnittstelle zum eigenen Server herzustellen. Vorteil: Änderungen an den E-Titeln müssen nur einmal vorgenommen werden. Folge: Wenn die Auslieferung ohnehin über den eigenen Server läuft, ist die Einbindung des Zwischenbuchhandels ins E-Geschäft nicht mehr zwingend.
Schulterschluss im Überblick
Bertelsmann und Holtzbrinck schließen sich zusammen, um auf einer gemeinsamen Online-Plattform E-Books an die Endkunden zu verkaufen. Die Details:
- An dem geplanten Joint Venture werden beide Parteien zu gleichen Teilen beteiligt.
- Der Fokus liegt auf deutschsprachigen E-Books aus der eigenen Produktion sowie von dritten Anbietern; die Konzerne wollen ihre elektronischen Titel weiterhin auch anderen Portalen zur Verfügung stellen.
- Holtzbrinck ist laut New Business unmittelbar und Bertelsmann mittelbar über seine Tochterfirmen Random House und Arvato Services (Experte für Kundenverwaltung) beteiligt.
- Auf Holtzbrinck-Seite wird der technische Dienstleister Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice (HGV) eingebunden; vermutlich wird von Bertelsmann außerdem Arvato Systems als digitaler Auslieferer mit einbezogen.
- Das Projekt wurde bei der EU-Kommission zur Prüfung angemeldet
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