Open Educational Resources (OER) stehen in Konkurrenz zu den Angeboten der klassischen Bildungsverlage, auch wenn diese wie aktuell Cornelsen die Tür aufhalten. Ein vom Verband Bildungsmedien gefördertes dreijähriges Forschungsprojekt der Universität Augsburg hat den Markt für freie Bildungsmaterialien analysiert, die alternative Anbieter via Internet verbreiten, und ist jetzt zum Abschluss gekommen.
Besonders auffällig: Dreimal haben die Wissenschaftler das Gesamtvolumen der kostenlosen Unterrichtsmaterialien bestimmt und eine überraschend hohe Fluktuation festgestellt. Hatten sie im August/September 2011 rund eine halbe Mio Materialien gezählt, waren es ein Jahr später schon fast 900.000. Bei einer erneuten Stichprobe 2013 ist die Zahl auf mehr als 600.000 geschrumpft. Auf buchreport-Anfrage macht Studienleiterin Eva Matthes folgende Faktoren für die Entwicklung verantwortlich:
- Auswahlproblem: Da Anbieter im Regelfall immer mehr Materialien anbieten, wird die Auswahl für den Nutzer immer schwerer. Dies macht einzelne Anbieter unattraktiver, sodass das Angebot wieder reduziert wird.
- Besetzung von Themen durch dominante und angesehene Anbieter: Ist ein Themenfeld durch einen sehr dominanten und angesehenen Anbieter erst einmal besetzt, sind andere Anbieter nicht mehr konkurrenzfähig.
- Aussortierung alter Materialien: Da OER besonders auch von rascher Aktualisierung leben, verlieren „alte“ Materialien ihren Reiz.
- Öffentliche Kritik: Manche Anbieter ziehen ihr kritisiertes Angebot nach öffentlicher und medienwirksamer Kritik zurück.
Zur Studie: Freie Lernmaterialien analysiert
Seit 2011 hat die Universität Augsburg den Markt für Open Educational Resources (OER) untersucht:
- Am häufigsten werden Materialien für die Fächer Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen angeboten.
- Lehrer sehen OER als Ergänzung zum Schulbuch, um aktuelle Bezüge herzustellen und die Themen individuell an die Schüler anzupassen.
- Bei den Urhebern sind zum einen die Gruppe der Lehrer, zum anderen die der Vereine, Stiftungen, Verlage, Unternehmen, Kirchen und öffentlichen Anbieter zu unterscheiden.
- Besonders bei der zweiten Gruppe wurden große inhaltliche Akzente in Bezug auf Themen wie nachhaltige Entwicklung oder soziale Marktwirtschaft festgestellt.
- Die Spanne reicht laut Studie von sorgfältig differenzierten Unterrichtseinheiten bis zu unverhohlener Produktwerbung.
- Teilweise wollen sich Unternehmen durch Lobbyismusaktionen an Schulen etablieren.
Für diejenigen Leser/innen, die nicht so tief im Thema stecken, sollte man vielleicht noch erwähnen, dass das Attribut „frei“ bzw. „open“ nicht (nur) für „kostenfrei“, sondern für „unter einer freien Lizenz veröffentlicht“ steht.
Haben die Schulbuchverlage Glück, dass es da politische Probleme gibt. Noch. – Von der einen Seite OER, von der anderen die Piraten. Lustiger wird es für dieses Segment nicht.
Warum haben die Schulbuchverlag Glück? Wenn es keine Schulbuchverlage mehr gibt, weil die Generation Gier den Hals nicht vollkriegt, dann könnt ihr eure Schulmaterialien selbst erstellen. Das wird sicher ein Spaß, vor allem, wenn es man noch etwas Qualität erwartet. Viel Glück dabei!
Der andere Weg wäre natürlich, Piraten links liegen zu lassen, OER nicht in Konkurrenz, sondern zusammen mit Schulbuchverlagen zu entwickeln und für Schulbücher das Geld zu zahlen, dass sie Wert sind. Ihr entscheidet.
Soweit ich informiert bin, benutzen zur Zeit nur 0,5 Prozent der deutschen Schulen digitale Schulmaterialien (stand letzte Woche in der FAZ; was die Lehrer glauben, dass die Schüler machen, steht nochmal auf einem anderen Blatt; inzwischen gibt’s ja wohl auch das Handy, das die Schüler abgeben, und das, was sie dann während des Unterrichts tatsächlich verwenden). Das wird so nicht bleiben, s. z. B. Thailand, und sobald die „digitale Schule“ in Deutschland abhebt, tut das zwingenderweise auch die entsprechende Piraterie. Vorboten davon sind Seiten wie blogspot ed*** lo***, die es nicht erst seit gestern gibt (und die man ja mit einer einzigen Mail abstellen könnte; aber das haben die Schulbuchverlage wohl noch nicht gecheckt). Und Leute wie ed***lo*** nehmen ja auch nicht jeden fragwürdigen Kram, sondern nur Edel-Lehrmaterialien.
Bislang waren, ökonomisch betrachtet, Schulbücher ein ziemlich gemütliches Segment für die entsprechenden (und sehr erfolgreichen) Verlage (für die Buchhändler?): der Bedarf absehbar, die Auflage enorm planbar, und nächstes Jahr ändert sich mal wieder der Lehrplan (danke, KMK), und dann hauen wir das nächste Ding raus.
Qualität? Ich bin nicht immer überzeugt, und gestandene Lehrer sollte man zu dem Thema auch nicht zu sehr fragen. Allein Fehler in Mathebüchern nerven durchaus (z. B. falsche Lösungen), und Mathe zum Beispiel ist ein Feld, wo man sich schon fragen darf, warum da nicht vernünftige Standardwerke kollektiv weiterentwickelt werden statt irgendwelchen didaktischen Moden zu folgen. Generation Gier? Generation Vernunft?
Einstweilen träumen die Schulbuchverlage davon, dass sie das Problem eingefangen kriegen, zum Beispiel durch Scook
https://www.scook.de/
Ich wage die Prophezeiung, dass das nicht klappen wird.
Unter anderem wird man Lehrer nicht dazu bringen, den/die Copyright-Poliziste/in zu geben. Im Gegenteil raffen ja auch Lehrer (von den „digital native“ Eltern ganz zu schweigen) allmählich, was da läuft in der schönen neuen digitalen Welt.
Zum Beispiel: Nicht mehr die ganze Klasse kauft das Buch, sondern sie legt zusammen, und nur einer kauft das Buch. Der Rest läuft dann über rumgereichten USB-Stick. Wer will da wie irgendwas dagegen machen?
Ich verfolge die Entwicklung mit großem Interesse.